Titel
Haidarabad
(Hyderabad), 1)
Reich des
Nizams, der größte Vasallenstaat des britisch-ind. Kaiserreichs, im zentralen
Teil der vorderindischen
Halbinsel, zwischen 15° 10' und 21° 41' nördl.
Br. und 74° 40' und 81° 31' östl. L. v. Gr.,
umgeben von dem ihm früher zugehörigen, jetzt unter englische
Verwaltung gestellten
Berar (s. d.), den
Zentralprovinzen und den
Präsidentschaften
Bombay
[* 2] und
Madras,
[* 3] hat einen
Umfang von 211,872 qkm (3848 QM.). Haidarabad
nimmt den größten
Teil des
Tafellandes des
Dekhan ein und erhebt sich im
Plateau von Bider zu 762 m
Höhe.
Die Gebirgsgegenden an der Nordgrenze sind unfruchtbar: südlich davon zur Godaweri, die das Land von W. nach O. durchzieht und dann die Ostgrenze bildet, erstreckt sich der »Garten [* 4] des Dekhan«, welcher reiche Baumwoll- und Weizenernten liefert. Den Süden durchzieht in gleicher Richtung die Krischna oder Kistna, welche später die Südgrenze abgibt; hier wiegt die Reiskultur vor, zu deren Förderung staunenswerte Bewässerungsanlagen ausgeführt wurden. Die Gebirgsgegenden sind mit Wäldern und Dickichten bedeckt, auch hat die Regierung des Nizams bereits bedeutende Waldbestände zu Forstreserven erklärt und Baumanpflanzungen in größerm Maßstab [* 5] machen lassen.
Eisen- und
Kohlenlager sind vorhanden, werden indes nicht ausgebeutet. Wilde
Tiere
(Tiger, Panther,
Hirsche
[* 6] u. a.) sind zahlreich,
dagegen ist die
Viehzucht
[* 7] unbedeutend. Das
Klima
[* 8] ist heiß (in der Hauptstadt Haidarabad
25,2° C. im Jahresmittel)
und trocken, aber nicht ungesund. Die
Bevölkerung,
[* 9] welche 1881 auf 9,845,594
Seelen ermittelt wurde, besteht zumeist aus
Hindu
(8,893,181); ihnen zunächst stehen 925,929 Mohammedaner, welche aber, da der
Fürst sich zum
Islam bekennt, die herrschende
Klasse bilden, nur 13,614 sind
Christen. Von Arabern, aus denen der
Nizam sich eine
Leibwache bildete, sind 5654 im
Lande. Die
Hindu, welche in eine
Menge von
Kasten zerfallen, sind meist
Ackerbauer, die Mohammedaner meist Beamte und
Soldaten.
Hauptsprachen sind
Marathi (s. d.) und
Telugu (s. d.). Die
Industrie ist bedeutend in
Stickereien und in
verzierten Metallgeschirren, im übrigen nicht nennenswert. Der
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mehr
immer lebhafte Handel hat sich, seitdem die Bombay-Madras-Eisenbahn, welche den Südwesten von Haidarabad
durchzieht, mit der Hauptstadt
verbunden wurde, bedeutend gehoben; vorher soll der Umsatz 200 Mill. Mk. im Jahr erreicht haben. Hauptausfuhrartikel sind:
Rohstoffe (Baumwolle,
[* 11] Ölsamen), Stickereien und Gewebe,
[* 12] dann Metallwaren;
die Einfuhr besteht aus Salz,
[* 13] Zucker,
[* 14] europäischem
Stückgut und Eisenwaren. Die Verwaltung wurde 1867 unter englischem Einfluß neu organisiert und die altmohammedanischen
Einrichtungen beseitigt; wirklich gebessert hat sich jedoch nur das Steuerwesen. Bis 1821 waren die Abgaben unerschwinglich;
das Land lag infolgedessen vielfach öde, die Steuern gingen nicht mehr ein. Auf Anregung des englischen Aufsichtsbeamten
werden letztere jetzt auch in Geld, statt in Naturalien, gezahlt, für jedes Grundstück ist die Steuer nach
Größe und Güte desselben bestimmt. Der Besitz ist dem Bauer gesichert, solange er die Abgaben zahlt. Hierdurch hoben sich die
Einnahmen in wenigen Jahren und beziffern sich jetzt mit Berar auf 80 Mill. Mk. Für Schulen ist bisher nur
in der Hauptstadt gesorgt. Die Armee zählt 12,775 Mann Infanterie, 1400 Mann Kavallerie, 551 Mann Artillerie und 725 Geschütze,
[* 15] wozu noch eine große Zahl Irregulärer kommen. In der Hauptstadt Haidarabad
besteht eine Münze, in welcher Rupien geschlagen werden.
