Güterrecht
der
Ehegatten
(Ehegüterrecht), Inbegriff der
Normen für die durch die
Ehe hervorgebrachten Vermögensrechtsverhältnisse
der Ehegatten.
Bei den
Römern trat in der
ältern Zeit die Ehefrau in die
Gewalt (manus) des
Mannes; sie
verlor dadurch ihre vermögensrechtliche Selbständigkeit, nahm die
Stellung eines
Hauskindes an, und ihr
Vermögen ging in
das
Eigentum des
Mannes über. Diese strenge Form wurde allmählich von der
freien
Ehe (matrimonium liberum) verdrängt; hier
ist das
Vermögen der Ehegatten
an sich ganz gesondert
, es pflegt nur als Beitrag zu den Ehelasten von der
Frau oder für die
Frau eine
Mitgift (dos) dem Mann zu
Eigentum übergeben, bei
Auflösung der
Ehe aber zurückerstattet zu
¶
mehr
werden; nur der Wille der Frau kann dem Mann auch die Verwaltung ihres übrigen Vermögens, welches Paraphernalgut heißt, übertragen.
Ein gegenseitiges Erbrecht findet bloß in Ermangelung aller erbfähigen Verwandten und eines Testaments statt. Erst das spätere
Recht schuf in der »Widerlage« (propter nuptias donatio) und in dem Erbrecht der armen Witwe eine regelmäßige
Witwenversorgung. Dagegen macht sich die würdige Auffassung der Ehe bei den Deutschen auch in dem ehelichen Güterrecht
geltend.
»Eheleute haben«, sagt der Sachsenspiegel, »kein gezweites Gut zu ihrem Leben.« Das gesamte Vermögen dient dem ehelichen Leben und ist in der Hand [* 3] des Mannes vereinigt. Der Ehemann ist in der Regel befugt, die Fahrhabe der Ehefrau zu veräußern, nicht aber die schon durch das Erbgutssystem gebundenen Liegenschaften. Letztere sind bei Trennung der Ehe durch Tod oder Scheidung der Ehefrau oder dem Erben herauszugeben. Hinsichtlich der Fahrhabe der Ehefrau aber weichen die verschiedenen Rechtsquellen sehr voneinander ab: bald fällt dieselbe dem Ehemann oder dessen Erben zu, wobei der Frau oder deren Erben die Gerade, d. h. ein von der Rechtssitte fest bestimmter Inbegriff von Hausrat und Haustieren, und überdies das Mußteil, d. h. die vorhandenen Speisevorräte, und die etwa am Morgen nach der Brautnacht bestellte Morgengabe zu Eigentum herausgegeben werden; bald wird das sämtliche bewegliche Vermögen oder doch die Errungenschaft, d. h. das gemeinsam während der Ehe erworbene Vermögen, nach gewissen Verhältniszahlen geteilt oder die Frau mit einem bloßen Leibgedinge abgefunden.
Sind Kinder vorhanden, so bleibt der überlebende Ehegatte in der Regel mit denselben im ungeteilten Besitz und Genuß, bis jene
einen eignen Haushalt gründen. Diese den einfach bäuerlichen Verhältnissen und Sitten und dem Erbgutssystem
angemessenen Rechtssätze finden sich in den Volksrechten (5.-8. Jahrh.), im Sachsenspiegel und in den andern ältern Rechtsbüchern.
Die Zunahme der Bedeutung des beweglichen Vermögens, das städtische Leben, die Sorge für den im Gewerbsleben nötigen Kredit
führten im Verein mit dem Bestreben, hier das eindringende römische Recht zur Geltung zu bringen, dort
es abzuwehren, zu manchen Umgestaltungen, die bei dem Mangel eines Mittelpunktes der Rechtsbildung in unzähligen Landrechten,
Statuten und Gewohnheiten zum Ausdruck kamen. So erklärt sich die außerordentliche Verschiedenheit der Rechtsgrundsätze auf
dem Gebiet des ehelichen Güterrechts.
Indes ist der ursprüngliche Grundzug des deutschen Rechts, die
Einheit des ehelichen Lebens unter der Herrschaft des Mannes, gewahrt. Überall ist das gesamte Vermögen in der Hand des Mannes
vereinigt und die Frau nur befugt, in dem Kreis
[* 4] der ihr zukommenden Hauswirtschaft Verfügungen zu treffen, Verbindlichkeiten
einzugehen und Veräußerungen vorzunehmen, durch welche der Ehemann verpflichtet wird (sogen.
Schlüsselrecht der Ehefrau).
