Handelsbilanz
,
der Unterschied zwischen dem Gesamtwerte der Warenaus- und -Einfuhr eines Landes. Man nennt sie günstig, wenn dieser Unterschied positiv ist, d. h. das Ausland einen Saldo zu zahlen hat, ungünstig, wenn er negativ ist, die Ausfuhr also zur Begleichung der Einfuhr nicht ausreicht. Diese Bezeichnungen hängen noch mit den Anschauungen des Merkantilsystems (s. d.) zusammen, die in der neuern Zeit selbst von den Anhängern des Schutzzollsystems mehr und mehr aufgegeben sind.
Eine starke Einfuhr von barem
Gelde aus einem
Lande in ein anderes wird in letzterm eine wenn auch nicht für alle Waren gleichmäßige
Preissteigerung hervorrufen, dadurch die weitere Warenausfuhr nach dem erstern erschweren und schließlich vielleicht einen
völligen
Umschlag der Handelsbilanz
herbeiführen. Wenn umgekehrt ein Land zeitweise einen merklichen
Teil seines Barvorrates, etwa infolge einer schlechten Ernte,
[* 2] an das
Ausland abgeben muß, so tritt hier eine
Erhöhung des
Geldwertes ein, durch welchen fremde Barvorräte herbeigezogen werden.
Einen
Verlust erleidet das Land dann allerdings, aber nur wegen des Produktionsausfalls, nicht durch die Geldausfuhr als solche.
Gegenwärtig sind es hauptsächlich die großen Centralbanken, welche durch ihre Diskontpolitik den
Ab- und
Zufluß des baren
Geldes regulieren. Überhaupt hängt der letztere gar nicht mehr von der Handelsbilanz
im ältern
Sinne ab, die sich
nur auf den Warenhandel bezog, sondern von der
Zahlungsbilanz, für welche auch die auf andere
Weise entstandenen Forderungen
und
Verbindlichkeiten in Betracht kommen. Es giebt ja auch gegenwärtig einen internationalen Effektenhandel
von großem
Umfange, durch welchen die aus dem Warenhandel entstehende
Bilanz sowohl vergrößert als vermindert werden kann.
Zugleich haben die Kapitalisten des einen
Landes
Zinsen oder Dividenden aus andern
Ländern zu beziehen, wodurch ebenfalls die
Zahlungsbilanz beeinflußt wird, sodaß gerade die kapitalkräftigsten
Länder, welche die größte Menge
von ausländischen Werten im Inlande und die bedeutendsten Kapitalanlagen im
Auslande besitzen, oft eine ungünstige Handelsbilanz
aufweisen.
Daher erklärt es sich, daß die Warenhandelsbilanz
eines so reichen
Landes wie England regelmäßig passiv erscheint.
Der Überschuß der Einfuhr ist aber die Form, in welcher die Zinsen und der Gewinn der von England in seinen Kolonien und im Auslande angelegten Kapitalien eingehen, sodaß doch kein Barsaldo zu entrichten ist. Übrigens wird die Warenhandelsstatistik auch aus andern Gründen meistens eine höhere Wertsumme für die Einfuhr als für die Ausfuhr ergeben. Denn die Preise der eingeführten Waren setzen sich zusammen aus den im Herkunftslande geltenden und den Fracht- und Handelskosten bis zum Importlande, während der Wert der Ausfuhr sich einfach nach inländischen Marktpreisen bestimmt.
Länder mit lebhaftem
Aktivhandel und bedeutender Schiffahrt werden übrigens den größten
Teil des
Transport- und Handelsbetriebes
bei der Ausfuhr sowohl wie bei der Einfuhr selbst in der
Hand
[* 3] haben und daher noch einen Gewinn erzielen,
der in der Handelsstatistik nicht zum
Ausdruck kommt. Gleichsam als
Barometer
[* 4] für den
Stand der
Zahlungsbilanz dienen die Wechselkurse.
Die Wechsel auf das
Ausland steigen im Preise, wenn mehr
Zahlungen dorthin zu leisten sind, und bei einem
gewissen Kurse, dem. sog. Metallpunkte (s.
Goldpunkt), wird Abfluß von barem
Gelde eintreten. Umgekehrt zeigt das Sinken der
Kurse der ausländischen Wechsel, daß das Inland vom
Auslande einen Überschuß an Forderungen einzuziehen hat, und es giebt
nun auch einen untern Metallpunkt, nach dessen Überschreitung Barsendungen vom
Auslande her stattfinden. Von
Einfluß auf die Handelsbilanz
sind auch die internationalen Währungsverhältnisse.
Länder mit entwerteter
Silber- oder
Papiervaluta finden in dem Goldagio einen Anreiz zur
Vermehrung der Warenausfuhr nach Goldwährungsländern, während umgekehrt
diesen durch das
Silber- oder Papierdisagio die Warenausfuhr nach jenen
Ländern erschwert wird; ein Umstand, der namentlich
von den Bimetallisten zu Gunsten ihrer
Theorie geltend gemacht wird. Die günstige Handelsbilanz
der
Länder mit entwerteter
Valuta hat aber wiederum die Wirkung, daß sich ihre
Währung bessert, das Goldagio in ihrem Verkehr mit Goldwährungsländern
also geringer wird. Änderungen in der
Handels- und Zollpolitik der einzelnen
Staaten nach außen können ebenfalls eine wesentliche
Verschiebung der Handelsbilanz
verhältnisse hervorrufen.
Vgl. Fellmeth, Zur Lehre [* 5] von der internationalen Zahlungsbilanz (Heidelb. 1877);
Arendt, Die internationale Zahlungsbilanz Deutschlands [* 6] (Berl. 1878).