Titel
Großbritannien
[* 3]
(Great Britain, hierzu
Karte »Großbritannien
etc.«),
die große,
England,
Wales und
Schottland umfassende
Insel, ein
Name, der bei der Vereinigung
Schottlands mit
England zu Einem
Reich wieder geltend
gemacht wurde, im
Gegensatz zu Kleinbritannien oder der
Bretagne
(s. d.). Großbritannien
mit
Irland aber bildet seit 1800 das
Vereinigte
Königreich
von Großbritannien
und
Irland
(United kingdom of
Great Britain and Ireland), welches die gesamten
Britischen Inseln,
ausgenommen die
Insel Man, umfaßt. Die statistischen Angaben der folgenden Seiten beziehen sich auf dieses
Vereinigte
Königreich.
Für alle weitern Angaben verweisen wir aber auf die
Artikel
»England«,
»Wales«,
»Schottland«,
»Irland« und »Man«.
Übersicht des Inhalts: | |
---|---|
Lage und Grenzen | S. 761 |
Bodenbeschaffenheit | 761 |
Klima | 761 |
Areal und Bevölkerung | 762 |
Aus- und Einwanderung | 762 |
Bevölkerungsverhältnisse | 763 |
Religion | 764 |
Kriminaljustiz | 764 |
Bildung | 765 |
Nahrungszweige | 765 |
Landwirtschaft | 766 |
Fischfang | 768 |
Bergbau u. Hüttenwesen | 768 |
Industrie | 769 |
Handel | 770 |
Schiffahrt | 773 |
Verkehrsw., Geldinstitute | 773 |
Nationaleinkommen etc. | 774 |
Staatsverfassung | 775 |
Parlament | 776 |
Stände, polit. Rechte | 777 |
Staatsverwaltung | 778 |
Rechtspflege | 779 |
Finanzen | 779 |
Heerwesen | 781 |
Marine | 783 |
Wappen, Orden | 784 |
Kolonien | 785 |
Geogr. Litteratur | 785 |
Geschichte | 786 |
Lage und Grenzen.
Die
Insel Großbritannien
wird im O. von der
Nordsee, im W. vom Atlantischen
Ozean bespült. Der
Kanal
[* 4]
(English Channel) trennt sie von
Frankreich
und ist an seiner schmälsten
Stelle, der
Straße von
Dover
[* 5]
(Pas de Calais,
Fretum gallicum), nur 33 km breit.
Die Irländische
See
(Mare hibernicum) scheidet Großbritannien
von
Irland, sie verengert sich im St. Georgskanal, im
S., und im Nordkanal
auf bez. 76 und 15 km. Die
Insel Großbritannien
verjüngt sich von der breiten südlichen
Basis, welche sich durch
neun Längengrade erstreckt, nach N., doch unter wiederholter
Verengerung und Ausweitung und zwar so, daß sich in seltenem
Parallelismus
Halbinsel- und Meerbusenpaare auf der
Ost- und Westküste entsprechen.
Die größte Länge (vom Kap Wrath in Sutherland bis zum Beachy Head in Sussex) beträgt 890 km; die größte Breite [* 6] (von Walsham in Norfolk bis Milfordhaven in Wales) etwa 482 km, die geringste 96 km. Der nördlichste Punkt ist Dunnet Head (58° 41' nördl. Br.), der südlichste Lizard Head (49° 56' nördl. Br.), der westlichste Ardnamurchan Point (6° 14' westl. L. v. Gr.) und der östlichste Lowestoft Neß (1° 45' östl. L. v. Gr.). Der Küstenumfang der Insel Großbritannien beträgt 4749 km, das Areal 217,841 qkm (3958 QM.), wozu noch 11,633 qkm (211 QM.) für 931 Nebeninseln kommen. Von letztern sind die bedeutendsten die Orkney- und Shetlandinseln im N., die Hebriden längs der Westküste Schottlands, Anglesey an der Küste von Wales, die Scillyinseln und die Insel Wight an der Südküste Englands.
Bodenbeschaffenheit.
Die Britischen Inseln steigen von einem unterseeischen Plateau an, welches mit Frankreich, den Niederlanden und Deutschland [* 7] zusammenhängt, von Norwegen [* 8] aber durch eine 365 m tiefe Rinne geschieden wird. Ein Sinken des Meeresspiegels um nur 31 m würde eine Landenge zwischen England und den Niederlanden entstehen lassen, und die jetzt wegen ihrer Fischereien bekannten Doggerbänke in der Mitte der Nordsee würden als eine unförmliche Insel emporragen. Ein Sinken der See um weitere 24 m würde genügen, um die ganze Südhälfte der Nordsee und einen Teil des Englischen Kanals in trocknes Land zu verwandeln. In einer Entfernung von 150-370 km im W. und NW. der Britischen Inseln nimmt die Meerestiefe rasch zu, und zwischen der Küste Irlands und dem Eiland Rockall im Atlantischen Ozean übersteigt sie 2926 m.
Großbritannien, schon den klassischen Schriftstellern als Britannien (s. d.) bekannt, in seiner nördlichen (kleinern) Hälfte aus dem Königreich Schottland, in der südlichen aus dem Königreich England und dem Fürstentum Wales bestehend, zeigt eine große Mannigfaltigkeit in der Oberflächengestalt. Gebirge wechseln zahlreich mit wellenförmigen Ebenen ab. Die Gebirge liegen vorwiegend im N. und W. und erreichen ihre bedeutendste Höhe in der Nähe der Westküsten, wo sie oft steil ins Meer abfallen, während sie sich in östlicher Richtung allmählicher verflachen.
Fast ganz Schottland ist ein Gebirgs- oder Hügelland. Die einzige Ebene von größerer Ausdehnung [* 9] ist jene, welche sich vom Forth bis zum Clyde erstreckt und welche das nordschottische »Hochland« (mit dem Ben Nevis, 1343 m, dem höchsten Punkte der Britischen Inseln) von dem südschottischen Hügelland trennt (813 m). Den Norden [* 10] Englands, bis Derbyshire hin, durchzieht rückgratartig die Penninische Kette (892 m), welche eine Einsattelung mit dem westlich gelegenen Cumbrischen Gebirge (984 m) verbindet, während es die Thalebene von York von den als York Moors und Wolds genannten Höhen scheidet.
