Gustav
-Adolf
-Stiftung
(Evangelischer
Verein der Gustav
-Adolf
-Stiftung
), eine Vereinigung aller derjenigen
Glieder
[* 2] der evangelisch-protestantischen
Kirche, welchen die
Not ihrer
Brüder, die der
Mittel des kirchlichen
Lebens entbehren und deshalb in
Gefahr sind, der
Kirche verloren
zu gehen, zu
Herzen geht. Derselbe hat, eingedenk des apostolischen
Wortes
Gal. 6, 10:. »Lasset
uns
Gutes thun an jedermann, allermeist aber
an des
Glaubens Genossen«, zum
Zweck, den kirchlichen Bedürfnissen solcher Glaubensgenossen
in und außer
Deutschland,
[* 3] welche in ihrem eignen Vaterland ausreichende
Hilfe nicht finden können, nach
Kräften Abhilfe zu
leisten. Die
Stiftung dieses
Vereins schloß sich der zweiten
Säkularfeier des
Todes
Gustav
Adolfs
an. Als für das
Monument, welches damals über dem Schwedenstein errichtet werden sollte, die Beiträge den Kostenanschlag
überstiegen, wurde der
Vorschlag laut, den Überschuß zu kapitalisieren, um mit den jährlichen
Zinsen arme protestantische
Gemeinden zu unterstützen. In diesem
Sinn erließen der
Leipziger
Superintendent
Großmann (s. d.), der
Archidiakonus
Goldhorn und der
Kaufmann
Lampe
[* 4] einen Aufruf zur Beteiligung an dem Unternehmen, welches übrigens zunächst fast auf
Leipzig
[* 5] und
Dresden
[* 6] beschränkt blieb. Die von beiden Hauptvereinen entworfenen
Statuten wurden von der sächsischen
Regierung
bestätigt. Als der
Leipziger Hauptverein die Leitung der Gustav
-Adolf
-Stiftung
übernahm, betrug das gemeinsame
Vermögen 4251 Thlr. Bis 1840 hatte man bereits 31
Gemeinden mit 1233 Thlr. zu unterstützen vermocht.
Einen großartigern
Umfang gewann die Gustav
-Adolf
-Stiftung
aber erst durch eine
Aufforderung des Hofpredigers
Zimmermann in der
Darmstädter »Kirchenzeitung«
vom Dieselbe beabsichtigte die Begründung einer Anstalt zu gleichem
Zweck, und es lag daher
der
Gedanke einer Vereinigung der Bestrebungen, in welchen sich der
Süden und
Norden
[* 7]
Deutschlands
[* 8] begegnet waren, nahe. Zu dem
Ende traten in
Leipzig unter dem Vorsitz
Großmanns gegen 600
Männer zusammen und gründeten den
Evangelischen
Verein
der Gustav
-Adolf
-Stiftung.
Die
Statuten wurden auf der Hauptversammlung zu
Frankfurt
[* 9] a. M. 20.-22. Sept. 1843 festgesetzt.
Die Wirksamkeit umfaßt sonach lutherische, reformierte und unierte sowie solche Gemeinden, welche ihre Übereinstimmung mit der evangelischen Kirche glaubhaft nachweisen; die Mittel dazu werden erlangt durch die jährlichen Zinsen vom Kapitalfonds des Vereins sowie durch jährliche Geldbeiträge von völlig beliebigem Betrag, durch Schenkungen, Vermächtnisse, Kirchenkollekten etc. Die Gesamtheit der regelmäßig beisteuernden Mitglieder verbindet sich zu Vereinen, deren gemeinsamer Mittelpunkt für die Verwaltung der Zentralvorstand in Leipzig ist.
Alle Einnahmen der Vereine zerfallen in drei gleiche Teile: hinsichtlich des ersten Dritteils steht jedem Verein die unmittelbare freie Verfügung zu;
das zweite Dritteil sendet er, unter Umständen mit Bestimmungen über dessen statutenmäßige Verwendung, an den Zentralvorstand oder versendet es selbst, begleitet von einem Schreiben desselben;
das letzte Dritteil wird dem Zentralvorstand je nach dem Willen des einsendenden Vereins zur Kapitalisierung oder zur sofortigen Verwendung durch jenen übergeben;
vom Kapitalvermögen sind nur die jährlichen Zinsen zu verwenden.
