Titel
Handelsrecht
,
der Inbegriff der besondern für
Handelssachen geltenden Rechtssätze. Diejenigen
Normen desselben, welche die auf Sonderinteressen beruhenden Beziehungen der
Personen zu einander und zu den
Sachen ordnen,
bilden das Privathandelsrecht.
Das Staatshandelsrecht, ein Teil des
Verwaltungsrechts, regelt die Beziehungen der
Staatsgewalt
zum
Handel nach der polizeilichen, finanziellen und strafrechtlichen Seite. Das Völkerhandelsrecht
, auch allgemeines Handelsrecht
genannt,
bezieht sich auf die
Bedingungen des Handelsbetriebs zwischen verschiedenen
Staaten und den
Angehörigen derselben. Als
Zweige
des Privathandelsrechts
sind zu betrachten: das
Wechsel-, das
See- und das Versicherungsrecht. Dem öffentlichen und dem Privathandelsrecht
gehören ein eigentümliches Handelsprozeßrecht und Fallitenrecht an. - Obgleich das
römische Recht nur wenige ausschließlich
den
Handel betreffende
Normen enthält, so wurde es doch in den letzten
Jahrhunderten des
Mittelalters die
Grundlage des europäischen Handelsrechts
, indem die kaufmännische
Gewohnheit (consuetudo, stylus mercatorum, usancia) nicht
mehr genügte.
Geschichtskarten von D

* 3
Deutschland.Seit Mitte des 16. Jahrh. beginnt in einzelnen Staaten die Gesetzgebung sich mit Handelssachen zu befassen. So entstanden in Deutschland [* 3] Gesetze gegen wucherliche Kontrakte verschiedener Art: Augsburger Reichsabschied 1550, Tit. 32;.
Reichspolizeiordnung von 1530, Tit. 26, 27;.
von 1548 und 1577, Tit. 17, 20;.
Regensburger Reichsabschied von 1532, Tit. 8;.
Speierer Reichsabschied von 1570, § 83;
Beschränkung der Moratorien: Reichspolizeiordnung von 1548, Tit. 22;.
von 1577, Tit. 23;.
Reichsgerichtsordnung vom 1. Aug. und vom 22. (12.) Juni 1669;
Bankrottstrafen und -Verfahren: Reichspolizeiordnung von 1548, Tit 22;.
von 1577, Tit. 23. Für den Wechselprozeß waren von Bedeutung: der jüngste Reichsabschied von 1654, § 107;
die Reichsgerichtsordnung vom 31. (21.) Juli 1668;
das kaiserliche Kommissionsdekret vom 10. Okt.
und
die Reichsabschiedsordnung von 1671. - Für
Frankreich bildete das
Edikt
Karls IX. von 1563 die Grundlage der französischen
Handelsgerichtsbarkeit; für das
Handels- und
Seerecht wurden von Bedeutung die
Ordonnanzen
Ludwigs XIV. vom März 1673, sogen.
Ordonnance du commerce, und von 1681, sogen. Ordonnance de la marine. Eigentliche
Kodifikationen des Handelsrechts
beginnen seit Ende des 18. Jahrh. und zwar zunächst in
Preußen:
[* 4] erneuerte
Wechselordnung
vom das
Seerecht vom und die
Assekuranz- und Havarieordnung vom das allgemeine
Landrecht
vom Teil 2,
Tit. 8, §. 713-2464; sodann in
Frankreich der
Code de commerce vom
Letzterer
wurde in verschiedenen deutschen und auch in andern
Staaten eingeführt.
Württemberg und Hohenz

* 5
Württemberg.Nach Auflösung des frühern Deutschen Reichs wurden Handels- und Wechselrecht zum großen Nachteil für den Verkehr durch die partikuläre Gesetzgebung weiter entwickelt. Anträge auf gemeinsame Gesetzgebung, welche auf den Generalkonferenzen der Zollvereinsstaaten von 1836 u. 1838 Württemberg [* 5] stellte, blieben erfolglos; erst der weitere württembergische Antrag in der achten Konferenz von 1846 hatte zur Folge, daß 1847 die Beratungen über ein gemeinsames Wechselrecht begannen; die so in Nürnberg [* 6] zu stande gekommene Wechselordnung wurde zwar für das ganze Reich verkündet, erlangte aber dadurch doch nicht den Charakter eines eigentlichen Reichsgesetzes.