Ganz Wales ist von Gebirgen erfüllt, deren Gipfelpunkt der dicht beim Meer ansteigende Snowdon (1094 m) ist. Auch die jenseit des Bristolkanals gelegene Halbinsel Devon-Cornwall ist ein malerisches Hügelland. Diese Gebirgslandschaften Großbritanniens zeichnen sich durch ihre Heidestrecken und Torfmoore aus. Nur die niedern Gehänge sind bewaldet. Die Thäler aber prangen in saftigem Grün und sind teilweise durch Fruchtbarkeit ausgezeichnet. Der größte Teil Englands hat eine wellige Oberfläche, die einesteils in wirkliche Tiefebenen übergeht, andernteils sich zu malerischen Hügelzügen erhebt. Über Irland s. den besondern Artikel.
Die größten Flüsse [* 11] sind: Humber, Shannon, Severn, Themse, Barrow, Große Ouse, Bann, Tay, Tweed, Mersey und Clyde;
die größten Seen: Loughs Erne, Corrib und Ree in Irland und Loch Lomond in Schottland.
Klima.
Großbritannien und Irland haben ihrer Lage gemäß ein Inselklima, das durch gleichmäßige Verteilung der Temperatur, durch trüben Himmel [* 12] und große ¶
Die Hauptorte der Grafschaften sind unterstrichen. Grafschaften, welche nicht besonders benannt sind, führen den Namen ihrer unterstrichenen Hauptorte.
Eisenbahnen Dampferlinien Unterseeische Telegraphen. [* 14]
Zum Artikel »Großbritannien«. ¶
mehr
Feuchtigkeit charakterisiert wird. In dem Kampf des Nordostwindes mit dem Südwestwind hat der letztere das Übergewicht. Die Ostwinde sind gewöhnlich trocken und kalt, die westlichen mild und regnerisch. Die letztern kommen über eine unermeßliche Wasserfläche, welche eine höhere und verhältnismäßig gleiche Temperatur bewahrt, nach den Britischen Inseln. Die Ostwinde, die vom europäischen Kontinent her wehen, sind im Winter und Frühling häufig von großer Kälte begleitet, und da sie wenig Feuchtigkeit haben, versengen sie im Sommer den Boden schnell.
Daher kommt es, daß die östlichen Küsten, welche den ersten Eindruck von diesen Winden [* 16] empfangen, durchgängig mehr am Kontinentalklima teilnehmen, während der entgegengesetzte Einfluß der Westwinde durch ihren Weg über die Inseln und die von den hohen westlichen Gebirgen hervorgebrachte Hemmung schon sehr geschwächt ist. Das Gegenteil davon gilt von der Westküste, welcher in höherm Grad insulares Klima [* 17] zukommt, unter deren Einfluß auch besonders Irland steht.
In den Temperaturverhältnissen der Britischen Inseln zeigt sich nur ein Unterschied von 3° C. bei der Jahreswärme an der Süd- und an der Nordseite. Dort, unter 50¼° nördl. Br., herrscht eine mittlere Temperatur von etwas über 11° C., hier, unter 59° nördl. Br., eine von 8° C. So gleichmäßig ist die Wärme, [* 18] daß in der Mitte Großbritanniens zwischen 54 und 57° nördl. Br. oder innerhalb eines Raums von 330 km kein wesentlicher Unterschied stattfindet, indem sich daselbst die mittlere Temperatur des Jahrs sehr regelmäßig auf 8¾° C. erhält, während für die Mitte von Irland im Durchschnitt 9½° C. angenommen werden kann.
Diese Bestimmungen gelten, wie sich von selbst versteht, nur für das flache Land; auf den Gebirgen nimmt die Temperatur ab, sinkt aber nirgends so tief, daß die Gebirge mit ewigem Schnee [* 19] bedeckt wären. Die Verteilung der Temperatur auf die Jahreszeiten [* 20] ist so gleichförmig, daß der Unterschied zwischen Sommer und Winter in Großbritannien und Irland nur 9-11° C. beträgt. An keinem Ort im flachen Land sinkt die mittlere Temperatur der drei Wintermonate auf den Gefrierpunkt herab.
Die Britischen Inseln gehören zu den regenreichsten Gegenden von Europa. [* 21] In der geographischen Verteilung der Regenmenge treten die zwei wesentlichen Unterschiede, daß sie am größten an den westlichen Küsten und auf den Gebirgen, am kleinsten an den östlichen Küsten und im flachen Land ist, sehr deutlich hervor. Eine mittlere Regenmenge von 8890 mm zeigt sich auf den Hebriden, in den schottischen Hochlanden und in den südwestlichen Bezirken von Irland und England. 7620 mm Regen fallen in Mittelschottland, dem größten Teil von Irland und in den westlichen und südlichen Gegenden von England, 6350 mm in Südschottland und im mittlern England, 5080 mm an den Ostküsten von England und den südöstlichen Küsten von Mittel- und Südschottland.
Der Unterschied zwischen O. und W. beträgt mithin 3810 mm. Für das flache Land lassen sich 6000 mm, für die Gebirgsgegenden dagegen 10,160 mm jährliche Regenmenge annehmen. Nach den Jahreszeiten verteilt, fällt das Maximum der Niederschläge im südwestlichsten Irland und England auf den Winter, im größten Teil des Landes auf den Herbst und an einem Teil der Ostküste auf den Sommer. Über das Weitere hinsichtlich der Bodengestaltung, der geognostischen Verhältnisse, der Meerbusen, der Flüsse und Kanäle, der Seen, der Naturprodukte etc. Großbritanniens s. die einzelnen Artikel »England«, »Schottland«, »Irland« etc.
Areal und Bevölkerung.
