Gruyères,
deutsch Greierz (Kt. Freiburg, Bez. Greierz). 801 und 827 m. Gem., kleine Stadt und Schloss; 4,5 km sö. der Station Bulle der Linie Romont-Bulle.
Stadt und Schloss stehen ausserordentlich malerisch auf einem steilen Hügel (unterer Liaskalk) zwischen der Albeuve und Saane und sind rings von fetten Wiesen umgeben. Postablage, Telegraph, Telephon; Postwagen Bulle-Château d'Œx-Saanen. Station der elektrischen Bahn Bulle-Montbovon. Gemeinde, mit Pringy, Épagny, Le Pont Saussivue, Le Clos Corboz, Les Vernes und Les Prays: 191 Häuser, 1383 kathol. Ew. in 272 Haushaltungen; Stadt: 52 Häuser, 404 Ew. Gemeinsame Kirchgemeinde mit Enney und Le Pâquier.
Hauptbeschäftigung der Bewohner sind Viehzucht und Milchwirtschaft. Früher betrieb die Stadt eine rege Gewerbs- und Handelstätigkeit, während heute ihre einst stark belebten Gassen vereinsamt und stille geworden sind. Jetzt werden in der Gemeinde nur noch mehrere Sägen, eine Gerberei, die Fabrik für kondensierte Milch zu Épagny und die Gipsgrube von Pringy betrieben. Fremdenstation. Als eigene Kirchgemeinde wurde Gruyères 1254 von Bulle losgelöst. Die im selben Jahre geweihte Pfarrkirche St. Theodul erfreute sich in der Folge der besonderen Gunst einer grossen Anzahl von Gönnern, wie der Grafen und Gräfinnen von Greierz, einer Reihe von Burgherren, Landvögten und auch Privatleuten. Neben der Pfarrkirche gab es in Greierz mehrere
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Kapellen, die zur Mehrzahl auch heute noch vorhanden sind: die von den ersten Grafen erbaute und Johannes dem Täufer geweihte Burgkapelle bildet seit 1848 ein kleines Museum;
die infolge eines während der Epidemie von 1611 von den Bewohnern der Stadt getanen Gelübdes errichtete und den Heiligen Rochus, Claudius und Sebastian gewidmete Chapelle du Berceau ward 1615 geweiht;
ferner bestehen in Pringy eine St. Agathenkapelle und in Épagny eine St. Annakapelle.
Auf Boden der Gemeinde steht auch das einstige Kloster La Part Dieu, das von Wilhelmette von Grandson, Gräfin von Greierz, 1307 gestiftet und 1848 aufgehoben worden ist.
Zur Zeit der Herrschaft ihrer Grafen umfasste die Stadt zwei Teile, die Cité und den Bourg, die beide mit Mauern und Türmen umgeben waren und durch vier Tore mit der Aussenwelt in Verbindung standen. Der Bourg besteht aus einer einzigen breiten Gasse mit heute noch recht mittelalterlichen Häusern. Die Cité oder der Sitz der regierenden Herren umfasste das Schloss mit seinen Nebenbauten, das den Hügel krönt und dank seiner Lage, seinen Wällen und Gräben und seiner Zugbrücke einem feindlichen Angriff sehr wohl widerstehen konnte. Es ist von dicken und mit zahlreichen Türmen und Türmchen versehenen Mauern umgeben und umschliesst einen ebenfalls ummauerten und mit Schiessscharten und gedeckten Gallerien bewehrten grossen Innenhof. In einem alten Rundturm mit 5,4 m dicken Mauern sieht man ein Kamin, auf dessen Feuerherd ein ganzer Ochse in einem Stück gebraten werden konnte.