Ergänzt und teilweise geändert wurde sie durch die sogen. Nürnberger Novellen. Im J. 1848 wurde eine Kommission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuchs niedergesetzt, welche im März 1849 die fünf ersten Titel ihres Entwurfs beendigt hatte; allein mit dem Sturz der damaligem Reichsregierung blieb diese Arbeit auf sich beruhen. Am brachte Bayern [* 7] bei der Bundesversammlung den Antrag ein, eine Kommission zur Entwerfung eines allgemeinen Handelsgesetzbuchs für Deutschland niederzusetzen; wurden die Konferenzen dieser Kommission zu Nürnberg eröffnet.
Umgebung von Hamburg

* 8
Hamburg.Nachdem in zwei Lesungen der Entwurf eines Handelsgesetzbuchs festgestellt war, begannen zu Hamburg [* 8] die Beratungen des Seerechts. Am waren sämtliche Beratungen geschlossen. Mit besondern, vielfach voneinander abweichenden Einführungsgesetzen wurde seit 1861 das Handelsgesetzbuch in den einzelnen deutschen Staaten sowie in Österreich, [* 9] und zwar nicht nur in Deutsch-Österreich, sondern auch in verschiedenen nichtdeutschen Ländern der Monarchie, eingeführt. Seit 1871 gelten das Handelsgesetz und die Wechselordnung als Reichsgesetze, nachdem sie bereits durch das Gesetz vom für Gesetze des Norddeutschen Bundes erklärt worden waren. Die Einführung in Elsaß-Lothringen [* 10] erfolgte durch Gesetz vom
Handelsrecht - Handels

* 11
Seite 8.97.In erster Reihe ist in Handelssachen das Handelsgesetzbuch in Anwendung zu bringen; soweit es keine Bestimmungen enthält, sind die Handelsgebräuche (s. Handelsbrauch) maßgebend und in deren Ermangelung das allgemeine bürgerliche Recht. Da Reichsgesetz dem Landesgesetz vorgeht, so sind mit Einführung des Handelsgesetzbuchs als Reichsrecht alle landesrechtlichen Bestimmungen abgeschafft, welche neben dem Handelsgesetzbuch nicht bestehen können. Das Handelsgesetzbuch regelt zunächst die eigenartigen Verhältnisse des Handelsstandes, indem es im erstem Buch 1) von den Kaufleuten, 2) von dem Handelsregister, 3) von den Handelsfirmen, 4) von den ¶
mehr
Handelsbüchern, 5) von den Prokuristen u. Handlungsbevollmächtigten, 6) von den Handlungsgehilfen und 7) von den Handelsmaklern handelt. Der Gegenstand des zweiten Buches sind die Handelsgesellschaften (offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Aktiengesellschaft), während sich das dritte Buch mit der stillen Gesellschaft und der Vereinigung zu einzelnen Handelsgeschäften für gemeinschaftliche Rechnung beschäftigt. Gegenstand des vierten Buches sind die einzelnen Handelsgeschäfte (Kauf, Kommissions-, Speditions- und Frachtgeschäft) sowie die allgemeinen Grundsätze über die Handelsgeschäfte.
Das fünfte Buch betrifft den Seehandel. Umgestaltet wurde derjenige Teil des Handelsgesetzbuchs, welcher von der Aktiengesellschaft
und der Kommanditgesellschaft auf Aktien handelt, durch die Reichsgesetze vom und Außerdem
sind noch verschiedene Reichsgesetze handelsrecht
lichen Inhalts ergangen, namentlich die Gesetze über das Urheberrecht, die
Postgesetzgebung, die Seemannsordnung, das Reichsgesetz über den Markenschutz, das Bankgesetz und das Patentgesetz. Das bevorstehende
deutsche Zivilgesetzbuch wird auch auf dem Gebiet des Handelsrechts
manche Umgestaltung bringen.