Landesteile | QKilometer | QM. | 1871 | 1881 | Zu- oder Abnahme in Proz. |
---|---|---|---|---|---|
England u. Wales | 150697 | 2736.8 | 22712266 | 25974439 | 14.36 |
Schottland | 78777 | 1430.7 | 3360018 | 3735573 | 11.1 |
Irland | 84252 | 1530.1 | 5412377 | 5174836 | -4.4 |
Verein. Königreich: | 313726 | 5697.6 | 31484661 | 34884848 | 10.64 |
Man | 588 | 10.7 | 54042 | 53558 | -0.9 |
Kanalinseln | 196 | 3.6 | 90596 | 87702 | -3.2 |
Soldaten u. Seel. außer Landes | - | - | 216080 | 215374 | -0.3 |
Mitte 1885 schätzte man die Bevölkerung [* 22] des Vereinigten [* 23] Königreichs auf 36,325,115 Seelen.
Seit der ersten zuverlässigen Zählung im J. 1811 hat die Bevölkerung um 94 Proz. zugenommen. Diese Zunahme verteilt sich indes ziemlich unregelmäßig auf die verschiedenen Jahrzehnte. Sie war am bedeutendsten (16,5 Proz.) 1811-21, gleich nach Beendigung der großen europäischen Kriege, am geringsten (2,1 Proz.) während der Jahre 1841-51, als das Mißraten der Kartoffelernte in Irland und die Cholera viele Opfer forderten und Veranlassung zu einer ungeheuern Auswanderung gaben. Aber wenn auch die Bevölkerung im allgemeinen zunahm, so trat doch in gewissen Bezirken und namentlich in ganz Irland eine Abnahme ein. Was insbesondere die Jahre 1871-81 betrifft, so ist der Zuwachs vorwiegend den großen Städten und den Fabrikbezirken zu gute gekommen. In 13 englischen, in 8 schottischen und in sämtlichen irischen Grafschaften (ausgenommen Dublin, [* 24] Antrim und Kerry) hat die Bevölkerung abgenommen.
Aus- und Einwanderung.
Ganz wesentlich ist die Zunahme der Bevölkerung durch die Auswanderung beeinflußt worden. Es wanderten in der Zeit, die zwischen den Zählungen von 1871 und 1881 liegt, nicht weniger als 1,697,719 Personen britischer Abkunft aus (nämlich 996,038 Engländer, 170,757 Schotten und 530,924 Iren), wogegen sich der Überschuß der Geburten über die Todesfälle während desselben Zeitraums auf 4,318,270 belief (England und Wales 3,426,480, Schottland 468,883, Irland 422,907). Da nun aber thatsächlich die Bevölkerung der drei Königreiche um 3,400,187 Seelen zunahm, so ergibt sich ein Reinverlust durch Auswanderung von 918,083. Dieser Verlust würde größer gewesen sein, wenn der Auswanderung nicht eine bedeutende Einwanderung vom kontinentalen Europa und Rückwanderung aus überseeischen Ländern gegenüberstände.
Die Einwanderung aus nichteuropäischen Ländern belief sich aber in den zehn Jahren 1872-81 auf 822,704 Seelen (wovon ca. 598,000 Briten), 1882-85 auf 420,232 Seelen. In den Jahren 1815-52 sind vom Vereinigten Königreich 3,463,596 Menschen ausgewandert und 1853-85: 7,550,287, von denen 5,855,404 britischer Abkunft waren (2,790,831 Engländer, 568,834 Schotten, 2,496,739 Iren) und 3,868,278 nach den Vereinigten Staaten gingen. Die Auswanderung in den letzten Jahren war wie folgt:
Insgesamt | Brit. Abkunft | Nach den Verein. Staaten | Engländer | Schotten | Iren | |
---|---|---|---|---|---|---|
1881 | 392514 | 243002 | 176104 | 139976 | 26826 | 76200 |
1882 | 413288 | 279366 | 181903 | 162992 | 32242 | 84130 |
1883 | 397157 | 320118 | 191573 | 183236 | 31139 | 105742 |
1884 | 303901 | 242179 | 155280 | 147660 | 21953 | 72563 |
1885 | 264986 | 208308 | 137824 | 126815 | 21411 | 60566 |
¶
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Bevölkerungsverhältnisse.
Sehr wesentlich wird die Zunahme der Bevölkerung in den einzelnen Königreichen durch die Auswanderung von dem einen in das andre und durch Einwanderung vom Ausland beeinflußt, wie dies eine Klassifikation der Bevölkerung nach dem Geburtsland nachweist. Diese Verhältnisse waren für das Jahr 1881 wie folgt:
Geburtsland | England und Wales | Schottland | Irland |
---|---|---|---|
England oder Wales | 24855822 | 91823 | 69382 |
Schottland | 253528 | 3397759 | 22328 |
Irland | 562374 | 218745 | 5062287 |
Man oder Kanalinseln | 29316 | 949 | - |
Britische Kolonien | 94399 | 12874 | 8325 |
Ausland | 174372 | 12868 | 11210 |
Auf See | 4628 | 555 | 257 |
Zusammen: | 25974439 | 3735573 | 5174836 |
Wir ersehen hieraus, daß, während die Bevölkerung des Vereinigten Königreichs zusammengesetzt ist aus 71,71 Proz. gebornen Engländern, 10,53 Proz. gebornen Schotten, 16,75 Proz. gebornen Iren und 1,01 Proz. anderswo Gebornen, doch England und Wales 74,4 Proz. der gesamten Bevölkerung umfassen, während auf Schottland 10,7 Proz., auf Irland nur 14,9 Proz. kommen. Irland hat demnach wesentlich zur Zunahme der Bevölkerung von England und Wales und in geringerm Grad auch Schottlands beigetragen.
Hier mag gleichfalls erwähnt werden, daß man 1881 die im Ausland lebenden Eingebornen des Vereinigten Königreichs auf 3,959,899 Seelen schätzte, nämlich in Indien 89,798, in den britischen Kolonien 988,934, in den Vereinigten Staaten von Nordamerika [* 26] 2,772,169 und in andern Ländern 108,998.
Es leben in England und Wales 172, in Schottland 47, in Irland 61, im Vereinigten Königreich 111 Menschen auf dem QKilometer.
