Häutige Bräune
8 Wörter, 56 Zeichen
Medicin — Specielle Pathologie — Krankheiten der Respirationsorgane
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Häutige
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Häutige
Bräune, s. Krupp. ^[= # oder Croup, kruppöse Entzündung, kruppöser Prozeß, in der neuern Medizin alle jene, besonders ...]
(Kroup, engl. u. franz. croup,
Kehlkopfkrupp, häutige Bräune). Im weitern Sinn bezeichnet Krupp jede Entzündung, bei welcher auf die Oberfläche
eines Organs eine Ausschwitzung von anfangs flüssigem, dann aber gerinnendem Faserstoff erfolgt. Es gibt kruppöse Entzündungen
aller Schleimhäute, des Bauchfells, des Brustfells und des Herzbeutels. Im engern Sinn wird der Name angewandt auf die Erkrankung
der Kehlkopf-, Luftröhren- und Rachenschleimhaut, welche unter dem Bilde der Bräune verläuft und auf einer
Ausschwitzung von Faserstoff aus den Geweben beruht, die sich in Form einer häutigen
Ausbreitung auf den genannten röhrenförmigen
Oberflächen niederschlägt.
Zuweilen setzt sich der Prozeß auf die Luftröhrenäste fort, in welchen der Faserstoff baumartige Abgüsse darstellt (Laryngitis, Tracheïtis, Bronchitis fibrinosa). Das Vorkommen des Krupps [* 3] beschränkt sich meistens auf das Alter vom 2.-7. Lebensjahr und ist eine der gefährlichsten Krankheiten dieses Alters. Knaben erkranken etwas häufiger daran als Mädchen. Es ist aber falsch, wenn behauptet wird, daß kräftige, vollsaftige und blühende Kinder besonders zu Krupp geneigt wären; vielmehr erkranken zarte und schwächliche Kinder ebenso häufig oder noch häufiger daran als jene.
Der Krupp ist in nördlichen, am Wasser gelegenen, windigen und feuchten Orten häufiger als in südlichen, wärmern und geschützten Gegenden. Nicht selten beobachtet man ein epidemisches Auftreten des Krupps, dann erkranken viele Kinder in kurzer Zeit meist an den schwersten Formen der Krankheit. Dieser epidemische Krupp des Kehlkopfes ist ganz gewöhnlich mit Krupp des Rachens verbunden. Manche Thatsachen sprechen für eine epidemische Verbreitung des Krupps durch Ansteckung; doch ist es nicht unwahrscheinlich, daß es sich in diesen Fällen von Ansteckung mehr um die epidemische Diphtheritis (s. d.) gehandelt haben mag, welche sehr häufig mit Krupp des Kehlkopfes verbunden ist.
Die Gelegenheitsursachen des Krupps sind in den meisten Fällen nicht nachzuweisen, gewöhnlich werden Erkältungen als Ursache angegeben. Scharfe Nord- und Nordostwinde scheinen dabei allerdings eine Rolle zu spielen. Die ersten Anzeichen des Krupps sind leichtes Fieber, Abgeschlagenheit, Heiserkeit und ein eigentümlich rauher Husten; die Kinder klagen manchmal auch über Schlingbeschwerden. Untersucht man dann die Mund- und Rachenhöhle, so findet man die Schleimhaut gerötet, die Mandeln geschwollen und mit kleinen, weißen Flecken besetzt, welche sich nicht abwischen lassen.
