Hagelversi
cherung.
Zweck derselben ist die
Versicherung der
Feldfrüchte gegen aus Hagelschäden erwachsende Verluste.
Einige
Gesellschaften übernehmen auch eine Hagelversi
cherung für
Spiegel,
[* 2]
Fenster,
Dächer etc. Dieselbe ist für den Landwirt von hoher Bedeutung,
da dessen wirtschaftliche
Existenz durch Vernichtung der
Ernte
[* 3] vollständig untergraben werden kann. Wenn
sich diese Art der
Versicherung trotzdem erst sehr spät ausgebildet hat, so beruht dies im wesentlichen in den Schwierigkeiten,
mit welchen die Berechnung von
Prämie und
Schaden zu kämpfen hat, dann aber auch wohl in dem
Glauben, daß der Hagelschade
als eine göttliche Schickung geduldig ertragen werden müsse. Die ersten Anstalten wurden Anfang des
vorigen
Jahrhunderts in
Frankreich und
England ins
Leben gerufen. Die erste größere, auf Gegenseitigkeit beruhende deutsche
Anstalt war die 1797 zu
¶
mehr
Neubrandenburg
[* 5] gegründete. Derselben reihten sich an Schwedt
[* 6] (1826), Güstrow
[* 7] (1840), Greifswald
[* 8] (1840), Brandenburg
[* 9] a. H. (1845),
Marienwerder
[* 10] (1848). Die Hagelversi
cherung wird insbesondere durch den Umstand erschwert, daß die Hagelschäden
statistisch nicht genau erfaßbar sind. Dieselben unterliegen starkem Schwanken und sind außerdem noch nicht seit langer
Zeit beobachtet, so daß es unmöglich ist, richtige Gefahrenklassen nach örtlichen Gebieten und nach
der Verschiedenheit der Früchte zu bilden und demgemäß die Prämie zu bemessen.
Die Gesellschaften helfen sich deswegen meist in der Art, daß sie, wenn es in einer Gegend öfters gehagelt hat, für diese die Prämiensätze erhöhen, während andern, welche längere Zeit verschont blieben, Ermäßigungen zugestanden werden. Dann ist die Abschätzung des Schadens schwer. Zu vergüten ist nämlich der Unterschied zwischen dem Ertrag, welcher ohne Hagel zu erwarten gewesen wäre, und dem verminderten, welcher infolge des Hagelschadens wirklich bezogen wird.
Ersterer ist schwer zu schätzen, es wird statt seiner ein normaler Ertrag angenommen, und der Unterschied zwischen ihm und dem wirklichen Ertrag ist nicht immer genau gleich dem durch den Hagel erwachsenen Verlust. Der wirkliche Schade ist um so schwerer zu bemessen, je weiter die Früchte von der Erntereife noch entfernt sind, je leichter Witterung und Maßregeln des Eigentümers ihn wieder gutmachen können. Aus diesem Grund wird auch, wenn der Hagel sehr frühzeitig eintritt, so daß nochmalige Bestellung möglich, meist nur ein Teil der Versicherungssumme entschädigt und bei kleinen Schäden überhaupt keine Vergütung gewährt.
Von Wichtigkeit ist eine rasche Kenntnisnahme stattgefundener Schäden, weshalb auch meist eine kurze Frist für Anmeldung derselben festgesetzt wird. Für die Abschätzung selbst ist Orts- und Sachkenntnis unentbehrliche Voraussetzung. Aus den oben angegebenen Gründen sind die Prämien der Gegenseitigkeitsgesellschaften sehr schwankend. Einige dieser Gesellschaften erheben die Beiträge postnumerando nach Bedarf; andre erheben pränumerando eine Vorprämie und fordern nach Feststellung der Schäden Nachschüsse, oder sie gewähren nur eine teilweise Vergütung nach Maßgabe der vorhandenen Mittel. Die Prämien der Aktiengesellschaften sind fest bestimmte; die Aktionäre haben, wenn bedeutende Hagelschäden eintreten, die Verluste zu tragen, während sie in günstigen Jahren entsprechend hohe Dividende beziehen. Einige Gegenseitigkeitsgesellschaften schließen bestimmte Gewächse von der Versicherung aus, die übrigen und ebenso die Aktiengesellschaften übernehmen dagegen die Versicherung aller Früchte.