Dem Geschlecht nach kommen in den Britischen Inseln mit Zuziehung der im Ausland weilenden Soldaten und Matrosen 1042 Personen weiblichen auf 1000 männlichen Geschlechts. In England zählte man 1881: 1055, in Schottland 1076, in Irland nur 1043 Personen weiblichen auf je 1000 Personen männlichen Geschlechts. Dem Zivilstand nach verteilt sich die Bevölkerung wie folgt (in Prozenten):
Landesteile | Gesamtbevölkerung | über 15 Jahre alt | ||||
---|---|---|---|---|---|---|
ledig | verheiratet | verwitwet | ledig | verheiratet | verwitwet | |
England und Wales männlich | 61.93 | 34.63 | 3.44 | 39.18 | 55.32 | 5.50 |
weiblich | 59.23 | 33.28 | 7.49 | 36.74 | 51.64 | 11.62 |
Schottland männlich | 66.28 | 30.44 | 3.28 | 45.21 | 49.46 | 5.33 |
weiblich | 62.85 | 28.96 | 8.19 | 43.63 | 44.41 | 12.56 |
Irland männlich | 68.71 | 27.50 | 3.79 | 50.81 | 43.24 | 5.95 |
weiblich | 63.44 | 26.98 | 9.58 | 44.79 | 40.74 | 14.47 |
Dem Alter nach verteilt sich die Bevölkerung in folgender Weise (pro Mille):
Alter | Männlichen Geschlechts | Weiblichen Geschlechts | ||||
---|---|---|---|---|---|---|
England | Schottland | Irland | England | Schottland | Irland | |
Unter 5 Jahren | 139.1 | 143.6 | 115.4 | 132.2 | 130.2 | 107.4 |
5-15 Jahre | 235.0 | 240.9 | 248.5 | 223.2 | 217.7 | 220.4 |
15-25 " | 188.3 | 198.0 | 199.7 | 187.1 | 188.9 | 199.8 |
25-45 " | 246.3 | 243.2 | 220.5 | 262.1 | 256.3 | 240.9 |
45-65 " | 138.9 | 131.4 | 152.2 | 146.4 | 150.7 | 159.6 |
über 65 " | 52.4 | 42.8 | 63.3 | 49.0 | 56.2 | 71.9 |
Was die Bewegung der Bevölkerung betrifft, so geht aus den jährlichen Berichten der Registrars General hervor, daß in dem Zeitraum 1865-85 die Heiraten um 15 Proz., die Geburten um 7,1 Proz., die Todesfälle aber um 13,7 Proz. abgenommen haben. Die geringere Anzahl der Todesfälle darf man wohl wesentlich der bessern Nahrung der arbeitenden Klasse und den allgemein gewordenen sanitarischen Maßregeln zuschreiben, wenn auch die Verteilung der Bevölkerung nach Altersklassen nicht ohne Einfluß geblieben sein mag. Die Verhältniszahlen (pro 1000 Einw.) waren:
1865 | 1871 | 1881 | 1885 | |
---|---|---|---|---|
Heiraten | 8.0 | 7.7 | 7.0 | 6.8 |
Geburten | 33.7 | 33.8 | 32.5 | 31.3 |
Todesfälle | 21.9 | 21.5 | 18.8 | 18.9 |
Für die einzelnen Königreiche waren die Verhältnisse wie folgt (wobei zu bemerken, daß die Angaben für Irland nicht ganz zuverlässig sind):
1881 | 1882 | 1883 | 1884 | 1885 | |
---|---|---|---|---|---|
England und Wales Heiraten | 7.6 | 7.7 | 7.7 | 7.5 | 7.4 |
Geburten | 33.9 | 33.7 | 33.3 | 33.5 | 33.5 |
Todesfälle | 18.9 | 19.6 | 19.5 | 19.6 | 19.0 |
Schottland Heiraten | 6.9 | 7.0 | 8.0 | 6.7 | 6.5 |
Geburten | 33.7 | 33.3 | 32.5 | 33.4 | 32.3 |
Todesfälle | 19.3 | 19.3 | 20.1 | 19.4 | 19.1 |
Irland Heiraten | 4.4 | 4.3 | 4.3 | 4.5 | 4.4 |
Geburten | 24.5 | 24.1 | 23.6 | 24.0 | 23.5 |
Todesfälle | 17.5 | 17.4 | 19.2 | 17.6 | 18.5 |
Hinsichtlich der körperlichen Gebrechen kommen auf je 1 Mill. Einw. (1881):
in England | in Schottland | in Irland | |
---|---|---|---|
Blinde | 879 | 845 | 1180 |
Taubstumme | 572 | 573 | 770 |
Blödsinnige | 1260 | 1603 | 1671 |
Irrsinnige | 1994 | 2250 | 1889 |
Nach der Zählung von 1881 wohnten 17,098,937 Menschen oder 49 Proz. der gesamten Bevölkerung des Vereinigten Königreichs in 348 Städten von über 10,000 Einw. und zwar:
in Städten | England und Wales | Schottland | Irland | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Zahl | Einwohner | Proz. der Bevölk. | Zahl | Einwohner | Proz. der Bevölk. | Zahl | Einwohner | Proz. der Bevölk. | |
von über 100000 Einwohnern | 20 | 7699175 | 29.6 | 4 | 1148898 | 30.7 | 2 | 457724 | 8.8 |
" 50-100000 " | 27 | 1796149 | 6.9 | 3 | 179834 | 4.8 | 1 | 80124 | 1.6 |
" 20-50000 " | 98 | 2958177 | 11.4 | 5 | 119960 | 3.2 | 5 | 137773 | 2.6 |
" 10-20000 " | 158 | 2172630 | 8.4 | 13 | 189179 | 5.1 | 12 | 149314 | 2.9 |
Zusammen: | 303 | 14626131 | 56.3 | 25 | 1637871 | 43.8 | 20 | 824935 | 15.9 |
Die volkreichsten Städte des Vereinigten. Königreichs sind: London [* 27] (3,816,483), Glasgow [* 28] (674,095), Liverpool [* 29] (552,508), Manchester-Salford (517,649), Birmingham [* 30] (454,616), Leeds [* 31] (309,119), Edinburg-Leith (287,842), Sheffield [* 32] (284,508), Newcastle-Gateshead (211,162), Belfast (208,122) und Bristol (206,874).