- Die Hauptstadt Haidarabad
liegt in 557 m Höhe inmitten einer weiten, von zahlreichen Teichen besäeten Ebene,
die zum Teil von einer chaotischen Masse granitischer Felsblöcke wallartig eingefaßt wird.
Die eigentliche, von einer Mauer mit fünf Thoren umgebene Stadt enthält die weitläufigen, niedrigen Gebäude, welche den
Palast des Nizams bilden und 7000 Personen, darunter die aus Amazonen bestehende Leibgarde, beherbergen. Rings
um die Stadt erstrecken sich mehrere Kilometer weit die Vorstädte. Hier erhebt sich auch, von Bastionen umgeben, der prächtige
Palast des britischen Residenten inmitten eines herrlichen Parks; ein zweites, ebenso wohlverteidigtes Schloß desselben liegt 16 km
nördlich von Haidarabad
, zwischen beiden ziehen sich die weiten Kantonnements von Sikanderabad hin, der stärksten
militärischen Station der Engländer in Indien, welche einen Raum von 50 qkm einnimmt und eine Handelsstadt nebst mehreren Dörfern
einschließt. Im Zentrum gewährt ein auf zwölf Monate vollständig verproviantiertes verschanztes Lager
[* 16] den Europäern vorkommenden
Falls eine sichere Zufluchtsstätte. Die Bevölkerung zählte 1881: 231,287, mit den Vorstädten 354,962
Seelen. Nordwestlich von Haidarabad
die verlassene und verfallene Feste und Gräberstadt Golkonda, ehemals die prachtvolle Hauptstadt
der Nizams und immer noch reich an den schönsten mohammedanischen Bauwerken.
Geschichte. Hinduherrscher hatten den Staat nie in seinem ganzen Umfang einheitlich regiert und zu großem Einfluß gebracht. 1294 fand
im Norden
[* 17] der Islam Eingang durch die Siege Ala-ud-dins, des Feldherrn von Firoz-Ghilzi, dem Mogulkaiser zu
Dehli; die Ausdehnung
[* 18] nach Süden erfolgte durch die Schlacht von Talikota wo die vereinigten Heere der Fürsten
im nördlichen Teil von Haidarabad
dem König von Widschajanagar eine entscheidende Niederlage beibrachten. Zu Bedeutung erhob sich
jetzt die Kutb-Schah-Dynastie zu Golkonda (s. unten). 1584 wurde die Stadt Haidarabad
erbaut. 1672 unterwarf Aurengzib
das Land und teilte es in drei Provinzen; 1717 machte sich der unter seinem Nachfolger unter dem Titel Nizam ul Mulk (»Ordner
des Staats«) zum Vizekönig ernannte Asaf Dschah unabhängig, behauptete sich gegen die Marathen und
wurde
Gründer der noch jetzt regierenden Dynastie.
Eine große Bedeutung erhielten die Nizams im Streit zwischen den Engländern und Franzosen um die Oberherrschaft in Ostindien.
[* 19] Zum erstenmal genannt und zum unabhängigen Königreich erklärt ward Haidarabad
1763 im Frieden von Paris.
