1)
JohannChristian, Dichter, geb. zu
Striegau
[* 7] in Niederschlesien, erregte schon auf der
Schule zu
Schweidnitz
[* 8] durch sein poetisches
Talent Aufsehen, widmete sich zuWittenberg
[* 9] dem
Studium der
Medizin und
ward hier in die wüste Roheit des damaligen Studentenlebens hineingerissen, wodurch er in Zerwürfnisse mit seinem bis zur
Härte strengen
Vater geriet.
Sein Dichtertalent trat bereits in diesen ersten Studienjahren siegreich hervor, obschon er es
nach der
Sitte der Zeit meist in bezahlten Gelegenheitsgedichten vergeudete und wohl vergeuden mußte.
In
Leipzig,
[* 10] wo er seine
Studien fortsetzte, fand
er anMenck einen
Gönner, der ihn anscheinend für ein geregelteres
Leben gewann.
Sein Gedicht auf den
PassarowitzerFrieden machte ihn schnell bekannt. Von
Menck dem König von
Polen und
Kurfürsten von
Sachsen
[* 11] als Hofdichter vorgeschlagen, verscherzteGünther sein Lebensglück, indem er bei der ersten
Audienz völlig betrunken erschien. Günther kehrte hierauf in sein Vaterland zurück und lebte hier, da ihm das
väterliche
Haus verschlossen war, von den Wohlthaten seiner
Freunde, immer tiefer in
Ausschweifungen versinkend. Einen Hauptanteil
an der Zerrüttung seines
Wesens hatte seine
Leidenschaft zu einer in seinen Gedichten Leonore genannten
Frau, welche ihm zweimal die verpfändete
Treue brach.
Seine poetischen Ergüsse bieten ein treues
Bild seines
Lebens: neben dem Edelsten und
Höchsten in ihnen findet sich nicht
selten das
Gemeine,
Lascive;
überall aber ist der ursprüngliche Dichtergenius erkennbar, welcher unbewußt die falschen
Theorien
der gelehrten
Dichtung seiner Zeit überwand.
Die erste Sammlung seiner
Dichtungen erschien
Breslau
[* 16] 1723,
welcher bis 1735 drei Fortsetzungen folgten; Gesamtausgabe 1742 (6. Aufl., Leipz.
1764; Nachtrag 1766).
NeueAusgaben (Auswahl) besorgten Tittmann (Leipz. 1874, mit
Biographie) und Litzmann
(Reclams »Universalbibliothek«,
Nr. 1295 u. 1296). Eine angeblich von Günther selbst
verfaßte Geschichte seines
Lebens erschien zuSchweidnitz 1732, eine andre von Siebrand (Leipz. 1738).
ein litterarhistorischer
Versuch (Bresl. 1833);
Roquette,
Leben und Dichten J.
Chr. Günthers (Stuttg. 1860);
M.
Kalbeck,
Neue Beiträge zur
Biographie des Dichters
Chr. Günther (Bresl. 1879); Litzmann, Zur Textkritik und
Biographie J.
Chr. Günthers
(Frankf. 1880).
A. v.
Eye (»Eine Menschenseele«,
Nördling. 1862) behandelte Günthers
Leben romanhaft.
Weil seiner Überzeugung nach alle
Versuche, dies auf dem Weg des
Begriffs zu erreichen, zu
Pantheismus
oder doch Halbpantheismus führten, den er als mit der
Dogmatik der
Kirche unvereinbar ansah, so glaubte
er den entgegengesetzten,
der
Mystik verwandten Pfad der innern
Erfahrung und des
Selbstbewußtseins einschlagen zu müssen. Auf diesem erwuchs nach mancherlei
in den
»WienerJahrbüchern der Litteratur« erschienenen kritischen Abhandlungen allmählich sein theologisch-philosophisches
System, das er zuerst in seiner »Vorschule zur spekulativen
Theologie des positiven
Christentums« (1.
Abt.: Die Kreationslehre; 2.
Abt.:
Die Inkarnationslehre;
Wien 1828, 2. Aufl. 1848), seinem Hauptwerk, der
Welt vorlegte. Es erregte Aufsehen, und der Verfasser
sah sich für einen katholischen Theologen ungewöhnlich rasch in die gelehrte
WeltDeutschlands
[* 20] eingeführt.
ein seltsames
Produkt, bei dem man oft versucht wird, sich an
Goethes »Tragelaphen« zu erinnern;
dann
»Süd- und
Nordlichter am
Horizont
[* 21] spekulativer
Theologie« (das. 1832), worin der
Autor nach allen Seiten
hin Hiebe austeilte, die er sodann in den mit seinem
Freunde, dem phantastisch-mystischen
ArztJohannHeinrichPabst (geb. 1785,
gest. 1838),
gemeinschaftlich herausgegebenen »Janusköpfen« (das.
1834) noch überbot.