In betreff der Nationalität und des ¶
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Titel
Großbritannien
[* 3] (Heerwesen). Nach den im November 1889 erlassenen neuen Bestimmungen für Rekrutierung können bei der Gardekavallerie, den Kolonialtruppen sowie als Büchsenmacher, Musiker, Handwerker bei den Pionieren Rekruten auf 12 Jahre Dienstzeit bei der Fahne (lange Dienstzeit) eingestellt werden; die kurze Dienstzeit beträgt bei der Linienkavallerie, Artillerie, Infanterie 7 Jahre bei der Fahne, 5 in der Reserve, bei den Fußgarden und dem Train 3 Jahre bei der Fahne, 9 Jahre Reserve, bei den Pionieren nach Wahl 7 oder 3 Jahre bei der Fahne und entsprechend 5 oder 9 in der Reserve.
Befindet sich der Soldat aktiv außer Landes, so verlängert sich der Dienst bei der Fahne um ein Jahr und verkürzt sich ebenso in der Reserve. Die Rekruten sollen zwischen 18 und 25 Jahre alt sein, doch sollen durch falsche Altersangaben auch viele jüngere Leute eingestellt werden, was mit als Ursache der vielen Erkrankungen und Desertionen angesehen wird. 1889 desertierten 4330 Mann, von diesen 2132 im ersten Dienstjahr. Von den 24,648 eingestellten Rekruten dienten nach 3 Monaten nur noch 91,7 Proz.; 3,4 Proz. hatten gegen Erlegung des Reugeldes ihre Entlassung erkauft. Es hatten sich 47,503 Mann zum Eintritt gemeldet, 14,973 wurden als ungeeignet zurückgewiesen, 5918 stellten sich nicht; von den dann vereidigten 26,592 Mann wurden nochmals 1616 zurückgewiesen und desertierten sogleich 214. Im Verwaltungsjahr 1889/90 soll die Armee einschließlich Offiziere 222,162 Mann stark sein, davon 115,754 im Mutterland, 33,984 in den Kolonien und Ägypten, [* 33] 72,424 Mann in Indien sich befinden.
Die Zahl der Offiziere betrug 7441; die indische Armee Eingeborner ist 134,100 Mann stark. Die Stärke [* 34] der Miliz, Freiwilligen und Yeomanry ist gegen das Vorjahr etwas heruntergegangen. Die Freiwilligen sollen stark sein 196,275 Mann, bei der Besichtigung waren aber nur 148,354 zur Stelle. Ein übles Zeichen für die Disziplin in der Armee ist die wiederholte Insubordination ganzer Truppenteile. Vom Fußgarderegiment Maitland wurde deswegen ein Bataillon zur Strafe nach dem Kapland geschickt, obgleich die Garden grundsätzlich im Mutterland bleiben sollen. Es wird behauptet, daß teils harte Behandlung, teils unauskömmliche Besoldung bei unbilligen Anforderungen an Selbstbekleidung und -Beköstigung zur Hervorrufung dieser Vorkommnisse beigetragen haben sollen.
Der Etat an Pferden beträgt 14,199 für England, 11,030 für Indien. Seit besteht eine Neueinteilung Englands und Wales in 10 Militärdistrikte: Nordost (York), Nordwest (Chester), Ost (Colchester), West (Devonport), Süd (Portsmouth), [* 35] Thames (Chatam), Südost (Dover), Home (London), Woolwich (Woolwich), Aldershott (Aldershott). Für den Dienst im Ausland sind 12 Kompanien berittener Infanterie aufgestellt. Jede Kompanie ist in 4 Züge und diese wieder in Gruppen zu 4 Mann eingeteilt, von denen zum Fußgefecht ein Mann als Pferdehalter zurückbleibt. Je 2 Bataillone Infanterie der ganzen Armee sind mit einem ¶
mehr
Maschinengeschütz (Gardener-, Nordenfelt- oder Maxim-Mitrailleuse) ausgerüstet worden. Jede Kompanie hat einen Unteroffizier und 9 Mann zu ihrer Bedienung auszubilden. Mit diesen Geschützen werden Schießübungen auf 730 m abgehalten. Bei 32 Freiwilligenbataillonen ist eine Radfahrerabteilung (cyclist section) für den Aufklärungs- und Meldedienst in Stärke von einem Offizier, 2 Unteroffizieren, 20 Mann und einem Trompeter errichtet. Die Umbewaffnung der Infanterie des Mutterlandes mit dem neuen kleinkalibrigen Magazingewehr sollte Ende des Jahres 1890 beendet sein.
Die Musterkarte von Geschützen ist sehr bunt. In der Feld-, Positions- und Gebirgsartillerie sind 14 Geschützarten und Kaliber, in der Festungs- und Belagerungsartillerie 30 Geschützmuster, teils Vorder-, teils Hinterlader, vertreten. Die Feldartillerie führt heute noch 9-,13-,16- und 40-Pfünder-Vorderladerkanonen, letztere als Positionsgeschütze. Der neue gezogene 12-Pfünder (7,62 cm Kaliber) für die fahrenden und reitenden Batterien bildet bereits die Ausrüstung einer Anzahl Batterien.
