Häßlich
,
von
Haß abgeleitetes
Wort, das aber gewöhnlich in ästhetischem, nicht in moralischem
Sinn von Gegenständen
gebraucht wird, die durch ihre Form das ästhetische
Urteil beleidigen und dadurch unbedingtes Mißfallen
erregen. Das Häßliche
steht also dem
Schönen entgegen, welches das ästhetische Wohlgefallen erweckt (s.
Ästhetik), und
ist sowenig mit dem bloß Unangenehmen und Schädlichen wie dieses mit dem
Angenehmen und Nützlichen zu verwechseln.
Dasselbe ist nicht, wie das weder Gefallende noch Mißfallende, unästhetisch, sondern antiästhetisch
und die häßliche
Form das Gegenteil der schönen Form. Im
Gegensatz zum
Großen, Mannigfaltigen und Wohlgeordneten ist daher
das
Kleine, Einförmige und Verworrene häßlich
, ebenso im
Gegensatz gegen das
Harmonische
[* 2]
(Charakteristische und im
Einklang Stehende)
das Disharmonische
(Inkorrekte und in unaufgelöster
Dissonanz Beharrende). Das Häßliche
wäre dadurch von der
Kunst
einfach ausgeschlossen, wenn nicht eben die jeweilige Einführung des Disharmonischen (der
Dissonanz in der
Musik etc.) das
wirksamste
Mittel würde, den schließlichen
Eindruck der
Harmonie durch Wiederherstellung derselben aus ihrem Gegenteil
(Auflösung
der
Dissonanz in der
Musik etc.) zu erhöhen.
Dasselbe kann daher immer nur in einem größern Ganzen als integrierender
Bestandteil, als
Durchgangs-
oder Übergangsstadium zum
Schönen auftreten, als
Mittel, nicht als
Zweck der
Kunst (der hinkende
Vulkan in der Versammlung der
olympischen
Götter,
Thersites in jener der Homerischen
Helden). Obgleich seiner Form nach mißfällig, kann der häßliche
Gegenstand doch in andern Hinsichten
Interesse einflößen: entweder als charakteristisches Spiegelbild
gegebener Wirklichkeit (in
Natur oder Geschichte) oder durch stoffliche
Reize, die er mit sich führt, und zu welchen vor allen
das Unerwartete oder der erregten Erwartung Widersprechende, z. B. der sichtbare Widerstreit
zwischen dem gleichgültigen oder gar abstoßenden Äußern und dem anziehenden, ja fesselnden Innern, gehört.
Gelehrte, ja in gewissem
Sinn
Männer überhaupt, genießen »das
Privilegium der Häßlich
keit«; der
Franzose,
der das
»Pikante« noch über das
Schöne setzt, spricht von einer »belle laideur«.
Absolut Häßliches
gibt es nicht, denn auch
dasjenige, was alle häßlichen
Formen
in sich auf charakteristische
Weise vereinigte, würde eben als
»Typus« des Häßlichen
wenigstens Eine wohlgefällige Seite, die des
Charakteristischen, darbieten. Wenn man das
Laster häßlich
nennt,
so hat man insofern ein
Recht dazu, als auch das
Gute und Sittliche ein
Schönes (ein wohlgefälliges, wie das
Böse und Unsittliche
ein unbedingt mißfälliges
Wollen) ist. Doch hat man dabei weniger die
¶
mehr
moralische Beschaffenheit als die äußere abstoßende und Abscheu erweckende Erscheinung des Lasters (die aber nicht allemal
zutrifft) vor Augen. Auf der Erlaubtheit des Häßlichen
zum Zweck und im Dienst verstärkter Charakteristik beruht die Karikatur
(s. d.).
Vgl. Rosenkranz, Ästhetik des Häßlichen
(Berl. 1853).