Hanswurst
,
ein ehemals stehender grotesk-komischer
Charakter der deutschen
Bühne, der volkstümliche
Narr, welcher noch
heute auf
Volkstheatern, in Marionettenspielen und bei
Seiltänzern sein
Wesen treibt. Der
Name Hanswurst
erinnert
an die ähnlichen Lustigmacher
Pickelhering in
Holland,
Jean Potage
(»Hans
Suppe«) in
Frankreich,
Maccaroni in
Italien,
[* 2]
Jack
Pudding
(»Hänschen
Pudding«) in
England. Gefräßigkeit und eine immer rege Lachlust mögen Veranlassung zu den verschiedenen
Namen
gegeben haben, daher diese den Lieblingsgerichten der niedern Volksklassen der verschiedenen
Nationen
entlehnt sind. Das
Wort kommt zuerst in der 1519 erschienenen niederdeutschen Bearbeitung von
Brants »Narrenschiff« vor und
wird dann von
Luther in seiner gegen den
Herzog von
Braunschweig-Wolfenbüttel gerichteten
Schrift
»Wider
Hanns Worst« (Wittenb.
1541) gebraucht.
Als Bauernname erscheint Hanswurst
in Probsts
Fastnachtsspiel »Vom kranken
Bauer und seinem
Knecht
Simon
Hampel«
(1553). Bei
Hans
Sachs ist »Wurst-Hans« fingierter
Name von Fressern. Für den
Narren im
Schauspiel kommt der
Name Hanswurst
zuerst in
einem
Stück von 1573 vor; allgemeine Verwendung findet er dann in den sogen.
Haupt- und Staatsaktionen gegen Ende des 17. und
zu Anfang des 18. Jahrh. als parodierender
Narr, und nun fanden sich auch
Schauspieler, welche diesen
Charakter
mimisch auszubilden bemüht waren. So stellte Jos.
Ant.
Stranitzky, ein Schlesier, welcher 1708 zu
Wien
[* 3] als Nebenbuhler der
italienischen
Komiker auftrat, den Hanswurst
in der
Tracht und mit dem
Charakter eines einfältig-possierlichen
Salzburger
Bauern dar.
Sein würdiger Nachfolger war Gottfr.
Prehauser aus
Wien, der 1720 zuerst die
Pritsche nahm. Unter den letzten
Hanswursten
der deutschen
Bühne sind noch zu erwähnen:
Schönemann in
Berlin,
[* 4]
Bernardon in
Wien und
Franz
Schuch in
Breslau.
[* 5] War
aber der Hanswurst
in der Kindheit der deutschen
Bühne ein Grundpfeiler des dramatischen
Interesses und lange
Zeit die einzige Gestalt von wirklichem
Leben und nationalem
Charakter gewesen, so war er im
Lauf der Zeit immer mehr verbildet
worden; der harmlose Spaß reichte nicht mehr aus, und er mußte zu plumpen Zoten seine Zuflucht nehmen, um wenigstens die
Masse noch zu interessieren.
Daher kam es, daß der
Feldzug, welchen das gelehrte
Schauspiel gegen ihn eröffnete, so unglücklich für
ihn endete. Den ersten und Hauptsieg über ihn errang 1737 die Neuberin, die den Hanswurst
auf der
Bühne selbst in einem von
Gottsched
eigens dazu verfaßten
Stück feierlich begrub; in
Berlin folgte
Schönemann, in
Wien Frhr. v.
Pendel,
[* 6] mehr
noch
Sonnenfels, der sogar den modifizierten Hanswurst
Stranitzkys von der
Bühne vertrieb. Der Hanswurst
blieb dessenungeachtet noch bis
gegen 1770 die einzige
Stütze der kleinen herumziehenden Schauspielertruppen, und als diese sich endlich ebenfalls des alten
ehrlichen
Kauzes schämten, erschien er unter andern Gestalten und unter andern
Namen wieder, als:
Kasperle,
Larifari, Sepperl, Lipperl,
Thaddädl,
Staberl etc. Die stereotypen possierlichen
Figuren in den
Wiener Zauberpossen können den
alten Ahnherrn nicht verleugnen. Als Verteidiger des Hanswurstes
traten besonders
Lessing und J.
Moser auf, ersterer namentlich
im 18.
Stück der »Hamburgischen
Dramaturgie«, letzterer in seiner
Schrift
»Harlekin, oder
Verteidigung des
Grotesk-Komischen«.
Vgl.
Görner, Der Hanswurst
streit in
Wien
(Wien 1884);
»Der
Wiener Hanswurst«
, ausgewählte
Schriften von
Stranitzky
u. a. (hrsg. von
Werner, das. 1885 ff.).