Hämmling
,
s. Kastrat.
Hämmling
6 Wörter, 49 Zeichen
Anthropologie, Anatomie und Physiologie — Anthropologie — Allgemeines
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Hämmling,
s. Kastrat.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Hämmling,
s. Kastration.
(Hämmling, lat. Castratus, ital. Castrato), ein im Knabenalter der Mannheit Beraubter. Die Operation der Kastration, d. h. der Ausrottung beider Hoden, hemmt die geistige und körperliche Entwickelung, also auch das Mutieren der Stimme, und erhält dem Mann die Knabenstimme. Das mosaische Gesetz verbot die Kastration an Menschen wie an Tieren. Bei einigen asiatischen Völkern war sie dagegen in Gebrauch, wie z. B. die Priester der Kybele [* 3] sich selbst mittels eines steinernen Messers oder scharfer Scherben entmannen mußten.
Bei den Griechen war sie in der frühern Zeit nicht gebräuchlich, später aber fand sie besonders bei den kleinasiatischen Griechen Eingang. Bei den Römern verboten Cäsar, Domitian, Nerva und Konstantin d. Gr. die Kastration; im oströmischen Reich aber ward sie besonders unter Justinian sehr gebräuchlich, und christliche Fanatiker, wie z. B. Origenes, nahmen sie aus übertriebenem asketischen Eifer an sich selbst vor. In den mohammedanischen Ländern dienen Kastraten (s. Eunuch) allgemein als Haremswächter.
Das kanonische Recht verbietet die Kastration, und in mehreren päpstlichen Bullen wird sie bei Strafe des Kirchenbanns untersagt. Gleichwohl wurde sie in Italien [* 4] behufs der Erzielung guter Diskantsänger häufig ausgeübt, und noch im 18. Jahrh. rechnete man mehr als 4000 Knaben, welche in Italien, namentlich im Kirchenstaat, jährlich kastriert wurden; ja bis in die neuere Zeit gab es in Rom und [* 5] allen großen Städten Italiens [* 6] zahlreiche Kastraten, welche zur Messe sangen sowie in Opern und Konzerten auftraten.
Die Stimme des Kastraten vereinigt mit dem Timbre der Knabenstimme die entwickelte Brust und Lunge [* 7] des Mannes, so daß der Sänger endlos scheinende Passagen auszuführen und das messa di voce erstaunlich auszudehnen vermag. Auch nach Frankreich, England und Deutschland [* 8] wurden die Kastraten mit der italienischen Oper eingeführt, bezogen zum Teil (zu Händels Zeiten) enorme Honorare, sind jedoch auch mit derselben verschwunden. In Dresden [* 9] fungierten sie auch als Kirchensänger. Besonders berühmte Kastraten waren: Farinelli, Senesino, Cusanino, Ferri, Momoletto, Gizziello, Bernacchi, Caffarelli, Crescentini, Pacchierotti, Manzuoli, Marchesi, Salimbeni, Velluti. - In medizinischer Hinsicht wird die Hinwegnahme eines oder beider Hoden bei Menschen notwendig, wenn der Hoden der Sitz einer durch andre Mittel nicht zu heilenden Erkrankung, namentlich Geschwulstbildung, ist. Auch die Entfernung der häufig erkrankenden Eierstöcke wird als Kastration bezeichnet (s. Ovariotomie). Die ¶
Haustiere werden zu ökonomischen Zwecken häufig kastriert. Wird die Operation bei männlichen Tieren in der Jugend ausgeführt, so nähern sich dieselben mehr dem Typus der weiblichen Tiere; sie sind leichter ernährungs- und mastfähig, zahmer und verträglicher; auch das Fleisch wird zarter und schmackhafter. Ältere Hengste kastriert man, um sie ruhiger und zur Arbeitsleistung geeignet zu machen. Männliche Schafe [* 11] und Schweine [* 12] sind am bequemsten im ersten halben Jahr, männliche Kälber im zweiten Jahr zu kastrieren. Von den weiblichen Schweinen ist die Operation nur bei den groben Rassen zweckmäßig, bei welchen die Funktion der Eierstöcke stark entwickelt ist. Die Mastung junger Hähne und Truthähne wird durch die Kastration (das Kapaunen) wesentlich gefördert.
Vgl. Ableitner, Die Verschneidung (Kastration) der Haustiere (Brem. 1879).