[* 20] Schon wenige Jahre später
mußte sich Haidarabad
jedoch der englischen Oberhoheit fügen; am trat es das Mündungsgebiet der
Godaweri an die Engländer ab, und wenn auch gleichzeitig Geldkompensation gegeben und ein ewiger Freundschaftsvertrag
geschlossen wurde, so kamen die Nizams doch immer mehr in Abhängigkeit von der Ostindischen Kompanie.
Unter den zahlreichen Verträgen sind die wichtigsten jene vom und durch welche der Nizam seine Nordprovinz Berar (s. d.) der englischen Verwaltung unterstellte als Unterpfand für Bezahlung der Kosten des Hilfskontingents von 8 Bataillonen Infanterie und 2 Regimentern Kavallerie (welche im Land zu unterhalten die Kompanie durch den Vertrag vom sich verpflichtet hatte) und der bis 1853 zu 9 Mill. Mk. aufgelaufenen Zahlungsrückstände.
Der Überschuß über die Kosten der Verwaltung der öffentlichen Arbeiten und des Hilfskorps (1883: 62,859 Pfd. Sterl.) wird
dem Nizam ausbezahlt. Mit Rücksicht auf die Verminderung des Überschusses, die in größern Ausgaben für gemeinnützige
Zwecke ihren Grund hat, bietet Haidarabad
seit 1872 Bezahlung der alten Schuld an und verlangt Rückgabe der Verwaltung
von Berar; Ende 1874 wurde diese Forderung bestimmt abgelehnt, hat den Landesfürsten und seine Regierung aber nachhaltig gegen
England eingenommen.
Der Fürst, geb. 1866, hatte unter seiner Minderjährigkeit als leitenden Minister Sir Salar Dschang, einen
bedeutenden Staatsmann, dem trotz aller Selbstsucht Haidarabad
viel dankt. Am gelangte der Fürst zur vollen Reichsgewalt,
aber der erste Minister, jetzt Laik Ali, blieb die einflußreichste Persönlichkeit. In der anglo-indischen Rangliste nimmt
der Fürst den obersten Platz ein. Das Verhältnis zur englischen Regierung von Indien wird als Subsidienallianz
bezeichnet; der Nizam zahlt bar einen Tribut von 421,200 Mk. und hat auf Erfordern einige Regimenter Truppen zu stellen.
2) Distrikt der Division Sind in der britisch-ind. Präsidentschaft Bombay, ein durchaus ebenes Gebiet, im S. eine salzdurchtränkte Heide, am linken Ufer des untern Indus, von welchem ein von der englischen Regierung seit 1861 ausgeführtes großartiges Bewässerungssystem den Distrikt durchzieht, umfaßt 23,387 qkm (425 QM.) mit (1881) 754,624 Einw., davon 77 Proz. Mohammedaner, die ungebildet und fanatisch, dabei aber gutmütig sind und sich mit dem Anbau von Reis, Baumwolle, Weizen und Tabak [* 21] beschäftigen sowie mit der Anfertigung von Teppichen, Baumwoll- und Seidenzeugen, Töpfer- und Lederwaren, die sämtlich als vortrefflich gelten.
Das Land wurde von den Engländern 1843 erworben. Die Hauptstadt Haidarabad
auf der linken Seite des Indus, 6 km von demselben auf
einem Felsplateau, besteht aus der Altstadt mit jetzt wertloser Citadelle, engen Straßen, vielen Moscheen und Bazaren,
in welchen berühmte Lackwaren, Gold- und Silberstickereien, Emailarbeiten, damaszierte Waffen,
[* 22] Sättel u. a. ausliegen. Die
Neustadt
[* 23] mit regelmäßigen Straßen ist seit der Eroberung durch die Engländer angelegt. Haidarabad
ist Sitz der englischen Behörden
und zählt (1881) 45,195 Einw. Die nahe englische Garnisonsstadt
hat 2958 Einw. Am rechten Indusufer Kotri, der Hafen von an der Industhalbahn, mit 7349 Einw.
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