Schweiz

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Schweiz. Übrigens haben jetzt nahezu alle zivilisierten Staaten ihre Handelsgesetzbücher, und zwar ist in Frankreich
für das Handelsrecht
noch der Code de commerce in Geltung, welcher jedoch durch eine Reihe nachfolgender Gesetze teils abgeändert, teils
ergänzt worden ist. In der Schweiz
[* 12] ist das gesamte Obligationenrecht vom an durch Bundesgesetz in einheitlicher
Weise normiert. In Belgien
[* 13] gilt der Code de commerce, durch spätere Gesetze modifiziert; in den Niederlanden
ist derselbe seit 1838 durch ein neues Gesetzbuch (Wetboek van koophandel) ersetzt.
Kraft [unkorrigiert]
![Bild 60.671: Kraft [unkorrigiert] Bild 60.671: Kraft [unkorrigiert]](/meyers/thumb/60/60_0671.jpeg)
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Kraft.Spanien [* 14] besitzt seit ein Handelsgesetzbuch (Codigo de comercio), welches zwar den Code de commerce zum Vorbild hat, jedoch sorgfältiger gearbeitet und vollständiger ist als jener. Auch das Handelsgesetzbuch der Türkei [* 15] ist im wesentlichen dem Code de commerce nachgebildet. Portugal hat seit ein allenthalben als vortrefflich anerkanntes Handelsgesetzbuch. (Codigo comercial). In Italien [* 16] wurde durch Gesetz vom ein Handelsgesetzbuch für das Königreich publiziert, welches wesentlich auf dem sardinischen Handelsgesetzbuch beruht, jedoch durch neuere sardinische und französische Gesetze und durch das neapolitanische Handelsgesetzbuch modifiziert wurde, bis ein neues Handelsgesetzbuch (Codice di commercio) in Kraft [* 17] trat.
Das Handelsrecht
für Rußland bildet in 2883 Artikeln einen Teil des russischen Gesetzkodex, welcher mit in Kraft
getreten ist; im ehemaligen Königreich Polen gilt noch das französische Recht. Das Handelsrecht
der Engländer beruht noch gegenwärtig
vorzugsweise auf dem Handelsgebrauch der zivilisierten Welt; nach freier Prüfung hat der englische Richter den anzuwendenden
Rechtssatz aus einheimischen Vorgängen, aus ältern und neuern auswärtigen Gesetzen, aus den Zeugnissen angesehener Schriftsteller
zu schöpfen, und nur für einzelne Materien, z. B. Bankrottsachen, galten früher schon besondere Gesetze.
Die neueste Gesetzgebung befaßt sich besonders mit dem Gesellschafts- und Genossenschaftswesen. In Nordamerika [* 18] hat Louisiana seit 1824 ein eignes Handelsgesetzbuch, während in den meisten andern Staaten und Territorien nach dem englischen Common law verfahren wird. Die südamerikanischen Staaten schlossen sich im wesentlichen an die Handelsgesetzbücher von Spanien und Portugal an. Im Kaiserreich Brasilien [* 19] gilt seit ein auf Grundlage des französischen, spanischen, holländischen und namentlich des portugiesischen verfaßtes Gesetzbuch.
[Litteratur.]
Eine besondere Litteratur des Handelsrechts
existiert erst, seitdem man das als eine besondere
Rechtsdisziplin wissenschaftlich behandelte und die Rechtsprechung und die Gesetzgebung sich mit dieser Materie mehr und mehr
befaßten, welche bis dahin mehr auf Handelsbräuchen als auf Rechtssatzungen beruht hatte.