Im übrigen lassen sich drei Hauptsysteme des Güterrechts
unterscheiden: das der Gütereinheit, der Gütergemeinschaft und
das Dotalsystem. Dem ältern Recht schließt sich am meisten das System der Gütereinheit (nießbräuchliche Gütergemeinschaft,
Güterverbindung, auch wohl äußere oder formelle Gütergemeinschaft genannt) an. Danach hat der Mann
neben seinem eignen Vermögen, über das er unumschränkt verfügt, für die Zwecke der Ehe das gesamte Vermögen, welches die
Frau besitzt oder erwirbt, und dessen Eigentümerin sie bleibt, in Verwaltung und Genuß,
welche Rechte man in Ländern sächsischen
Rechts unter den Begriff des ehemännlichen Nießbrauchs (ususfructus maritalis) zu bringen pflegt: er darf
die Kapitalien einziehen, auch die Fahrhabe gültig veräußern, Liegenschaften aber nur mit Zustimmung der Frau;
oft sind auch die Gläubiger des Mannes berechtigt, sich aus der Fahrhabe der Ehefrau bezahlt zu machen (»Die dem Mann traut, traut dessen Schuld« - »wem ich meinen Leib gönne, dem gönne ich auch mein Gut«).
Bei Trennung der Ehe behält der Mann oder dessen Erbe sein Vermögen und die Errungenschaft, die Frau oder
deren Erbe erhält ihr Einbringen, soweit es vorhanden ist, zurück und Ersatz für den Abgang, wegen welchen Anspruchs ihr
oft ein Pfand- und Vorzugsrecht eingeräumt ist. Für den Fall des Todes eines der Ehegatten
ist meist dem
überlebenden ein weiterer Vermögensanspruch gesichert. Der Witwer behält bald die Fahrhabe der Frau (gemeines sächsisches Recht),
bald einen Bruchteil ihres Gesamtvermögens; die Witwe erhält bald ein Leibgedinge (vidualicium, Wittum), bald unter Einwerfung
ihres Vermögens in die Erbschaft einen Anteil der letztern (statutarische Portion) oder auch eine nach Maßgabe
ihres Einbringens bestimmte Jahresrente (dotalicium, Wittum in diesem Sinn), unter welchen Rechten sie zuweilen die Wahl hat.
Nach dem zweiten System, dem der Gütergemeinschaft (communio bonorum), im Gegensatz zu der Gütereinheit auch allgemeine, materielle
oder innere Gütergemeinschaft genannt, wird alles Vermögen der Ehegatten
Ein Vermögen, an welchem diese
gleichmäßig zu ideellen Teilen berechtigt, also je zur Hälfte Eigentümer, Gläubiger, Schuldner sind. Dem Mann gebührt
auch hier die ausschließliche Verwaltung des Vermögens und eine mehr oder minder unbeschränkte Verfügungsgewalt darüber;
doch bedarf er zur Veräußerung und Verpfändung unbeweglicher Güter in der Regel der Zustimmung der Ehefrau.
Bei Auflösung der Ehe muß jedem Teil seine Hälfte zugeschieden werden; oft aber erbt der überlebende Ehegatte, wenigstens
in Ermangelung der Kinder, den Anteil des verstorbenen ganz oder teilweise (»Längst Leib, längst Gut« - »der letzte macht die
Thür zu«). Übrigens kommen sowohl bei dem System der Gütereinheit als bei demjenigen der allgemeinen
Gütergemeinschaft zuweilen vorbehaltene Güter (Einhands- oder Einhardsgüter) eines Ehegatten
vor, welche vermöge besonderer
Übereinkunft oder ausdrücklicher letztwilliger Bestimmung dem einen Ehegatten
ausschließlich vorbehalten sind.
Nach manchen Partikularrechten erstreckt sich die Gütergemeinschaft nicht auf das ganze Vermögen der Ehegatten
, sondern nur
auf Teile desselben (partikulare Gütergemeinschaft). Diese tritt ein bald an der gesamten Fahrhabe, bald
an der sogen. Errungenschaft oder dem Adquest, d. h. allem Erwerb während der Ehe, zuweilen auch nur an dem, was durch die
Geschäftsthätigkeit der Ehegatten
erworben und bezüglich erspart wird (Kollaboration). Es sind alsdann drei Gütermassen
zu unterscheiden: das Vermögen des Mannes, das der Frau und das gemeinschaftliche beider;
doch hat der Mann auch hier, wie bei dem ersten System, die Verwaltung des Frauenguts.