Sämtliche Hauptvereine wählen auf den Hauptversammlungen den Zentralvorstand, welcher aus 24 Mitgliedern besteht, von denen 9 (darunter der Vorsitzende, der Sekretär [* 10] und der Kassierer) ihren dauernden Aufenthalt zu Leipzig haben müssen und alle drei Jahre ein Dritteil ausscheidet. Der Zentralvorstand vertritt den Gesamtverein nach außen und besorgt die allgemeinen Angelegenheiten im Innern. Sämtliche Mitglieder verwalten ihr Amt unentgeltlich. Auf den Hauptversammlungen, welche mindestens alle drei Jahre von Abgeordneten der Hauptvereine und des Zentralvorstandes gehalten werden, beraten und beschließen dieselben über die Wirksamkeit des Zentralvorstandes, über die gestellten Anträge etc. Während die bayrische Regierung dem Gustav-Adolf-Verein durch Kabinettsorder vom die Bildung von Zweigvereinen untersagte (welches Verbot jedoch zurückgenommen wurde), erteilte schon eine preußische Kabinettsorder die Genehmigung zur Bildung von Zweigvereinen in Preußen, [* 11] und das Kultusministerium berief hierauf die Abgeordneten der rasch entstandenen Provinzialvereine auf 1. Sept. nach Berlin, [* 12] wo man sich zum Anschluß an den Gesamtverein entschied, welcher sodann auf der nächsten Hauptversammlung in Göttingen [* 13] (1844) zu stande kam.
Eine Gefahr schien dem Verein gleich darauf seine dogmatische Weitherzigkeit zu bereiten. Auf der Berliner [* 14] Hauptversammlung (1846) rief die Wahl des Königsberger Dissidentenpredigers Rupp heftige Debatten hervor, die fast zu einer Spaltung des Vereins geführt hätten; doch ward die Angelegenheit auf der folgenden Hauptversammlung zu Darmstadt [* 15] (1847) durch das Übereinkommen beigelegt, daß dem Zentralvorstand nur die formelle Prüfung der Legitimation zustehen, dagegen der Hauptversammlung das Recht verbleiben sollte, in vorkommenden Fällen über die Unzulässigkeit eines Deputierten wegen Fehlens der Bedingung für die Mitgliedschaft zu beschließen.
Die 1851 in
Berlin angeregte
Idee, Frauenzweigvereine der Gustav
-Adolf
-Stiftung
zu bilden, fand rasch und weithin Anklang. Seit 1854 werden
nach Vorgang
Berlins in vielen
Städten öffentliche
Vorträge zum
Besten des
Vereins gehalten. Der
Verein erstreckt sich jetzt
über das ganze
Deutsche Reich
[* 16] und seit dem Protestantenpatent vom auch über
Österreich,
[* 17] wo
sich zur Zeit der 14. Teil der gesamten
Bevölkerung
[* 18] unter seinen Mitgliedern befindet. In
Ungarn
[* 19] und der
Schweiz,
[* 20] im Elsaß
und in
Holland traten ihm
Hilfsvereine zur Seite; die protestantischen
Gemeinden
Belgiens schlossen sich direkt an.
¶
mehr
Der Verein zählte nach dem 1882 auf der 50. Hauptversammlung zu Leipzig erstatteten Bericht 44 Hauptvereine, 1762 Zweig-, 89 Orts-, 381 Frauen- und 11 Studentenvereine; im gleichen Jahr vereinnahmte er, von Legaten abgesehen, 897,743 Mk. Seit seinem Bestehen hatte er damals 2933 Gemeinden unterstützt; im genannten Jahr standen ihrer noch etwa 1200 in seiner Pflege, an welche über ¾ Mill. Mk. jährlich abgehen. Nicht gering ist es anzuschlagen, daß der Verein viel dazu beigetragen hat, das Gefühl der Zusammengehörigkeit in der so zerrissenen evangelischen Kirche Deutschlands zu wecken. Er bildet noch gegenwärtig geradezu die einzige thatsächliche Einigung innerhalb derselben.
Nur die exklusiven Lutheraner ziehen auch von ihm sich zurück. Das Organ für die Angelegenheit der Gustav
-Adolf
-Stiftung
ist
der seit 1843 in Darmstadt erscheinende »Bote des Evangelischen Vereins der Gustav-Adolf-Stiftung«
, ferner erscheinen alljährlich vom Zentralvorstand
ausgegebene »Fliegende Blätter«, mehrere Gustav-Adolf-Kalender und andre Vereinsschriften. Vg. Zimmermann, Der Gustav-Adolf-Verein
nach seiner Geschichte, seiner Verfassung und seinen Werken (Darmst. 1877);
Derselbe, Die Bauten des Gustav-Adolf-Vereins in Bild und Geschichte (das. 1859-76, 2 Bde.);
v. Criegern, Der Gustav-Adolf-Verein in den ersten 50 Jahren seines Bestehens (Leipz. 1882);
Zenker, Der Gustav-Adolf-Verein in Haupt und Gliedern (das. 1882).