Habelschwerdter
Gebirge
52 Wörter, 370 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Habelschwerdter
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Habelschwerdter
Gebirge, der südwestl.
Teil des Glatzer Gebirgslandes in den Sudeten, streicht in nordwestl.
Richtung von Mittelwalde in Schlesien
[* 4] bis Reinerz, wo es im Heuscheuergebirge
seine Fortsetzung findet. Es zieht
parallel mit den westl. Böhmischen Kämmen oder dem Adlergebirge und erreicht in der Hohen Mense 1085 m Höhe.
[* 2] Grafschaft in der preuß. Provinz Schlesien, welche, den südlichsten Teil des Regierungsbezirks Breslau [* 6] (die Kreise [* 7] Glatz, Habelschwerdt und Neurode) umfassend, halbinselartig nach Böhmen [* 8] hineinragt und ein Areal von 1635,78 qkm (29,69 QM.) mit (1885) 176,450 Einw. (1880: 6691 Evangelische und 345 Juden) umfaßt (s. Karte »Schlesien«). Sie bildet im Innern eine von SO. nach NW. sich hinziehende Hochebene von ca. 320 m mittlerer Höhe, die fast auf allen Seiten von Gebirgen eingeschlossen wird (Glatzer Gebirgskessel).
Die einzelnen Züge dieses Glatzer Gebirges sind auf der rechten Seite der Neiße
[* 9] das Glatzer Schneegebirge
mit dem Großen Schneeberg (1424 m) und das Reichensteiner Gebirge mit dem Heidelberg
[* 10] (879 m), auf der linken Seite der Neiße das
Habelschwerdter Gebirge mit dem Langenauer Heidelberg (942 m), das Heuscheuergebirge
mit der Großen Heuscheuer
(920 m) und das Eulengebirge mit der Hohen Eule (1000 m). Der Hauptfluß ist die Glatzer Neiße (s. Neiße 2), welche auf der rechten
Seite die Wölfel mit dem prächtigen Wölfelsfall und die Landecker Biele und auf der linken die Habelschwerdter Weistritz, die
Reinerzer Weistritz und die Steine empfängt.
Das Land, neuerdings durch die Linien Breslau-Mittelwalde und Dittersbach-Glatz der Preußischen Staatsbahn sowie durch die Bemühungen des Glatzer Gebirgsvereins mehr in den allgemeinen und in den Touristenverkehr gezogen, ist reich an Mineralquellen (Reinerz, Kudowa, Landeck, Langenau etc.) und in der Thallandschaft, besonders an der Steine, recht fruchtbar. Auf den Höhen werden vorzugsweise Hafer [* 11] und vorzüglicher Flachs gebaut, daher viel Leinweberei und Bleichen.
Die ansehnlichen Bergweiden unterstützen die Viehzucht, [* 12] deshalb sind Butter- und Käsewirtschaft berühmt. Etwa 33 Proz. der Gesamtoberfläche des Landes sind mit Waldungen bedeckt. Unter den nutzbaren Mineralien [* 13] sind zu nennen: Steinkohlen im NW., Erze, Marmor, Kalk- und Sandsteine in mächtigen Lagern, Torf, jedoch noch unbenutzt, auf den Seefeldern. Unter den Fabriken sind solche für Papier, Tuch, Zucker, [* 14] Zündhölzer u. Glas [* 15] anzuführen. Die Grafschaft Glatz war früher der Gegenstand vielfacher Streitigkeiten zwischen Böhmen, das dieselbe innehatte, und Polen, dem sie ursprünglich angehörte. Von Böhmen kam sie 1278 an das Herzogtum Breslau, 1290 an Schweidnitz, [* 16] 1301 an ¶
Münsterberg, [* 18] dessen Herzog Boleslaw II. Glatz 1322 an Böhmen wieder verkaufte. Georg Podiebrad von Böhmen verlieh es 1462 seinem Sohn Heinrich von Münsterberg, dessen Sohn Karl I. die Grafschaft 1500 seinem Schwager Ulrich, Grafen von Hardegg, verkaufte. Dessen Neffe Christoph verkaufte sie 1534 an Österreich. [* 19] Nachdem sie Ferdinand I. an den Freiherrn v. Bernstein [* 20] versetzt hatte, brachte sie Ernst, Erzbischof von Salzburg, [* 21] an sich, nach dessen Tod (1554) sie von Ferdinand wieder eingezogen und 1578 für immer mit Böhmen vereinigt wurde. Im J. 1623 machte Kaiser Ferdinand II. die Grafschaft Glatz seinem Bruder, dem Bischof Karl von Breslau, zum Geschenk, nach dessen Tod sie der Kaiser zu einer besondern Landschaft erhob und von einem Landeshauptmann verwalten ließ, bis sie 1742 von Maria Theresia mit Schlesien an Preußen [* 22] abgetreten wurde.
