Handelskammern
(Handels- und Gewerbekammern,
Kommerzkammern,
Handelsdeputationen, kaufmännische Ältestenkollegien),
Organe zur Vertretung der kaufmännischen und industriellen
Interessen in einem bestimmten
Bezirk. In
Frankreich
entstand die erste Handelskammer
1650 in
Marseille
[* 2] frei aus dem Handelsstand heraus, 1700 und 1701 wurden seitens der französischen
Regierung mehrere solcher
Institute eingerichtet. Während der
Revolution 1791 aufgehoben, wurden sie unter
Napoleon I. 1803 wiederum
organisiert.
Ihre Funktionen wurden durch spätere Regierungserlässe und Gesetze des weitern ergänzend festgestellt. Danach bestehen in Frankreich die Chambres de commerce, die Handelsräte, und die Chambres consultatives des arts et des manufactures, die Gewerbe- und Fabrikräte. Die erstern umfassen größere und industriell wie kommerziell mannigfaltige Bezirke; ihre Kosten werden von sämtlichen Patentierten der einzelnen Bezirke bestritten, wogegen die Chambres consultatives des arts et des manufactures von den Städten, welche sie ¶
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besitzen, unterhalten werden. In die Chambres de commerce können Handel- und Gewerbtreibende unterschiedslos durcheinander gewählt werden. Von Frankreich aus verbreitete sich die Einrichtung derselben über die meisten andern Länder; in einigen (wie in England, dann in Baden [* 4] 1862-78 etc.) bestehen sie lediglich aus frei gebildeten Vereinen, in den meisten haben sie eine gesetzlich anerkannte öffentliche Stellung mit Beitragspflicht der Beteiligten, von denen z. B. in Preußen [* 5] die Beiträge zur Kostendeckung durch Zuschläge auf die Gewerbesteuer erhoben werden, beratende Stimme für Wahrung der Bedürfnisse von Handel und Industrie mit dem Zweck, zwischen Handelsstand und Regierung zu vermitteln, Berichte, Anträge und Gutachten zur Unterstützung der Behörde zu erstatten.
Vielfach sind ihnen auch gewisse Aufsichts- und Verwaltungsbefugnisse (z. B. Aufsicht über Börsen und andre Handelsanstalten)
eingeräumt. In Preußen wurden die Handelskammern
1848 und 1870 gesetzlich geregelt. Sie werden mit Genehmigung des Handelsministers errichtet.
Die Mitglieder der Handelskammern
werden von den Inhabern der in das Handelsregister eingetragenen Firmen gewählt.
Ähnlich wie in Preußen wurden 1878 die Handelskammern
in Baden eingerichtet. In einigen Ländern (Sachsen,
[* 6] Bayern,
[* 7] Württemberg)
[* 8] sind die
Handelskammern
im Interesse der kleinen Gewerbtreibenden mit Gewerbekammern verbunden, in Österreich,
[* 9] wo die Handelskammern
ausgedehntere Rechte und
Pflichten als in Deutschland
[* 10] haben, bestehen sie in der Regel aus einer Handels- und einer Gewerbesektion.
In Bayern, wo 1868 für jeden Regierungsbezirk eine Handelskammer
in Verbindung mit Abteilungen für die Gewerbe eingerichtet
wurde, bilden die Bezirksgremien Unterabteilungen der Handelskammern
, welche Teile des Bezirks der letztern umfassen und in denselben
Sitz und Stimme haben.
Ganz Deutschland zählt unter verschiedenen Benennungen über 200 Handelskammern
mit sehr verschiedener
Verfassung und Verwaltung. In Belgien
[* 11] wurden 1874 die gesetzlich organisierten Handelskammern
wieder aufgehoben. In den meisten Ländern haben
die Handelskammern
alljährlich einen Bericht über den Gang
[* 12] von Handel und Industrie zu erstatten. Nicht zu verwechseln sind die Handelskammern
mit
den Kammern für Handelssachen, welche in Deutschland Abteilungen des Gerichts bilden (vgl. Handelsgerichte).