Grotius
,
Hugo, eigentlich de
Groot, namhafter holländ. Gelehrter und Staatsmann, geb. zu
Delft, widmete sich schon seit seinem elften Jahr in
Leiden
[* 2] den
Rechts- und Altertumswissenschaften und begleitete 1598 den
Ratspensionär
Oldenbarneveldt auf seiner Gesandtschaftsreise nach
Frankreich, wo ihn
Heinrich IV. mit seinem Bildnis an goldener
Kette beschenkte. In
Orléans
[* 3] zum
Doktor der
Rechte befördert, ließ sich Grotius
im
Haag
[* 4] als
Advokat nieder und
wurde 1607 Generalfiskal, 1613
Pensionär von
Rotterdam.
[* 5]
In dem Streit zwischen den
Gomaristen und
Arminianern stand er als Anhänger
Oldenbarneveldts auf seiten der letztern, deren
Sache er durch
Flugschriften unterstützte, ward deshalb mit jenem verhaftet und, während
Oldenbarneveldt 1619 enthauptet wurde,
zu lebenslänglicher Gefangenschaft auf dem
Schloß Loevestein verurteilt. Seine Gemahlin
Maria v. Reigersberg
befreite ihn endlich aus dem Kerker, indem sie sich in einer Bücherkiste ins Gefängnis bringen ließ, mit ihm die
Kleider
wechselte und im Gefängnis blieb, während er in der
Kiste verborgen hinausgebracht wurde (1621). Grotius
floh nach
Frankreich,
wo ihm
Ludwig XIII. eine
Pension von 3000
Livres bewilligte, die er jedoch durch
Richelieu wieder verlor.
Als nach dem
Tode des
Prinzen
Moritz
Prinz
Friedrich
Heinrich von
Oranien
Statthalter in den
Niederlanden wurde, beschloß Grotius
1631,
in sein Vaterland zurückzukehren, sah sich hier aber bald neuen Verfolgungen seiner Feinde preisgegeben, die 1632 seine
ewige
Verbannung zu bewirken wußten. Er wandte sich zunächst nach
Hamburg,
[* 6] wo ihn der schwedische
Kanzler
Oxenstierna bewog, 1634 in die
Dienste
[* 7]
Schwedens
zu treten. Er wurde
Staatsrat und Gesandter am französischen
Hof,
[* 8] in welcher
Eigenschaft Grotius
1635-45, anfangs mit geringem Erfolg, wirkte.
In dem zuletzt genannten Jahr nahm er seine Entlassung und gedachte von
Stockholm
[* 9] nach
Holland zurückzukehren,
wurde indessen durch einen
Sturm nach
Pommern
[* 10] verschlagen und starb in
Rostock.
[* 11] 1886 wurde ihm in
Delft ein Kolossalstandbild
errichtet. Grotius
war ein gründlicher Theolog, ausgezeichneter Humanist, scharfsinniger
Philosoph und
Jurist und ein mit kritischem
Geist begabter
Historiker. Seine metrischen Übersetzungen aus dem
Griechischen zeugen von großem dichterischen
Genius. Er war einer der besten neuern lateinischen Dichter und versuchte sich auch in holländischen
Versen.
Mit großer Gelehrsamkeit und seltenen Talenten verband er Bescheidenheit, Frömmigkeit, Milde und Freimütigkeit und zugleich die Gaben des gewandtesten Staatsmannes. Seine zahlreichen Schriften haben auf die Bildung eines reifern Geschmacks und auf Verbreitung einer aufgeklärten Denkart in wissenschaftlichen Angelegenheiten entschiedenen Einfluß geübt. Insbesondere wurde die Philosophie der Rechtswissenschaft durch seine Werke über das Natur-, Staats- und Völkerrecht gefördert, die bis auf den heutigen Tag eine große Autorität besitzen.
Seine theologischen Schriften erschienen als »Opera theologica« (Amsterd. 1679, 4 Bde.),
unter denen seine Schrift »De veritate religionis christianae« (Leid. 1627 u. öfter; beste Ausgabe von J. C. ^[Johann Christoph] Köcher, Halle [* 12] 1740; deutsch von Hohl, Chemn. 1768; auch in die meisten andern europäischen und einige asiatische Sprachen übersetzt) die beste Apologie des Christentums aus neuerer Zeit ist. Außerdem sind zu erwähnen: »De antiquitate rei publicae batavicae« (Leid. 1610);
»Poemata« (das. 1617; am vollständigsten Amsterd. 1670);
»Annotationes in N. T.« (das. 1641-46, 2 Bde.; neue Aufl., Halle 1769 u. Groning. 1826-29, 7 Bde.);
»Annotationes in V. T.« (Par. 1644, 3 Bde.; hrsg. von Döderlein, Halle 1775-76, 3 Bde.);
»Annales et historiae de rebus belgicis« (Amsterd. 1657);
»Epistolae ineditae« (Haarlem [* 13] 1806).
Sein Hauptwerk ist »De jure belli et pacis« (Par. 1625 u. öfter, Amsterd. 1720, 1735; mit Noten von H. Cocceji, Bresl. 1745-52, 4 Bde.; von Hamaker, Haag 1869; deutsch von v. Kirchmann, Berl. 1869-70, 2 Bde.), durch welches er den Grund zu einer neuen Wissenschaft legte. Biographien gaben Luden (Berl. 1806), Butler (Lond. 1827), de Vries (Amsterd. 1827).
Vgl. auch
Creuzer,
Luther und
Hugo Grotius
(Heidelb. 1846);
Hartenstein,
Darstellung der
Rechtsphilosophie
des
Hugo Grotius
(Leipz. 1850);
Caumont, Étude sur la vie et les travaux de Grotius
(Par. 1862);
Hély, Étude sur le droit de
la guerre et de la paix de Grotius
(das. 1875);
Neumann,
Hugo Grotius
(Berl. 1884). -
Sein zweiter Sohn, Pieter de Groot, geb. gest. auch als Dichter bekannt, war ein hervorragendes Mitglied der aristokratischen Partei und Freund Johann de Witts. Er war von 1660 bis 1667 Pensionär von Amsterdam, [* 14] dann Gesandter in Stockholm und Paris, [* 15] wurde 1672 bei der französischen Invasion des Verrats beschuldigt und mußte nach Belgien [* 16] flüchten, von wo er erst 1674 nach Holland zurückkehrte.