Das dritte System ist das bereits oben in seinen Grundzügen dargestellte römische Dotalsystem (s. Mitgift); doch stellt sich dasselbe partikularrechtlich vielfach modifiziert dar. In der Regel verwaltet auch hiernach der Mann das ganze Vermögen der Frau, welches, insofern es bei Eingehung der Ehe vorhanden ist, als Dotalgut, insofern ¶
mehr
es erst später erworben wird, als Paraphernalgut bezeichnet wird, jedoch für Schulden des Mannes nicht haftet, vielmehr durch
Pfand- und Vorzugsrechte gesichert ist. Wenn aus der Ehe Kinder vorhanden sind, so wird mit dem Tode des einen Ehegatten
das frühere
Güterverhältnis regelmäßig nicht aufgelöst, sondern zwischen den Kindern und dem überlebenden Ehegatten
fortgesetzt (Recht des Beisitzes) und nur durch die anderweite Verehelichung oder den Tod des letztern, oder durch das Ableben
der Kinder oder durch Abschichtung mit diesen aufgehoben, welch letztere sie unter gewissen Voraussetzungen, namentlich beim
Eintritt der Volljährigkeit, verlangen können.
Fand während der Ehe Gütergemeinschaft statt, so ist das Rechtsverhältnis das einer fortgesetzten Gütergemeinschaft
(communio bonorum prorogata). In dem Fall einer Wiederverehelichung des überlebenden Ehegatten
wird jedoch die Grundteilung
nicht selten durch Errichtung eines Ehe- und Einkindschaftsvertrags abgewendet, in welchem der zweite Ehegatte und die in der
zweiten Ehe zu erwartenden Kinder in die Gemeinschaft aufgenommen und den erst-ehelichen Kindern sogen. Vorause
gesetzt werden. Zuweilen tritt auch das sogen. Verfangenschaftsrecht ein, wonach die Immobilien des überlebenden wie des verstorbenen
Ehegatten
sofort Eigentum der Kinder werden, ersterer aber den Nießbrauch daran hat.
Die Vermögens- und Güterrecht
sverhältnisse der Ehegatten
bestimmen sich im Zweifel nach denjenigen Rechtssatzungen, welche
an dem Orte des erst-ehelichen Domizils, d. h. da gelten, wo der Ehemann mit der Frau nach Abschluß der
Ehe zuerst seinen Wohnsitz nahm. Doch kann das eheliche Güterrecht
durch Eheverträge, welche meist vor Gericht abgeschlossen
werden müssen, überall verändert, insbesondere das Vermögen der Ehefrau ganz oder teilweise als Einhands-, Sonder-, Rezeptiziengut
ihrer freien Verfügung vorbehalten bleiben.
Die Wirkung solcher Verträge gegen Dritte ist jedoch regelmäßig von einer gehörigen Bekanntmachung abhängig gemacht. Für den Fall der Scheidung weichen die Rechtsbestimmungen sehr voneinander ab; wenn auch das geeinte Vermögen, sei es in seinen ursprünglichen Bestandteilen, wobei dem Ehemann die Mehrung zufällt, sei es in Halbscheiden, wie bei der Gütergemeinschaft, geschieden werden muß, so sind doch häufig dem schuldigen Teil gewisse Strafen zum Vorteil des unschuldigen auferlegt.
Für die fürstlichen Familien, zuweilen auch für den Adel, gelten besondere Bestimmungen; insbesondere treten im Fall einer
morganatischen Ehe die vermögensrechtlichen Wirkungen nicht ein. Dort finden sich noch zuweilen die mittelalterlichen
Einrichtungen der Morgengabe und des Leibgedinges. Auch bringt es die Natur der Lehns-, Stamm- und Fideikommißgüter mit sich,
daß sie von dem ehelichen Güterrecht
nur, insoweit es sich um ihre Nutzung handelt, ergriffen werden.
Die allgemeine Gütergemeinschaft findet sich besonders in den fränkischen und niedersächsischen Gegenden, die partikulare in Österreich, [* 6] Bayern [* 7] und, auf die Fahrhabe beschränkt, im französischen Recht. Außerdem gilt meist das System der Gütereinheit und des ehemännlichen Nießbrauchsrechts, wie nach preußischem Landrecht und nach dem sächsischen Zivilgesetzbuch, oder das Dotalsystem; kurz, es herrscht gerade auf diesem Gebiet der Gesetzgebung Deutschlands [* 8] eine solche Zerrissenheit, daß die Regelung dieser so tief in das Privatleben einschneidenden Rechtsverhältnisse in einheitlicher Weise ein höchst dringendes Bedürfnis ist.
Vgl. außer den Lehrbüchern des deutschen Privatrechts: Runde, Deutsches eheliches Güterrecht
(Oldenb. 1841);
Schröder, Geschichte des ehelichen Güterrechts
in Deutschland
[* 9] (Stett. 1863-75, 2 Bde.);
Vocke, Gemeines eheliches Güter- und Erbrecht (Nördling. 1873, 2 Bde.);
Neubauer, Das in Deutschland geltend eheliche Güterrecht
(Berl. 1879);
Derselbe, Das eheliche Güterrecht
des Auslandes (das. 1882);
Ogonowski, Österreichisches Ehegüterrecht (Leipz. 1880, Bd. 1).