Das Schloss wurde 1818 vom Maler D. Bovy, einem Schüler von Ingres, angekauft und restauriert; ihm verdankt man im Besondern auch die schönen Wandgemälde im Rittersaal, die die wichtigsten Episoden aus der Geschichte der Gegend darstellen. Bovy starb 1862. Heute gehört das Schloss Herrn Balland, der im Grafenzimmer und im Waffensaal eine schöne antiquarische Sammlung aufgestellt hat. Das Schloss bietet eine schöne Aussicht auf das untere Greierzerland und die es umrahmenden Voralpen.
Ueber die Entstehung von Gruyères sind im Laufe der Zeit viele Fabeln erzählt und über die Etymologie dieses Namens zahlreiche Hypothesen aufgestellt worden. Nach der einen Ueberlieferung soll der Stammvater des Geschlechtes derer von Greierz der Vandalenhäuptling Gruerius gewesen sein, der zur Zeit der Alemanneneinfälle bis in diese Berggegenden vorgedrungen wäre; eine andere Version macht aus diesem Gruerius einen Führer der ums Jahr 302 unserer Zeitrechnung dem Blutbad von Agaunum (im Wallis) entronnenen thebäischen Legion, und wieder Andere wollen, dass das Land Œx ums Jahr 414 vom Vandalenkönig Gondioch seinem Kampfgenossen Gruerius verliehen worden sei. Andere Forscher verwerfen diesen sagenhaften Stammvater Gruerius und leiten den Namen vom althochdeutschen gruo = grün her, wegen der das Thal vorteilhaft auszeichnenden grünen Farbe seiner Wiesen und Wälder; oder auch von gruier oder gruyer, lateinisch grueria, welches Wort die im Mittelalter wohl bekannte Würde eines Vogtes über Wasser und Wald und Gerichtsherren über Wald-, Fisch- und Jagdfrevel bezeichnete. Es soll nun ein mit dem Amte eines solchen Gruyer oder Waldvogtes über das Land Ogoz bekleideter Edler des transjurassischen Königreiches Burgund zur Zeit, da Titel und Würden anfingen in den betreffenden Geschlechtern erblich zu werden, sich zum selbständigen Herrn gemacht und sein Amt auch seinen Nachfolgern hinterlassen haben. Im Uebrigen erscheint der Titel eines Grafen von Greierz zum erstenmal 1157 in einer von Rudolf von Greierz zu Gunsten der Abtei Hautcrêt ausgestellten Schenkungsurkunde. In andern Urkunden erscheint diese selbe Persönlichkeit unter dem Namen des Grafen von Ogoz, wie auch seine Gemahlin Agnes von Glâne in den Urkunden bald als Gräfin von Ogoz und bald als Gräfin von Greierz figuriert. Es ist nicht möglich, hier alle Phasen der Geschichte unseres tapfern kleinen Völkchens und seiner ritterlichen Herren mit ihren vielen und ruhmvollen Waffentaten zu verfolgen. In kritischer Zeit standen die Grafen von Greierz stets auf ihrem Posten, bereit, ihr Recht und ihr Gebiet mit Waffengewalt zu verteidigen oder geschworene Treue zu halten. Wir kennen keine würdigeren Glieder der Ritterschaft und keine ihrem Oberherren treuere Vasallen. Von der nämlichen kriegerischen Gesinnung wie ihre Grafen war auch in guten wie bösen Tagen das Greierzervolk beseelt. Nie wich der «Kranich» (grue; das Wappentier der Grafen) zurück, und stets blieb er seinem Wahlspruch Transvolat nubila virtus getreu.
Als zur Zeit der Kreuzzüge Europa sich zum Kampfe gegen Asien rüstete, stimmten auch Graf und Volk von Greierz begeistert in das allgemeine Feldgeschrei «Gott will es!» mit ein und stiegen aus ihren Bergen herab mit dem stets wiederholten Ruf: «Pars, Gruyère! en avant la Grue! reviendra qui pourra!» Auf Gruyère! Vorwärts die Grue! Kehre wieder, wer kann! Bei Laupen kämpften die Grafen von Greierz mit Freiburg gegen Bern, und bei Murten standen sie mit im ersten Treffen der Eidgenossen.