Diese Vorboten können einen oder einige Tage dem eigentlichen Kruppanfall vorausgehen. In vielen andern Fällen fehlen sie aber ganz, die Krankheit bricht plötzlich und unerwartet aus. Meist am späten Abend oder mitten in der Nacht erwachen die Kinder aus dem Schlaf mit rauher, heiserer, klangloser Stimme. Der anfänglich kurze, scharfe Husten wird bald rauh, heiser, bellend und endlich ganz klanglos. Hierzu gesellt sich eine anhaltende gefahrdrohende Atemnot. Die Atmung ist unendlich mühsam, die Atemzüge sind ¶
gedehnt und lang gezogen und erfolgen mit einem sehr charakteristischem pfeifenden oder sägenden Geräusch. In dem ganzen Wesen des kranken Kindes spricht sich das Bedürfnis, Luft zu schöpfen, und die Verzweiflung über die vergeblichen Anstrengungen aus. Die größte Angst malt sich in seinen Mienen; es wirft sich unruhig umher, streckt den Kopf nach hinten, greift nach dem Hals etc. Das Gesicht [* 5] ist gerötet, mit Schweiß bedeckt und entstellt. Der Puls pflegt im Beginn der Krankheit voll, hart und häufiger zu sein; die Körpertemperatur ist gesteigert, es besteht Fieber.
Der Auswurf ist anfangs spärlich und enthält selten abgelöste Fetzen der Faserstoffhaut (Kruppmembran). In vielen Fällen tritt gegen Morgen und im Lauf des Tags ein erheblicher Nachlaß ein. Allein auf einen erträglichen Tag folgen oft schlimmere Nächte mit den frühern gefahrdrohenden Erscheinungen. In andern Fällen und zwar gerade in den gefährlichsten zeigt der Krupp nicht diesen wechselvollen Verlauf, sondern die Krankheit schreitet stetig fort. Der für den Morgen erwartete Nachlaß tritt nicht ein, und schon im Verlauf des zweiten bis dritten Tags kann die Krankheit ein tödliches Ende erreichen.
Wenn der Verlauf dem tödlichen Ausgang zuneigt, so ändert sich das bisherige Krankheitsbild ganz auffallend. Das gerötete Antlitz erbleicht, die Lippen entfärben sich, das Kind wird ruhig, sein Auge [* 6] bekommt einen schläfrigen Ausdruck. Die Atemzüge werden flach, die Atemnot scheint verschwunden zu sein, das Kind liegt wie im Halbschlummer da. Diese Erscheinungen beruhen auf der eingetretenen Überladung des Bluts mit Kohlensäure, in welcher die eigentliche Gefahr der Krankheit liegt.
Selten erstickt das Kind plötzlich, weil eine abgelöste Kruppmembran die Stimmritze verlegt. Nimmt der Krupp einen günstigen Ausgang, so geschieht dies entweder ganz allmählich, oder es werden, was seltener geschieht, durch kräftige Hustenstöße größere Häute ausgeworfen, die Atmung wird plötzlich frei, und das Kind erscheint aus der Todesgefahr gerettet, wenn nicht von neuem eine Ausschwitzung und Membranbildung eintritt. Nach Ablauf [* 7] des kruppösen Prozesses im Kehlkopf, [* 8] zumal wenn derselbe längere Zeit bestanden hat, gehen viele Kinder an Lungenentzündung (Bronchopneumonie) und heftigem Luftröhrenkatarrh zu Grunde, zu deren Entstehung der Krupp selbst die Veranlassung gegeben hat. Der Krupp fordert unter den Kindern zahlreiche Opfer. Je kleiner die Kinder sind, welche befallen werden, um so gefährlicher ist der Krupp für sie, weil bei ihnen die an sich schon sehr engen Luftwege durch die Kruppmembranen leichter verschlossen werden müssen. Am schlimmsten gestalten sich die Aussichten auf Heilung, wenn der Krupp mit Diphtherie und Scharlach zusammen auftritt, wie es bei den Epidemien nicht selten ist.
Was die Behandlung des Krupps anbelangt, so ist es geraten, die Kinder in gesunden Tagen gehörig gegen Witterungseinflüsse abzuhärten; doch soll man sie vor rauhen Nord- und Nordostwinden bewahren. Als Abhärtungsmittel empfehlen sich namentlich regelmäßige kalte Abwaschungen des Halses und der Brust. Wenn man einen Krupp im Anzug glaubt, so bringe man das kranke Kind bis zur Ankunft des Arztes in das Bett, [* 9] gebe ihm warmen Thee und suche das Kind zum Schwitzen zu bringen.