Die Fertigstellung dieser Geschütze [* 37] soll sehr langsam fortschreiten. Als Positionsgeschütz wird ein 20-Pfünder von 9,5 cm Kaliber zur Einführung gelangen. Die gußeisernen Granaten [* 38] sollen nach und nach durch solche aus Stahl ersetzt werden, welche eine größere Sprengladung (Kordite) aufnehmen, und deren größere Sprengstücke größere Perkussionskraft besitzen. In der Verstärkung [* 39] der Kriegsflotte herrscht fieberhafte Thätigkeit. Von den 9 Kreuzern 1. Klasse, Panzerdeckschiffen von 7350-7700 Ton. Deplacement und 20 Knoten Geschwindigkeit, sind in Devonport 1890 bereits 3 vom Stapel gelaufen, 6 gleiche sind im Bau; von 24 Kreuzern 2. Klasse (verbesserter Medeatyp), welche auf Stapel gelegt wurden, sind 1890 schon 8 abgelaufen, sie wiegen 3400-3600 T., haben Maschinen von 9000 Pferdekräften und werden 20 Knoten laufen. 7 Panzerschiffe [* 40] 1. Klasse von 14,150 T. Deplacement, 13,000 Pferdekräften, 456 mm dickem Turm- und Gürtelpanzer, mit vier 34 cm Kanonen, 35 Schnellfeuergeschützen verschiedenen Kalibers und einer Anzahl Mitrailleusen armiert, welche 17 Knoten Geschwindigkeit haben sollen, befinden sich im Bau. Am scheiterte beim Kap Finisterre der Kreuzer 3. Klasse Serpent, 173 Mann ertranken, 3 wurden gerettet.
Geschichte.
Die Parlamentssession des Jahres 1890, welcher man nach unbestimmten Andeutungen aus Kreisen, die der Regierung nahe standen, mit gespannten Erwartungen entgegengesehen hatte, wurde 11. Febr. eröffnet. Die Thronrede betonte in üblicher Weise die friedlichen Beziehungen zu allen auswärtigen Mächten und gedachte mit besonderer Genugthuung der Beilegung des Konfliktes mit Portugal [* 41] durch die Nachgiebigkeit des letztern, der mit Deutschland und den Vereinigten Staaten abgeschlossenen Samoakonvention (welche im Januar veröffentlicht worden war) und der erfolgreichen Verhandlungen auf der Brüsseler Konferenz zur Einschränkung des Sklavenhandels.
Hinsichtlich der innern Zustände konstatierte sie eine erhebliche Besserung der Verhältnisse in Irland, welche sich in der Abnahme der Zahl der agrarischen Verbrechen kundgebe und es ermöglicht habe, wie 25. Jan. durch eine Proklamation des Lord-Statthalters geschehen war, das Zwangsgesetz für einige Grafschaften außer Kraft [* 42] zu setzen; eine weitere Hebung [* 43] der dortigen Zustände erwarte die Regierung von einer dem Parlament zu unterbreitenden Vorlage über die Erleichterung des Landankaufs in Irland. Aber auch andre wichtige Gesetze, unter andern eine Bill über die lokale Selbstverwaltung in Irland, Vorlagen über die Abwälzung der Zehntenzahlung auf die Grundeigentümer, zur Verbesserung der Sanitätsgesetzgebung in London und der Wohnungsverhältnisse der Arbeiterklassen, zur Ausdehnung der Haftpflicht der Arbeitgeber bei Unglücksfällen u. dgl. kündigte die Eröffnungsrede an.
Damit war ein umfassendes legislatives Programm aufgestellt, dessen Verwirklichung die Arbeitskraft des Parlaments im vollen Maße in Anspruch nahm, aber auch den guten Willen der Mitglieder desselben voraussetzte. Gerade an dem letztern aber fehlte es, wenigstens auf seiten der Opposition. War in frühern Jahren wesentlich nur von der irischen Partei jene Taktik der Obstruktion befolgt worden, welche die Erledigung aller Geschäfte des Unterhauses verzögerte und erschwerte, hatten dann (seit dem Bündnis Gladstones mit den Iren) die radikalen Elemente der Gladstoneschen Partei sich immer eifriger an diesem Treiben beteiligt, so ist es für die Parlamentstagung von 1890 bezeichnend, daß mehr und mehr die ganze Schar der Anhänger Gladstones in diese Politik hineingezogen wurde. Im Unterhaus selbst hatte sie, solange das Bündnis zwischen den Konservativen und den liberalen Unionisten bestehen blieb, keine Aussicht, die Mehrheit zu erlangen, aber Gladstone berief sich auf eine verhältnismäßig bedeutende Zahl von Siegen [* 44] seiner Partei bei vereinzelten Nachwahlen, um darzuthun, daß seit den letzten allgemeinen Wahlen die Stimmung des Landes eine völlig andre geworden sei.
Darum wäre es ihm am willkommensten gewesen, die Regierung zu einer Auflösung des Hauses zu nötigen; da das nicht zu erreichen war, kam es darauf an, die legislative Ohnmacht der Regierung darzuthun und durch Verzögerung aller gesetzgeberischen Maßregeln Mißstimmung gegen dieselbe zu erregen. Darauf also lief, trotz aller Ableugnungen seitens der Führer, die Taktik der Gladstonianer wesentlich hinaus; manche ungeschickte Maßnahmen der Regierung, deren erster Vertreter im Unterhaus, W. H. Smith, sich seiner schweren Aufgabe immer weniger gewachsen zeigte, kamen ihnen dabei zu statten.
Begreiflicherweise war es vor allem die irische Frage, die in dieser Beziehung ausgenutzt wurde. Es konnte nicht wohl in Abrede gestellt werden, daß mit dem Nachweis der Fälschung jener von der »Times« veröffentlichten Briefe, durch welche Parnell und seine Anhänger der Mitschuld oder Mitwissenschaft an den Verbrechen der irischen Fenier und Dynamitverbrecher überführt werden sollten, die Regierung, welche im Sommer 1888 die Parnell-Untersuchungskommission eingesetzt hatte (s. Bd. 17, S. 402), eine schwere Niederlage erlitten hatte.
