Guerrázzi
(spr. gue-), Francesco Domenico, ital. Politiker und Schriftsteller, geb. zu Livorno, [* 3] studierte die Rechte in Pisa, [* 4] schon damals seiner politischen Gesinnung halber vielfach verfolgt, und lebte dann als Sachwalter in Livorno, immer im Kampf mit den Machthabern, ein Freund Mazzinis. Im J. 1828 erschien zu Florenz [* 5] sein origineller, kraftgenialischer Roman »La battaglia di Benevento« (Flor. 1828),
Guerrazzis
bestes Werk, in zahlreichen
Auflagen verbreitet. 1830 und
wiederum 1834 auf die
Insel
Elba verbannt, schrieb er dort einen zweiten, ebenfalls sehr beifällig aufgenommenen
Roman: »L'assedio
di
Firenze« (unter dem
Pseudonym Anselmo
Gualandi, Par. 1836, 5 Bde.; deutsch
von
Fink, Stuttg. 1850), der seinen
Namen auch in
Deutschland
[* 6] bekannt machte. Seit der Thronbesteigung
Pius'
IX. wuchs sein politischer Einfluß in
Toscana.
Sein offener
Brief an
Mazzini zog ihm 1847 eine neue
Verbannung nach
Porto Ferrajo
zu. In die durch
Leopold II. mit einer
Verfassung beschenkte
Heimat zurückgekehrt, gab er zu
Florenz ein
republikanisches
Blatt:
[* 7] »L'Inflessibile«, heraus, wurde zum
Deputierten gewählt und dann ins
Ministerium berufen als Kabinettspräsident
mit dem
Portefeuille des Innern.
Nach der
Flucht des
Großherzogs ward Guerrázzi
von der
Nationalversammlung mit Montanelli und Mazzoni in das leitende
Triumvirat gewählt,
und das Übergewicht seiner energischen
Natur war so groß, daß man ihn als
Diktator bezeichnete. Er suchte
der hereinbrechenden
Anarchie entgegenzuarbeiten und widersetzte sich der
Proklamation der
Republik und dem Anschluß
Toscanas
an die römische
Republik
Mazzinis. Als darauf nach der
Niederlage der
Italiener bei
Novara eine Gegenrevolution in
Florenz ausbrach
und die großherzogliche
Regierung wieder ans
Ruder kam, wurde Guerrázzi
festgenommen und in das Staatsgefängnis
nach
Volterra gebracht.
Hier schrieb er die bekannte »Apologia della vita politica di Guerrázzi«
(Flor. 1851). Nach dreijähriger
Haft zu 15jährigem Gefängnis
mit Zwangsarbeit verurteilt, aber vom
Großherzog zu lebenslänglicher
Verbannung begnadigt, lebte er zunächst auf
Corsica,
[* 8] seit 1855 in
Savona und
Genua,
[* 9] bis die politischen Verhältnisse 1859 ihm die Rückkehr in seine Vaterstadt
gestatteten. Er vermochte sich indessen, obgleich mehrmals ins
Parlament gewählt, mit der neuen
Ordnung der
Dinge nicht zu
befreunden und nahm an dem öffentlichen
Leben keinen thätigen
Anteil mehr. Er verbrachte den Rest seiner
Tage meist auf seinem
Landhaus in der
Nähe von
Livorno, wo er starb.
Von Guerrazzis
Schriften sind außer den bereits genannten besonders noch hervorzuheben: »Orazioni funebri d'illustri Italiani«
(1835; 8. Aufl.,
Palermo
[* 10] 1861);
ein historisches Drama: »I Bianchi ed i Neri« (Flor. 1847);
eine Reihe historischer Erzählungen, die alle zahlreiche Auflagen erlebten: »Veronica Cybo, duchessa di San Giuliano« (Livorno 1837),
»Isabella Orsini« (das. 1844),
»Beatrice Cenci« (Flor. 1854, 2 Bde., deutsch, Hamb. 1858),
ein Roman, der außerordentlichen Beifall fand, jedoch den wirklichen Sachverhalt schief darstellt;
ferner: »Pasquale Sottocorno« (Turin [* 11] 1857),
»La torre di Nonza« (1857),
»Pasquale Paoli« (Mail. 1860),
die in ihrer Einfachheit anziehende Erzählung »Il buco nel muro« (das. 1862),
»Paolo Peliccioni« (das. 1864) u. a. Ein seltener genanntes,
aber merkwürdiges
Buch von Guerrázzi
ist: »L'asino, un sogno« (6. Aufl.,
Mail. 1863),
worin mit staunenswerter Gelehrsamkeit das, was die Litteratur und die Geschichte der Völker über den Esel darbietet, zu einer großartigen Satire verarbeitet ist.
Noch sind seine »Memorie«
(Livorno 1848) und
»Vita di
Andrea
Doria«
(Mail. 1863, 3. Aufl. 1874) zu erwähnen.
Aus seinem
Nachlaß gab
Guerrini den
Roman »Il secolo che muore«
(Rom 1885, 4. Bde.)
heraus.
Origineller, von
Schwulst nicht freier
Stil, rege, zu Ungeheuerlichkeiten geneigte
Phantasie kennzeichnen
Guerrázzi
namentlich als Romanschriftsteller, dem jedoch die ungewöhnliche Begabung nur als
Mittel galt, freiheitlichen und nationalen
Gedanken einen packenden
Ausdruck für die
Massen zu geben. Seine
Briefe sammelte
Carducci
(Livorno 1880-82, 2 Bde.).
Vgl. Bosio, e le sue opere (Livorno 1865);
Fenini,
Manzoni und Guerrázzi
, kritische
Studien
(a. d. Ital. von
Kitt,
Mail. 1875).