Die früher gebräuchliche Anwendung von Blutegeln ist jetzt allgemein als verwerflich anerkannt, da sie die Kräfte des kleinen Patienten frühzeitig erschöpft. Brechmittel sind nur dann am Platz, wenn der Kehlkopf durch Kruppmembranen verstopft ist, und wenn die Hustenbewegungen des Kindes nicht ausreichen, das Hindernis für den Durchtritt der Luft zu beseitigen. Wenn das Brechmittel Erfolg haben soll, darf es nicht zu schwach gegeben werden. Außer dem Brechwein, von welchem man drei- bis viermal in Pausen von 5 Minuten einen Theelöffel voll gibt, wird beim Krupp besonders der Kupfervitriol als Brechmittel empfohlen.
Von diesem Salz [* 10] wird 1 g in 60 g Wasser gelöst und von der Lösung alle 5 Minuten ein Kinderlöffel voll gereicht, bis Erbrechen erfolgt. Je mehr sich das Kind nach dem Erbrechen erleichtert fühlt, und je mehr von den verstopfenden Kruppmassen ausgeworfen wird, um so eher kann man das Brechmittel wiederholen, sobald die Atemnot wieder größer wird. Tritt aber keine Erleichterung nach dem Brechmittel ein, und werden keine Kruppmembranen ausgeworfen, so muß von der wiederholten Darreichung des Brechmittels ganz abgesehen werden.
Sehr dringlich muß die Anwendung der Kälte beim Kruppanfall empfohlen werden; man tauche Leintücher in möglichst kaltes Wasser, wringe sie aus und lege sie um den Hals des Kindes. Mit diesen naßkalten Umschlägen muß sehr oft gewechselt werden, so daß sie immer kalt bleiben. Man fährt damit so lange fort, als die Kälte dem Patienten Erleichterung gewährt. Gleichzeitig setze man, wenn es an Stuhlgang fehlt, ein kaltes Klystier, [* 11] um durch Entleerung des Darms den Bewegungen des Zwerchfells freien Spielraum zu gewähren.
Der Arzt muß ermessen, ob die Gefahr der Erstickung droht, und womöglich frühzeitig zur Eröffnung der Luftröhre durch den Luftröhrenschnitt (s. d.) schreiten. Die Erleichterung der Atmung tritt alsdann sofort ein, wenn nicht inzwischen auch schon die Luftröhrenäste erkrankt sind. Leider ist auch dieses letzte Mittel, das an sich eine gefahrlose Operation ist, nur zu häufig nicht im stande, den Tod des Kindes abzuwenden. Der Grund dafür liegt gewöhnlich darin, daß die Operation zu spät vorgenommen wird.
Wird das Kind vom Krupp geheilt, so verheilt auch die Operationswunde vollkommen und ohne bleibenden Nachteil. Bei drohender Kohlensäurevergiftung empfehlen sich Übergießungen des Kindes mit kaltem Wasser, während es im warmen Bad [* 12] sitzt. Daneben können starker Wein, Kampfer, Moschus und dergleichen Mittel innerlich gegeben werden. In Fällen mit verzögertem Verlauf sind auch starke Hautreize gegen den Krupp von Nutzen, wie z. B. Blasenpflaster, welche auf die Brust und den Nacken gelegt werden, heiße Handbäder, Senfteige etc. S. Diphtheritis.
Vgl. Seitz, Diphtherie und Krupp geschichtlich und klinisch dargestellt (Berl. 1877).