Ihre Gegner zögerten nicht, dieselbe zu benutzen. Zwar der Schadenersatzprozeß, welchen Parnell gegen die »Times« eingeleitet hatte, war schon 5. Febr. durch einen Vergleich beendet (der irische Führer begnügte sich mit 5000 Pfd. Sterl. Entschädigung statt der geforderten 100,000), und ein Antrag, welchen Sir W. Harcourt 11. Febr. stellte, die Veröffentlichung jener Briefe für einen Bruch der Privilegien des Unterhauses zu erklären, wurde noch am gleichen Tage mit 260 gegen 212 Stimmen abgelehnt; allein der Hauptkampf knüpfte sich an den am 14. Febr. eingebrachten Bericht der Untersuchungskommission selbst. Dieser, von den drei Richtern unterzeichnet, sprach die Angeklagten von der Beschuldigung frei, gemeinschaftlich Mitglieder einer Verschwörung gewesen zu sein, um die Unabhängigkeit Irlands herzustellen, und erkannte nur an, ¶
mehr
daß Davitt und einige andre die Landliga zu diesem Zwecke organisiert hätten. Alle Angeklagten hätten aber einer Verschwörung angehört, welche es darauf abgesehen hätte, die Großgrundbesitzer durch Gewaltmittel und Terrorismus zu schädigen und aus dem Lande zu treiben. Die Dubliner Mordthaten hätten die Angeklagten mißbilligt, und die angeblichen Briefe Parnells seien als gefälscht anzuerkennen. Aber das System des Terrorismus hätten die Angeklagten nicht verurteilt, sondern auf demselben bestanden, obwohl sie wissen mußten, daß dadurch Verbrechen hervorgerufen wurden.
Nicht erwiesen sei, daß die Angeklagten mit bekannten Verbrechern oder den Invincibles in Verbindung gestanden hätten, erwiesen aber, daß sie Unterstützungen auch von Revolutionären angenommen hätten. Daß gerade die wichtigsten Anklagen gegen die Parnelliten zu Boden gefallen waren, ergab sich danach klar; und die Regierung hatte denn auch nicht die Absicht, an den verklausulierten Bericht irgend eine weitere Aktion zu knüpfen, sondern begnügte sich mit dem Antrag, die Eintragung desselben in die Bücher des Hauses anzuordnen und den Richtern für ihr unparteiisches Verfahren den Dank des Parlaments auszusprechen, wogegen die Opposition den Gegenantrag stellte, das Haus möge ausdrücklich ein Verdammungsurteil über die gegen Parnell und Genossen auf Grund falscher und verleumderischer Angaben erhobenen Anklagen aussprechen und sein Bedauern über das den Angeklagten durch diese Bosheit zugefügte Unrecht zu erkennen geben.
Mit heftigen Debatten über diese Angelegenheit und über die Adresse auf die Thronrede wurden hauptsächlich die ersten Wochen der Session ausgefüllt; in dieselben hinein fiel 4. März ein neuer, bedeutungsvoller Wahlsieg der Opposition in dem bisher konservativ vertretenen Londoner Wahlkreis von St. Pancras. In der Adreßdebatte wurde 18. Febr. das übliche Tadelsvotum Parnells über die irische Politik der Regierung mit 307 gegen 240 Stimmen, zwei Tage darauf ein liberaler Antrag auf Gewährung von Homerule für Schottland mit 181 gegen 141 Stimmen abgelehnt;
in der Debatte über die Parnellkommission machte es großen Eindruck, daß Lord R. Churchill in einer heftigen Rede seine vollständige Mißbilligung der Politik der Regierung aussprach, aber der Sieg blieb der letztern auch hier;
10. März wurde der Gegenantrag Gladstones mit 339 gegen 268 Stimmen abgelehnt, 11. März derjenige der Regierung angenommen;
21. März ging der letztere auch im Oberhaus durch.
Jetzt erst war Raum für die Landankaufs-Vorlage der Regierung gewonnen; nachdem 20. März Lord Salisbury eine Versammlung der konservativen Partei im Carltonklub abgehalten und dieselbe in nachdrücklichen Worten zur Eintracht ermahnt hatte, wurde die Bill 24. März eingebracht und zum erstenmal gelesen. Unleugbar war es eine höchst umfassende und durchgreifende Maßregel, welche dadurch in Aussicht genommen wurde. Zum Behuf der Förderung des Güterkaufs durch die irischen Pachter sollte unter Aufhebung aller früher in dieser Beziehung getroffenen Bestimmungen ein Garantiefonds von nicht weniger als 33 Mill. Pfd. Sterl. geschaffen werden.
Der Kaufpreis für Landgüter sollte auf den 20fachen Betrag des Reinertrags der Pacht festgesetzt werden; eine Regierungsbehörde sollte den Kaufpreis vorschießen, die Käufer sollten jährlich 4 Proz. dieses Preises an Zinsen, Amortisationsquote und Beitrag zu dem Garantiefonds zahlen und, wenn sie diesen Betrag von 4 Proz. des Kaufpreises 49 Jahre lang entrichtet hätten, freie Eigentümer werden. Die Verkäufer sollten den Kaufpreis in Staatspapieren erhalten, welche mit 2¾ Proz. verzinslich wären.
Der Antrag kam den Wünschen und Bedürfnissen der Irländer so weit entgegen, daß selbst unter den Anhängern der Regierung viele Grundbesitzer nur zögernd und nicht ohne Bedenken für denselben eintraten; nichtsdestoweniger wurde er von Parnell und seiner Partei, der im Interesse seiner Homerule-Pläne die Schaffung eines ruhigen und zufriedenen Bauernstandes in Irland durch die englische Regierung nicht wünschen konnte, heftig bekämpft, und Gladstone und die Seinen schlossen sich in diesem Widerstand ihren irischen Freunden aufs entschiedenste an. Trotzdem wurde natürlich die zweite Lesung der Regierungsvorlage 1. Mai mit 348 gegen 268 Stimmen beschlossen; nun aber begann die Einzelberatung, bei der die Opposition mit größter Rücksichtslosigkeit von ihrer Verschleppungstaktik Gebrauch machen konnte.