Vgl. Wedekind, Geschichte der Grafschaft Glatz (Neurode 1857);
Kutzen, Die Grafschaft Glatz (Glogau [* 23] 1873);
»Geschichtsquellen der Grafschaft Glatz« (hrsg. von Volkmer u. Hohaus, Habelschw. 1883 ff.);
»Vierteljahrsschrift für Geschichte und Heimatkunde der Grafschaft Glatz« (hrsg. von Scholz, das. 1881 ff.);
die Reisehandbücher von Peter (das. 1881) und Nentwig (Schweidnitz 1885).
Die gleichnamige Hauptstadt der Grafschaft und des Kreises Glatz (böhm. Kladsko) liegt 294 m ü. M. in dem hier engen Thal [* 24] der Neiße, an den Linien Breslau-Mittelwalde u. Dittersbach-Glatz der Preußischen Staatsbahn und ist eine Festung [* 25] zweiten Ranges. Mit ihren meist engen Straßen steigt sie terrassenförmig hauptsächlich am linken Neißeufer den felsigen Festungsberg hinan, auf dessen Höhe die alte Festung steht. Diese, fast in der ganzen Grafschaft sichtbar, hat auf ihrem höchsten Punkt (63 m über der Neiße, 370 m über der Ostsee) einen runden Observationsturm (Donjon), von dem man die schönste Rundschau auf das Glatzer Ländchen hat.
Die Festungswerke sind größtenteils in den Felsen gesprengt. Auf dem rechten Ufer der Neiße befindet sich die von den Preußen 1745-50 angelegte neuere Festung, der Schäferberg. Beide Festungen stehen miteinander in Verbindung. Die Stadtbefestigung ist aufgegeben worden, auf ihren eingeebneten Werken entsteht ein neuer Stadtteil mit breiten Straßen in gesunder Lage. Von den 3 Kirchen (2 katholischen und 1 evangelischen) ist besonders die sehr alte Stadtpfarrkirche bemerkenswert; in ihr befinden sich die Grabmäler von sieben schlesischen Herzögen. Die Einwohnerzahl beträgt (1885) mit Garnison (1 Inf.-Reg. Nr. 132 und 2 Kompanien Festungsartillerie Nr. 6) 13,585 Seelen, darunter 2402 Evangelische und 276 Juden. hat Zigarren-, Gamaschen- und Maschinenfabrikation, Eisengießerei, [* 26] Bierbrauerei [* 27] und Destillation [* 28] und ist Sitz eines Landgerichts (für die elf Amtsgerichte zu Frankenstein, Glatz, Habelschwerdt, Landeck, Lewin, Mittelwalde, Münsterberg, Neurode, Reichenstein, Reinerz und Wünschelburg). Glatz besitzt ein katholisches Gymnasium mit einer Erziehungsanstalt (Konviktorium), 2 Waisenhäuser, ein Krankenhaus, [* 29] ein Bürgerhospital mit Siechenanstalt etc. -
Die Stadt Glatz soll unter König Heinrich I. erbaut worden sein und erhielt in der Folge eine so starke Befestigung, daß sie 1429 von den Hussiten vergeblich belagert wurde. Während des Dreißigjährigen Kriegs ward sie 1622 von den Kaiserlichen erobert und mehrere Male von den Schweden [* 30] vergebens berannt. Nachdem sie preußisch geworden, ward sie 1760 von Laudon belagert und die Citadelle durch Überfall genommen. Von Friedrich d. Gr. mit neuen Befestigungen versehen, erfuhr Glatz 1807 noch eine hartnäckige Belagerung von seiten der Bayern [* 31] und Württemberger; schon war das verschanzte Lager erstürmt und die Übergabe beschlossen, als der Tilsiter Friede Glatz im Besitz Preußens [* 32] ließ.