Als 1349 Otto von Éverdes, der Graf von Greierz und der Herr von Corbières mit den Freiburgern und Bernern in Fehde standen, wurden diese, die bis jenseits La Tour vorgerückt waren, vollkommen geschlagen. Welche Zahl von Legenden und grossen Erinnerungen knüpfen sich an diese alten Wälle, von wie viel fröhlichen Festen und Turnieren, aber auch von welchen traurigen Zeiten und welchem Unglück könnten sie erzählen! Und wie lange noch hallten in diesen Gemächern Waffenlärm und Festestrubel, als andere feste Burgen längst schon zur Ruine geworden! Nachdem die Landschaft Greierz unter den Grafen Franz und Ludwig zum Höhepunkt ihrer Macht aufgestiegen, begann unter der Regierung des Grafen Michel der zum völligen Untergang führende Zerfall.
Ursachen davon waren tolle Liebesabenteuer, höfischer Dienst in Frankreich und das Leben in den Feldlagern. In der Nacht des verliess der unglückselige Graf Michel seine alte Burg und sein Land, um niemals dahin zurückzukehren. Er hatte sich genötigt gesehen, seinen Besitz um den Preis von 80500 Thaler an Bern und Freiburg zu verkaufen, die das Land derart unter sich teilten, dass Bern das Gebiet oberhalb der Tine, das sog. Pays d'En Haut, Freiburg dagegen dasjenige unterhalb der Tine, d. h. eben die heutige freiburgische Gruyère zu Eigen erhielt.
Der Uebergang vollzog sich aber nicht ohne schwere Misshelligkeiten. Der erste dem Lande vorgesetzte Landvogt, Anton Krummenstoll, ward 1556 schwer beschimpft, und 1577 konnte die Regierung nur mit Mühe die Ablieferung der jährlichen Rechnungen über die Verwaltung der Gemeindegüter durchsetzen. Auch zur Zeit des Bauernkrieges musste man aufrührerische Gelüste in der Gruyère
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mit Gewalt unterdrücken. Dann herrschte Ruhe im Lande, bis am unter dem Vorwand der ungerechtfertigten Aufhebung einiger Volksfeste der längst geplante und von Nicolas Chenaux und André Castella geleitete Aufstand losbrach. Der Ausgang des unglücklichen Unternehmens ist bekannt: Chenaux wurde von seinen eigenen Leuten ermordet, worauf seine hauptsächlichsten Mitverschworenen sich flüchteten. Es war dies aber nur der Vorbote eines kommenden Sturmes, der losbrach, nachdem die Waadt mit Hilfe der französischen Bajonette 1798 das Joch Berns abgeschüttelt und ihre Unabhängigkeit erklärt hatte. In Freiburg erhob sich zuerst Bulle und pflanzte den Freiheitsbaum auf, und bald folgten dem Beispiel die Stadt Greierz und sämtliche übrigen Gemeinden der Vogtei. Greierz war bis 1798 eine Vogtei, von 1798-1848 eine Präfektur und bildet seit 1848 mit Bulle zusammen das Herz des heutigen Bezirkes Greierz. Vergl. Kuenlin, Franz. Dictionnaire géograph., statist. et histor. du cant. de Fribourg. 2 parties. Frib. 1832. - Raemy. Dictionnaire. - Le Chamois; réd. par Reichlen. - Album de fête; publié par la Soc. des ingénieurs et architectes. Frib. 1901. - Fribourg artistique à travers les âges. - Cornaz-Vuillet. La Suisse romande en zig-zag. - Charles, Hub. Course dans la Gruyère. Paris 1826. Fribourg, Guide des étrangers. - Perrier. Oberst. Die Gruyère ... (Europ. Wanderbilder. 23). Zürich 1881.