Zur Zeit bestehen in Deutschland
[* 11] 31 Hagelversi
cherungsgesellschaften, darunter sind 6 Aktiengesellschaften: die Preußische
zu Berlin
[* 12] (1865), die Magdeburger (1853), die Kölnische (1854), die Union zu Weimar
[* 13] (1854), die Vaterländische Hagelversi
cherungsgesellschaft
zu Elberfeld
[* 14] (1856) und die Berliner
[* 15] Hagelassekuranzgesellschaft (gegründet 1823). Dieselben sind allgemein organisiert, ebenso
die meisten Gegenseitigkeitsgesellschaften, wie die zu Leipzig
[* 16] (1824), Schwedt (1826), die Hannover-Braunschweigische
zu Hannover
[* 17] (1833), die Hagelversi
cherungsbank für Deutschland zu Berlin (1867), die Norddeutsche Hagelversi
cherungsgesellschaft
zu Berlin (1869), Borussia zu Berlin (1873), die Allgemeine deutsche Hagelversicherung
sgesellschaft zu Berlin (1874), Deutsche
[* 18] Hagelversicherung
sgesellschaft für Gärtnereien zu Berlin (1874) und die Schlesische Hagelversicherung
sgesellschaft zu Breslau
[* 19] (1873), welch letztere 1884 ihre Auflösung beschloß.
Andre Gegenseitigkeitsgesellschaften übernehmen Versicherungen nur auf einem räumlich beschränkten
Gebiet, wie die Mecklenburgische
in Neubrandenburg, die zu Greifswald, Wriezen (1844), Grevismühlen in Mecklenburg
[* 20] (1854) und München
[* 21] (für Bayern,
[* 22] 1833). Bei
den privaten Hagelversicherung
sgesellschaften waren 1884: 1,821,724,174 Mk. versichert, davon bei
Gegenseitigkeitsgesellschaften 924,683,413 Mk. und bei den Aktiengesellschaften 897,040,761 Mk. Die Beteiligung
der größern Gesellschaften an diesen Summen sowie die Einnahmen an Prämien etc. und die Ausgaben für die Schadenregulierungen
im J. 1884 ergeben sich aus folgender Tabelle:
Gesellschaften | Versicherungsbestand | Einnahmen | Ausgaben für Schäden |
---|---|---|---|
Mecklenburgische (Neubrandenburg) | 44519900 | 1117754 | 1106312 |
Leipziger | 36604990 | 851866 | 761852 |
Schwedter | 152173010 | 270873 | 2695686 |
Hannover-Braunschweig | 56868850 | 1001085 | 904450 |
Greifswalder | 35561300 | 594608 | 615416 |
Norddeutsche (Berlin) | 395529326 | 5146170 | 4984970 |
Borussia (Berlin) | 54671608 | 653793 | 509274 |
Allgemeine deutsche (Berl.) | 46601659 | 775644 | 619807 |
Berliner | 55886263 | 599444 | 512796 |
Union (Weimar) | 164098639 | 1622685 | 1860101 |
Kölnische | 173823813 | 1538498 | 2047738 |
Magdeburger | 207558136 | 2105009 | 1945059 |
Vaterländische (Elberfeld) | 82802910 | 778692 | 1174772 |
Preußische (Berlin) | 212871000 | 1849918 | 2155825 |
Von all diesen Gesellschaften hat 1884 nur eine einen unbedeutenden Überschuß erzielt, sämtliche andre haben mit Verlust
gearbeitet. Die 1884 gegründete königlich bayrische staatlich geleitete Hagelversicherung
sanstalt auf Gegenseitigkeit (angelehnt
an die staatliche Brandversicherungsanstalt, vom Staat unterstützt, Beitritt freiwillig) hatte 1884 eine Versicherungssumme
von 11 Mill. und 1886 von 33 Mill. Mk. Die Einnahmen waren 1884: 182,303 und 1885: 279,508 Mk. (worunter
141,986 und 238,067 Mk. Beiträge), die Ausgaben für Entschädigungen 1884: 74,289 und 1885: 270,535 Mk. -
In Österreich-Ungarn [* 23] gab es 1884: 15 Privat-Hagelversicherungsgesellschaften mit einem Versicherungsbestand von etwa 800 Mill. Mk., wovon auf 6 Gegenseitigkeitsanstalten etwas über 100 Mill. Mk. kamen. An Prämien wurden etwa 23 Mill. Mk. vereinnahmt, für Schäden etwa 13½ Mill. Mk. verausgabt. Sämtliche Anstalten erzielten einen Überschuß von etwa 1,735,000 Mk. Die größten dieser Gesellschaften waren die Generali mit ca. 4,900,000 Mk., die Riunione mit etwa 4,270,000 Mk. und die Erste ungarische mit etwa 4,275,000 Mk. Prämieneinnahmen.
Vgl. A. Müller, Das Hagelversicherung
swesen in Deutschland (Köln
[* 24] 1876);
Richter, Die Hagelversicherung
sgesellschaften Deutschlands
[* 25] (Berl. 1878);
Schramm, Der Hagelschade (Charlottenb. 1878);
Ramm, Das Hagelversicherung
swesen in Württemberg
[* 26] (Tübing. 1885).