In dem
»LetztenSymboliker«
(Wien 1834),
der, wie die Vorschule, in der bequemen Briefform geschrieben war,
wurden der katholische
SymbolikerMöhler und der
TübingerBaur, im
»Thomas a Scrupulis« (das. 1836) die Hegelsche
Philosophie
angegriffen. Die
Versuche nachhegelscher Hegelianer, zwischen der linken und der rechten Seite der
Schule¶
nicht ohne oft treffenden Witz. Günthers
Philosophie fand bald Anhänger, und eine zahlreiche Partei unter dem katholischen Klerus der Rheinlande, Württembergs und Österreichs,
deren »Jungkatholizismus« nichts mit dem spätern,
hauptsächlich durch die Jesuiten begründeten scholastischen »Neokatholizismus« gemein hatte,
sammelte sich um die Fahne derselben. Günther erhielt einen Ruf an die UniversitätMünchen,
[* 24] den er ablehnte; mehrere seiner Schüler
lehrten an Universitäten und an bischöflichen Lehranstalten, so Knoodt in Bonn,
[* 25] Merten (der in seiner »Metaphysik« [Trier
[* 26] 1848] einen Abriß seiner Lehre
[* 27] gab) in Trier, Zukrigl in Tübingen,
[* 28] Loewe und Ehrlich in Prag etc. Nach dem Bewegungsjahr 1848,
das auch die Ära einer freien Entfaltung im Schoß der katholischen Kirche heraufzuführen versprach, eine Hoffnung, die durch
den jesuitischen Syllabus und die vatikanische Unfehlbarkeitserklärung gründlich getäuscht werden sollte,
unternahm Günther mit dem als origineller Kanzelredner bekannten Emanuel Veith die Herausgabe eines philosophischen Taschenbuchs
unter dem Titel: »Lydia« (Wien 1849-52, 3 Jahrg.), in welchem Günther mit der radikalen philosophischen Linken, A.Ruge, L.Feuerbach,
und dem Sozialismus in gewohnter Weise sich auseinandersetzte.
Dasselbe wurde 17. Febr. d. J. publiziert und enthielt die interessante Notiz, daß sich der Autor schriftlich »religiose et laudabiliter«
unterworfen habe. Die letzten Jahre seines Lebens brachte Günther, welcher niemals ein akademisches Lehramt bekleidet hat,
in tiefer Zurückgezogenheit zu und starb plötzlich durch einen Schlaganfall Günther nimmt als Philosoph eine durch
Gelehrsamkeit, Beharrlichkeit und durch den Nachdruck, mit welchem er auf die Berücksichtigung der Vernunft in Glaubensdingen
dringt, achtungswerte, infolge seines Verhältnisses zur katholisch-kirchlichen Dogmatik aber nicht freie Stellung ein.
Sein nicht gewöhnlicher Scharfsinn ist vorwiegend polemischer Art; bei allem anscheinenden Widerwillen
gegen die Scholastiker erscheint er im Streit mit der Philosophie alter und neuer Zeit selbst als scholastizierender Apologet.
Der spekulative Tiefsinn, den seine Schüler an ihm ehrten, ist von Gegnern phantasiereiche Mystik genannt worden. Seine Darstellungsweise,
oft geistreich, ist unsystematisch, sein Stil schwerfällig und unverständlich. In beiden erinnert er an
den Theosophen FranzBaader (s. d.), dem er auch sonst vielfach, nur nicht in der kirchlichen Freisinnigkeit, verwandt erscheint.
Von seinen Schülern sind außer den Genannten noch C. F. v. Hock, Werner, Th. Weber u. a. als philosophische Schriftsteller aufgetreten.
Eine neue Ausgabe seiner »Gesammelten Schriften« erschien Wien 1882 in 9 Bänden. Aus seinem Nachlaß veröffentlichte
Knoodt: »Anti-Savarese« (Wien 1883).
3) KarlFriedrich, sächs. Jurist, geb. zu Leipzig, wo er sich als Advokat niederließ, ward 1825 Mitglied der Spruchfakultät, 1826 zugleich
akademischer Lehrer, 1828 Ordinarius der Juristenfakultät, 1846 Präsident des Spruchkollegiums und starb Er lieferte
eine Umarbeitung von Haubolds »Lehrbuch des sächsischen Privatrechts« (Leipz. 1829) und schrieb unter anderm: »Der
Konkurs der Gläubiger« (das. 1839, 2. Aufl. 1852).
Andre Untersuchungen betreffen die Speichelfisteln (1821), die operative Behandlung der Sehnengallen, den Pfeiferdampf und
die Zeit, welche zur Bildung von Eiterknoten in den Lungen erforderlich ist; durch letztere Arbeit wurden die Ansichten über
die Beurteilung von Lungenerkrankungen in forensischer Beziehung vollständig reformiert. Seit 1846 arbeitete
er gemeinsam mit seinem Sohn über Zahnkrankheiten. Er war auch passionierter Landwirt, erhob zwei Ackerhöfe, die er besaß,
zu Musterwirtschaften und führte in der Lüneburger Heide
[* 32] den Lupinenbau ein. Er schrieb: »Lehrbuch der Geburtshilfe bei Tieren«
(Hannov. 1830);
»Beurteilungslehre des Pferdes« (mit seinem Sohn, das. 1859);
Als er 1881 krankheitshalber in den Ruhestand trat, wurde er zum GeheimenMedizinalrat ernannt. Günther ist einer
der bedeutendsten tierärztlichen Anatomen, namentlich was topographische Anatomie betrifft, dazu tüchtiger Operateur. Er
schrieb: »Über Behandlung der Strychninvergiftung mit Opium« (1851);
»Beurteilungslehre des Pferdes« (mit seinem Vater, Hannov.
1859);
»Introduction to the study of fishes« (1880; deutsch bearbeitet von Hayek
u. d. T.: »Handbuch der Ichthyologie«, Wien 1885 ff.).
7) Otto, Maler, geb. zu Halle
[* 39] a. S., studierte von 1858 bis 1861 auf der DüsseldorferKunstakademie und von 1863 bis 1866 auf
der Kunstschule in Weimar,
[* 40] wo er sich besonders an Preller und A. v. Ramberg anschloß. Anfangs auf dem Gebiet
der dekorativen Malerei und der Illustration thätig, auf welch letzterm er sich besonders durch Zeichnungen aus dem deutsch-französischen
Krieg bekannt gemacht hat, wandte er sich seit dem Anfang der 70er Jahre mit Glück dem Genre zu, wobei
er gelegentlich auch die tragischen Seiten des Volkslebens behandelte. Seine Hauptbilder sind: Hochzeitszug in Thüringen;