Häring
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Häring,
Häring,
Georg Wilhelm Heinrich, unter dem Pseudonym Wilibald Alexis bekannter Romandichter, geb. zu Breslau [* 2] als Sprößling einer französischen Réfugiésfamilie aus der Bretagne, die ihren französischen Familiennamen Hareng ins Deutsche [* 3] übersetzt hatte, besuchte das Werdersche Gymnasium in Berlin, [* 4] machte als Freiwilliger den Feldzug von 1815 und die Belagerungen der Ardennenfestungen mit, widmete sich hierauf zu Berlin und Breslau juristischen Studien und ward Auskultator und Kammergerichtsreferendar in Berlin.
Bald entsagte er jedoch der juristischen Laufbahn und widmete sich ausschließlich der schriftstellerischen Thätigkeit. Später verwandte er einen Teil seines Vermögens auf die Einrichtung eines großartigen Lesekabinetts, gründete auch eine Verlagsbuchhandlung etc. Doch waren dies alles nur Episoden in der fortgesetzt vorwiegend litterarischen Laufbahn des Autors, der, wie kaum ein zweiter, mitten durch das Gewirr publizistischer und litterarischer Vielgeschäftigkeit feste poetische Pläne trug und künstlerisch gestaltete.
Bis 1856 ununterbrochen thätig, hatte Häring
das Unglück, bald nach seiner Übersiedelung nach
Arnstadt
[* 5] in
Thüringen, wo er
sich ein anmutiges
Heim gegründet, von einem
Gehirnschlag getroffen zu werden, von
dem er sich nie wieder vollständig erholte.
Er starb in
Arnstadt. Seine eigentliche litterarische Thätigkeit begann Häring
mit einem idyllischen
Epos in
Hexametern: »Die
Treibjagd« (Berl. 1820),
welchem »Die
Schlacht bei
Torgau
[* 6] und der
Schatz der
Tempelherren« (das. 1822)
folgte. Aus einer
Wette im Freundeskreis ging ein dreibändiger
Roman: »Walladmor« (Berl. 1823-24, 3 Bde.),
hervor, eine kecke Mystifikation, indem der Verfasser das Werk für eine
Schöpfung
Walter
Scotts ausgab
und damit auf seiten
des
Publikums und der
Kritik
Glauben fand. Der
Roman ward ins
Englische
[* 7] und mehrere andre
Sprachen übersetzt.
Unter derselben
Maske erschien auch der
Roman
»Schloß
Avalon« (Leipz. 1827, 3 Bde.),
dem die »Geächteten« (das. 1825) vorausgegangen
waren.
Bald aber trat Häring
auf dem Gebiet der
Novellen- und Romanpoesie mit selbständigern
Produkten auf,
in denen sich Anklänge an
Scott und
Tieck mit seinen eignen, von der jungdeutschen
Bewegung beeinflußten
Reflexionen mischten,
ohne daß der
Objektivität der
Darstellung dadurch
Eintrag geschah. Unter seinen
Novellen, die zuerst in
Journalen und
Taschenbüchern
zerstreut, dann als »Gesammelte
Novellen« (Berl. 1830-31, 4 Bde.)
und
»Neue
Novellen« (das. 1836, 2 Bde.)
erschienen, sind einzelne, wie: »Venus in
Rom«
[* 8] und
»Acerbi«, vortrefflich in Ausführung und
Darstellung.
Sein eigenstes Gebiet,
das der historischen Romandichtung
mit dem
Hintergrund märkisch-preußischer Geschichte, betrat Häring
zuerst in seinem umfangreichsten
Werke: »Cabanis« (Berl. 1832, 6 Bde.; 6. Aufl.
