Gruß
,
s. Begrüßungen.
Gruß
73 Wörter, 574 Zeichen
Gruß,
s. Begrüßungen.
Gruß,
in der Geologie [* 2] unverbundene, lose aufeinander gehäufte Gemengteile irgend eines bestimmten Gesteins, welche nicht geschoben oder gerollt, d. h. durch Wasser fortbewegt, geglättet oder abgerundet sind, sich dadurch von den Geröllschichten, von den Konglomeratgesteinen aber durch den Mangel einer bindenden Substanz unterscheiden (vgl. Granitgruß);
im Bauwesen kleine Stücke Bausteine und namentlich Ziegelsteine, die sich zum Vermauern nicht mehr eignen und besonders bei Anfertigung des Betons oder des Steinmörtels Anwendung finden.
die Zeichen, durch welche man andern beim Begegnen, Besuchen und Abschiednehmen Freundschaft und Achtung zu erkennen gibt. Die Begrüßungsform ist nach Zeiten und Verhältnissen sehr verschieden. Man kann mit Spencer annehmen, daß die ältesten Begrüßungsformen diejenigen sind, welche durch Zubodenwerfen die völlige Unterwürfigkeit und Ergebung in die Macht des Begrüßten ausdrücken sollten. Diese bei orientalischen und barbarischen Völkern noch heute gebräuchlichen Begrüßungen wurden dann gemildert in dauerndes oder momentanes Knieen, Verbeugungen und Knixe, mit denen man symbolisch seine Absicht, sich niederzuwerfen, andeutet. Da hierbei die Kopfbedeckung von selbst abfällt, so nimmt man sie ab oder macht wenigstens eine Handbewegung, als ob man sie abnehmen wollte (militärischer Gruß).
Neben diesen Grundformen, deren Abstufungen nicht zu verkennen sind, treten aber zahlreiche Varianten bei den verschiedenen Völkern auf, und diese Verschiedenheit der Begrüßungen geht so weit, daß das, was bei einem Volk als Höflichkeitsbezeigung gilt, bei einem andern für ein Merkmal der Ungeschliffenheit gehalten wird. Die Griechen riefen einander beim Kommen, Begegnen und Scheiden: »Chaire« (Freude dir!) zu. Die Römer [* 4] sagten beim Kommen: »Ave« (Sei gegrüßt!),
beim Abschied: »Vale« (Bleibe gesund!). Bei den Israeliten pflegten nähere Bekannte einander Hand,
[* 5] Haupt und
Schulter zu küssen. Gewöhnliche Gruß
formel war der Zuruf: »Schōlem alēchem«
(Friede sei mit euch!). Das Entblößen des Hauptes scheint als allgemeine Sitte erst seit dem 16. oder 17. Jahrh. in Gebrauch
gekommen zu sein. In manchen deutschen Ländern, besonders in Österreich,
[* 6] küßt man den Damen die Hand;
dagegen ist in Italien
[* 7] der Handkuß ein Zeichen von Vertraulichkeit, das sich nur die nächsten Freunde erlauben dürfen.
Die russischen Damen lassen sich nicht die Hand, sondern die Stirn küssen. In Deutschland
[* 8] begrüßen sich auch Männer oft durch
einen Kuß, in England ist dies nur bei den nächsten Angehörigen üblich. Statt der im protestantischen
Deutschland üblichen Begrüßungsformeln: »Guten Morgen!«, »Ihr Diener!«, in Österreich: »Servus!«, in Süddeutschland: »Grüß
Gott!« etc. bedient man sich in katholischen deutschen Ländern des vom Papst Benedikt XIII. 1728 empfohlenen Grußes: »Gelobt sei Jesus Christus!«,
welcher mit dem Gegengruß:
»In Ewigkeit, Amen!« erwidert wird.
In der neuern Gesellschaft ist die Abschiedsformel von der ersten Begrüßung gewöhnlich verschieden, und hier hat sich das ältere: »Gott befohlen!« (franz. Adieu!) vielfach in ein Selbstempfehlen (Empfehle mich!) verwandelt. Besondere Stände haben auch besondere Begrüßungen, wie das »Glückauf!« der Bergleute und die langen, als Erkennungsmittel dienenden Begrüßungsformeln der alten Zünfte. Der Russe wirft sich zu den Füßen seines Herrn nieder, umklammert dessen Kniee und küßt sie.