Alfred, Industrieller, geb. zu Essen, [* 13] wo sein Vater Friedrich Krupp (geb. 1787) ein Hammerwerk besaß und 1810 eine kleine Gußstahlfabrik errichtet hatte, die er ohne geschäftliche Erfolge betrieb. Diese Fabrik ging nach dem Tode des Begründers auf dessen Witwe über, welche sie in Gemeinschaft mit ihren Söhnen fortführte, bis Krupp das Geschäft 1848 für eigne Rechnung übernahm. Dieser hatte anfangs mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, führte aber einen bedeutenden Aufschwung der Fabrik herbei, seitdem er in London [* 14] 1851 den größten Tiegelguß, hoch polierte harte Walzen und eine Sechspfünder-Mantelkanone mit Gußstahlrohr, ausgestellt hatte. Die Fabrik lieferte fortan hauptsächlich Achsen, Wagenfedern und Radbandagen und gewann durch die erzielten Erfolge die Möglichkeit, die Einrichtungen zu treffen, welche die Fabrikation von Gußstahlgeschützen erforderte. 1846 hatte Krupp den ersten gezogenen Dreipfünder, ein ¶
Vorderladungsgeschütz, und 1851 einen Sechspfünder nach London geschickt; die größte Entwickelung der Gußstahlgeschütze aber datiert seit Einführung der gezogenen Hinterlader. Krupp lieferte für diese ein vorzügliches Material, konstruierte 1864 den Rundkeilverschluß, verbesserte den Aufbau der Rohre, die Führung der Geschosse [* 16] und lieferte auch neue Hohlgeschosse, neue Zünder und verbesserte Lafettenkonstruktionen. Das Kruppsche System hat bisher jede Konkurrenz siegreich bestanden und erreichte seinen augenblicklichen Höhepunkt in der 35 Kaliber langen 40 cm Kanone von 120,000 kg Rohrgewicht, welche Geschosse von 1050 kg Gewicht mit 330 kg Pulverladung und einer Anfangsgeschwindigkeit von 530 m schießt. 34 Staaten bezogen bis 1885 von Krupp über 200,000 Geschütze [* 17] aller Art. Neben den Geschützen fabrizierte Krupp aus dem größern Teil des hergestellten Tiegelgußstahls viele Gegenstände für die Industrie, namentlich schwere Kurbelwellen und seit der Einführung des Bessemer- und Siemens-Martinverfahrens auch Schienen und andres Eisenbahnmaterial, Kessel- und Schiffsbleche etc. Die Hauptspezialität aber blieb stets die Herstellung großer Tiegelgußstahlblöcke. Um sich von den Schwankungen der Konjunkturen unabhängig zu machen und sich den regelmäßigen Bezug gleichartigen besten Rohmaterials zu sichern, erwarb die Firma 4 Kohlenzechen, 414 Eisensteingruben und bedeutende Konzessionen vorzüglicher Eisenerzlager in Nordspanien.
Zum Transport der dortigen Erze sind eigne Dampfer gebaut worden. Die Kruppsche Hüttenverwaltung (Sayner Hütte nebst Oberhammer, Mülhofer Hütte a. Rh., Hermannshütte a. Rh., Bendorfer und Johanneshütte bei Duisburg) [* 18] produziert gegenwärtig mittels 11 Hochöfen monatlich nahezu 10 Mill. kg Roheisen. 1881 betrug die Gesamtproduktion von Stahl und Eisen [* 19] 260,000 Ton. Auf der Gußstahlfabrik waren 11,211, auf den Hütten [* 20] und Bergwerken 8394 Arbeiter beschäftigt, für welche Wohnungen, Konsumanstalten, Menagen, Krankenhäuser, Kranken- und Pensionskassen errichtet wurden. Die Konsumanstalten haben eigne Mühle und Bäckerei, Schlächterei, Schneider- und Schuhmacherwerkstätten etc. Die Verwaltung der Kruppschen Werke, an deren Spitze nach dem Tod Alfred Krupps, dessen einziger Sohn, Friedrich Alfred Krupp, trat, wird durch ein Kollegium technisch, kaufmännisch und juristisch gebildeter Mitglieder geführt.