1880, 2 Bde.),
einem charakteristischen
Bild aus der Zeit
Friedrichs d. Gr. Aber bereits mit dem
Roman »Das
Haus Düsterweg« (Leipz. 1835) schien Häring
wieder in andre
Bahnen einzulenken. Als Reiseschriftsteller trat er in seiner »Herbstreise
durch
Skandinavien« (Berl. 1828, 2 Bde.),
den »Wanderungen im Süden« (das. 1828) und den »Wiener Bildern« (Leipz. 1833) auf, welch letztere in Preußen [* 9] verboten, während umgekehrt seine »Schattenrisse aus Süddeutschland« (Berl. 1834) von den Liberalen angefeindet wurden. Seine »Zwölf Nächte« (Berl. 1838, 3 Bde.) leiden an einer gewissen Nüchternheit und Breite [* 10] des Räsonnements, die der sonst trefflichen Darstellung Eintrag thun. Sein »Urban Grandier« (Berl. 1843, 2 Bde.) war als Nachtgemälde des Fanatismus von Interesse. Zwischen der Folge seiner historischen Romane erschienen noch: »Der Zauberer Virgilius« (Berl. 1851);
»Märchen aus der Gegenwart« (das. 1852) und das Bruchstück eines unvollendet gebliebenen Zeitromans, das Idyll »Ja, in Neapel« [* 11] (das. 1860).
Für die
Bühne schrieb Häring
in früherer Zeit die
Lustspiele:
»Der
Prinz
¶
von Pisa« [* 13] und »Die Sonette« (1828),
das Drama »Ännchen von Tharau« (1829) und den Fastnachtsschwank »Der verschwundene Schneidergesell« (1841). Auch gab er »Balladen« (Berl. 1836) und mit E. Ferrand und A. Müller »Babiolen« (Leipz. 1837, 2 Bde.) heraus. Die längere Zeit geführte Redaktion des »Berliner [* 14] Konversationsblatts«, womit 1830 »Der Freimütige« verbunden wurde, gab er 1835 auf. Das von ihm mit Hitzig begonnene Werk »Der neue Pitaval« (Leipz. 1842-63, Bd. 1-33) behauptet unter allen für ein größeres Publikum bestimmten Sammlungen von Kriminalgeschichten den Vorrang.
Seine eigentliche Bedeutung in der neuern deutschen Litteratur errang aber »Wilibald Alexis« lediglich mit den vortrefflichen historischen Romanen, zu denen »Cabanis« der Vorläufer gewesen war. Nacheinander erschienen: »Der Roland von Berlin« (Leipz. 1840, 3 Bde.; 4. Aufl. 1881),
welcher die letzten Kämpfe des altmärkischen Bürgertums gegen den neuaufstrebenden Hohenzollernstamm im 15. Jahrh. zum historischen Hintergrund hat;
»Der falsche Woldemar« (Berl. 1842, 3 Bde.; 4. Aufl. 1880),
welcher die denkwürdigste Episode der mittelalterlichen Geschichte der Mark Brandenburg [* 15] behandelt;
der Doppelroman »Die Hosen [* 16] des Herrn von Bredow« (das. 1846-1848, 5 Bde.; 9. Aufl. 1881) mit den Einzeltiteln: »Hans Jürgen und Hans Jochem« und »Der Wärwolf« (5. Aufl. 1884),
der die Zeit des Kurfürsten Joachim I. und der Reformation zum Hintergrund hat;
»Ruhe ist die erste Bürgerpflicht« (das. 1854, 5 Bde.; 4. Aufl. 1881),
die traurigste Zeit Preußens [* 17] vor der Katastrophe von Jena [* 18] darstellend;
»Isegrimm« (das. 1854, 3 Bde.; 4. Aufl. 1881),
aus den Tagen der Erhebung und des Aufschwunges nach 1806, und endlich »Dorothe« (das. 1856, 3 Bde.; 3. Aufl. 1879), welcher Roman wiederum in die letzte Zeit des Großen Kurfürsten zurückgreift.
Alle diese Romane, obschon nicht völlig von prosaischen Elementen frei, erheben sich doch in der Hauptsache durch die Fülle charakteristischer Gestalten sowie durch die Wiedergabe der Zeitstimmung und die Schilderung märkischer Landschaften, aus welchen die Eigentümlichkeiten der Menschen erwachsen, zu wahrhaft poetischer Bedeutung. Seine »Gesammelten Werke« erschienen in 20 Bänden (Berl. 1874),
die »Vaterländischen Romane« besonders in 8 Bänden (zuletzt das. 1884).
Vgl. Julian Schmidt, Neue Bilder aus dem geistigen Leben unsrer Zeit (Leipz. 1873);