Der Pole verneigt sich bis zur Erde oder wirft sich ebenfalls dem Herrn zu Füßen oder küßt die Schultern; der Böhme küßt die untern Säume der Kleider. Die Bewohner von Schumadia in Serbien [* 9] grüßen seltsamerweise beim Begegnen mit den Worten: »Gibt es Eicheln?«, weil sie als Hirten auf die Eicheln großen Wert legen. Der Russe grüßt beim Begegnen: »Seid gesund!« (Sdráwsdwujtje),
beim Scheiden: »Auf Wiedersehen!« (Do Swidānja),
bei einer Trennung auf längere Zeit: »Verzeiht!« (nämlich, daß ich euch schon verlasse; Proschtscháitje). Der Engländer grüßt: »How d'you do? Goodbye! Farewell!« Dem ähnlich der Holländer: »Vaar wél!« und der Schwede: »Farval!« Der Franzose: »Bon jour! Au plaisir!« (nämlich »de vous revoir«). Der Italiener: »Buon giorno! Addio! A rivederci!« Der Spanier: »Buenas dias! Adios! Hasta la vista!« (Auf Wiedersehen!). Der Türke schlägt beide Arme übereinander, legt sie auf die Brust und beugt sich mit dem Kopf gegen den, welchen er begrüßt. Der gemeine Araber sagt: »Salem aleikum« (Friede sei mit euch!),
dann legt er die Hand auf die Brust, um anzudeuten, daß ihm der Wunsch von Herzen gehe;
der Begrüßte erwidert: »Aleikum essalem« (Mit euch sei Friede!).
Die Hindu in Bengalen berühren mit der rechten Hand die Stirn und beugen den Kopf vorwärts. Wollen sie sich tief verbeugen, so legen sie erst die rechte Hand auf die Brust, berühren dann mit dieser Hand die Erde und zuletzt die Stirn. Dabei nennen sie sich »unterthänige Sklaven« des Begrüßten. Überhaupt tragen die meisten Begrüßungsarten im Orient das Gepräge einer sklavischen Denkart. Die Perser begrüßen den Fremden, den sie zu einem Gastmahl einladen, folgendermaßen: der Wirt geht seinem Gast eine Strecke entgegen, bewillkommt ihn mit den ehrfurchtsvollsten Komplimenten, läuft dann schnell zurück bis an die Thür seines Hauses und erwartet hier den Ankommenden, um ihm noch einmal mit denselben Zeremonien seine Hochachtung zu bezeigen.
Begegnen sich in China [* 10] zwei Personen zu Pferde, [* 11] so steigt der Niedere vom Pferd [* 12] ab und läßt stehend den Höhern vorbei. In Japan muß der Geringere vor dem Vornehmern seine Sandalen [* 13] ausziehen, die rechte Hand in den linken Ärmel stecken, die Arme langsam bis an die Kniee herabgleiten lassen, mit abgemessenen Schritten vor dem andern vorübergehen und mit furchtsamen Gebärden rufen: »Augh, augh« (Füge mir kein Leid zu!) Auf der Insel Ceylon [* 14] legt man bei der Begrüßung die flache Hand an die Stirn und verbeugt sich tief dabei.
Vor einem Vorgesetzten wirft man sich auf die Erde und spricht dessen Namen und Würde wohl fünfzigmal aus, während der Obere sehr ernsthaft vorüberschreitet und den Begrüßenden kaum eines Kopfnickens würdigt. Auch bei den meisten afrikanischen Völkern sind die Begrüßungsweisen durchaus sklavisch. Die Abessinier fallen auf das Knie und küssen die Erde. Die Mandinka fassen bei der Begrüßung einer Frau deren Hand, bringen sie an die Nase [* 15] und beriechen sie zweimal.
Die Ägypter strecken die Hand aus, legen sie auf die Brust und neigen den Kopf. Als besondere Artigkeit gilt der Kuß auf die eigne Hand, welche man dann auf den Kopf legt. Den vornehmen Männern, aber nicht den Frauen, küßt man die Hand. Viele seltsame Umständlichkeiten sind bei den Völkerstämmen des nordwestlichen Amerika [* 16] mit dem Grüßen verbunden. Die Art, wie sich die Eingebornen des südlichen Amerika begrüßen, ist kurz. Die Anrede ist: »Ama re ka?« (Du?) und die Antwort: »A!« (Ja!). Auf den Gesellschafts- und Freundschaftsinseln berühren die Grüßenden einander die Nasenspitzen. In Neuguinea bedeckt man sich das ¶
Haupt mit Baumblättern, was nicht bloß als Gruß, sondern zugleich auch als Zeichen des Friedens gilt.
Vgl. die ausführlichen Nachweise in Herbert Spencers »Soziologie«, Bd. 2. Von eigentümlicher Art und genau geregelt sind die militärischen Begrüßungen sowie die der Schiffe [* 18] (s. Ehrenbezeigungen).