Von besonderer Wichtigkeit waren für Deutschland die Rechtsprechung des gemeinschaftlichen Oberappellationsgerichts der Hansestädte in Lübeck [* 20] und in neuerer Zeit diejenige des Bundes- (Reichs-) Oberhandelsgerichts in Leipzig, [* 21] welche auf die Einheitlichkeit der Judikatur in Handelssachen den größten Einfluß ausübten. Die Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts sind von den Räten desselben in 25 Bänden und 4 Registerbänden herausgegeben (Leipz. 1870-79).
Bonn

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Bonn. Wissenschaftliche Bearbeitungen des deutschen Handelsrechts
finden sich in den Hand- und Lehrbüchern des deutschen Privatrechts.
Dazu kommen aber nicht wenige selbständige Darstellungen des Handelsrechts
und zahlreiche Monographien
über einzelne Gegenstände desselben. Epochemachend war insbesondere Heinrich Thöls »Handelsrecht«
(Götting. 1841 ff.; Bd.
1, 6. Aufl., Leipz. 1879; Bd.
2: Wechselrecht, 4. Aufl. 1878; Bd.
3: Transportgewerbe und Frachtgeschäft, das. 1880). Zahlreiche Ausgaben und Kommentare des deutschen Handelsgesetzbuchs
sind vorhanden, so in größern Werken von Makower (9. Aufl., Berl. 1884), Puchelt (3. Aufl.,
Leipz. 1882-85, 2 Bde.); in kleinern
Ausgaben von Litthauer (5. Aufl., Berl. 1885), Schröder (6. Aufl., Bonn
[* 22] 1884) u. a.
Vgl. Endemann, Das deutsche Handelsrecht
(3. Aufl.,
Heidelb. 1876);
Derselbe, Handbuch des deutschen Handels-, See- und Wechselrechts (Leipz. 1881-85, 4 Bde.);
Gareis, Das deutsche Handelsrecht (2. Aufl., Berl. 1884);
Goldschmidt, Handbuch des Handelsrechts (2. Aufl., Stuttg. 1874 ff.);
Behrend, Lehrbuch des Handelsrechts (Berl. 1880 ff., 2 Bde.);
Fischer, Katechismus des deutschen Handelsrechts (3. Aufl., Leipz. 1885);
Löbner, Lexikon des Handels- und Gewerberechts für den Kaufmann (das. 1882);
Grimm, Wörterbuch des deutschen Handels-, Wechsel- und Konkursrechts (Berl. 1885, 2 Bde.).
Zeitschriften: »Archiv für Theorie und Praxis des allgemeinen deutschen Handels- u. Wechselrechts« (hrsg. von Busch, Leipz. 1863 ff., jetzt Berl.);
»Die Entscheidungen des Reichsgerichts« (das. 1873 ff.);
»Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht« (hrsg. von Goldschmidt, Stuttg. 1858 ff.).
Über ausländisches Handelsrecht vgl. Borchardt, Die geltenden Handelsgesetze des Erdballes (Berl. 1884-86, Bd. 1-4);
Alauzet, Commentaire du code de commerce (3. Aufl., Par. 1879, 8 Bde.);
Massé, Le [* 23] droit commercial (3. Aufl., das. 1873, 4 Bde.);
Rivière, Répétitions sur le code de commerce (8. Aufl., das. 1882);
Hafner, Schweizerisches Obligationenrecht (Zürich [* 24] 1883);
Jacottet, Droit fédéral des obligations (Neuchâtel 1885);
van Meenen, Code de commerce etc. en Belgique (3. Aufl., Brüssel [* 25] 1884);
Asser, Nederlandsch handelsrecht (4. Aufl., Haarl. 1885);
Pancorbo, Lecciones de derecho mercantil (3. Aufl., Madr. 1884);
de Rossi, Codice di commercio illustrato (Livorno [* 26] 1883);
Blaschke, Erläuterungen des österreichischen Handelsgesetzbuchs (3. Aufl., Wien [* 27] 1879);
Schnierer, Kommentar zum ungarischen Handelsgesetzbuch (Budapest [* 28] 1877).