Inzwischen waren der Regierung auch auf einem andern Gebiet, auf dem sie eigentlich die größten Erfolge hätte erwarten können, ernste parlamentarische Schwierigkeiten erwachsen. Die Finanzlage Großbritanniens war unter der geschickten Verwaltung Göschens eine glänzende. Obwohl in den letzten drei Jahren eine Summe von etwa 23 Mill. Pfd. Sterl. auf Schuldentilgung hatte verwandt werden können, ergab der Rechnungsabschluß für das ablaufende Finanzjahr einen Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben von rund 3,150,000 Pfd. Sterl.; und für das Finanzjahr 1890/91 berechnete der Voranschlag des Budgets, den der Schatzkanzler 17. April dem Unterhaus vorlegte, die Ausgaben auf rund 86,900,000, die Einnahmen auf rund 90,500,000 Pfd. Sterl., so daß sich ein Überschuß von mehr als 3,500,000 Pfd. Sterl. herausstellte. So konnte Göschen nicht nur eine Ermäßigung einiger Einfuhrzölle (namentlich des Theezolles um 2 Pence für das Pfund), sondern auch die lange ersehnte Herabsetzung des Portos für Briefe nach Indien und den Kolonien zugestehen.
Weiter beantragte er, die den lokalen Grafschaftsbehörden zu überweisenden Einnahmen um 1,300,000 Pfd. Sterl. zu erhöhen und die Mittel dafür unter andern durch eine Erhöhung der Abgabe auf Sprit um 6 Pence für die Gallone aufzubringen. Damit in Verbindung standen dann Vorschläge für die Regelung des Konzessionswesens der Schankwirtschaften, die im wesentlichen darauf hinausliefen, einerseits die Zahl der Schankkonzessionen erheblich zu vermindern, anderseits aber die Wirte, denen infolgedessen die Erneuerung ihrer Konzessionen verweigert werden mußte, aus Staatsmitteln zu entschädigen.
Diese letztern Vorschläge stießen nun aber auf den allerheftigsten Widerstand. Die in England und Schottland so einflußreiche Temperanz- (Mäßigkeits-) Partei, zu deren Organ sich vor allen die Gladstonianer machten, die aber auch innerhalb der konservativen Partei viele Anhänger zählte, war zwar mit der Verminderung der Zahl der Schankwirtschaften ganz einverstanden, wollte aber von einer Entschädigung der dadurch betroffenen Wirte durchaus nichts wissen.
Indem nun die Opposition nicht nur die Landankaufs- und die Schankwirtschaftsbill aufs lebhafteste bekämpfte, setzte sie zugleich bei der Budgetberatung ihre Obstruktionstaktik so erfolgreich fort (in einer Sitzung des Hauses, die von 3 Uhr [* 46] nachmittags am 19. Mai bis 4 Uhr morgens am 20. Mai dauerte, wurden z. B. nur zwei unbedeutende Positionen des Staatshaushaltsetats angenommen), daß die parlamentarische Geschäftslage eine höchst unerfreuliche wurde. Im ¶
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Titel
Großbritannien
[* 3] und Irland. Das Inselreich im nordwestl. Europa umfaßt Großbritannien, d. i. seit Vereinigung der engl. und schott. Kronen [* 47] unter Jakob I. (1603) England, Wales und Schottland, in welchem Sinne der Ausdruck Britannia (s. d.) schon bei den alten klassischen Schriftstellern vorkommt, und Irland. Manchmal aber wird der Name Großbritannien für die brit. Inseln, ja auch nicht selten kurzweg für das gesamte Britische Reich mit allen seinen Besitzungen und Kolonien benutzt.
Seit 1800, als auch das irische Parlament mit dem von Großbritannien vereinigt wurde, erscheint «The United Kingdom of Great Britain and Ireland» als offizieller Titel der brit. Inselgruppe (British Isles, auch Home Countries genannt), die aus den Inseln Großbritannien u. I. sowie aus 1127 kleinern Nachbarinseln besteht. Unter den zu England gerechneten kleinern Inseln sind die bedeutendsten Anglesey, Wight und die Scilly-Inseln; zu Schottland gehören die Hebriden, die Orkney- und die Shetlandinseln sowie Arran und Bute. Irland hat zwar 196 Inseln, aber keine bedeutenden anliegenden. Die größte ist Achill. Man und die Kanalinseln stehen unter besonderer Verwaltung und werden als «Islands in the British Seas» bezeichnet. (Hierzu Karte: Großbritannien und Irland.)
Geographisches. Die in Europa größte Inselgruppe liegt zwischen 60° 52' (Shetlandinseln) und 49° 45' (Scilly-Inseln) nördl. Br. und zwischen 10° 39' westl. und 1° 45' östl. L. von Greenwich. Die Hauptinsel, von Irland durch die Irische See (s. d.) getrennt, hat eine Längenausdehnung von 980 km, von dem Kap Duncansbay Head im NO. bis zu Rye in der engl. Grafschaft Kent, und die größte Breite von 630 km zwischen Kap Lands End (Grafschaft Cornwall) und North Foreland in Kent.
Die geringste Breite beträgt in Nordschottland zwischen Dornoch Firth und Loch Broom 38 ½ km, in Südschottland zwischen dem Clyde- und Forthbusen 40 ½ km und in Nordengland zwischen dem Solwaybusen und Tynemouth unweit Newcastle [* 48] 103,6 km. Die Lage der Gruppe ist für die maritime Entwicklung absolut günstig. Großbritannien u. I. liegt im Mittelpunkt der Landhalbkugel der Erde, als vorgeschobener Posten Europas, ungefähr gleich weit entfernt von Skandinavien und von der Pyrenäischen Halbinsel, von Frankreich nur durch den Kanal getrennt und im W. dem freien Ocean zugewandt. Die insulare Lage gestattete eine eigenartige, ungestörte Entwicklung, die Küsten- und Hafenbildung begünstigt Schiffahrt und Handel, der Kohlenreichtum die Industrie, und seit dem Zeitalter der Entdeckungen hat sich das Inselreich zum Herrn des größten Kolonialgebietes aufgeschwungen, das in allen Erdteilen bis zu den Antipoden Englands hin (Neuseeland) die wertvollsten Länder umfaßt.
Im allgemeinen ist England ein Hügelland, Schottland ein Hochland und Irland ein Flachland;
doch hat England
im westl. Teile bedeutendere Gebirgshöhen. Der höchste Punkt des Königreichs ist der Ben Nevis (1343 m) in Schottland; in
England ist der höchste Punkt der Scawfell Pike (984 m); in Wales der Snowdon (1094 m) und in Irland Carrantuo Hill (1041 m).
Die Bodenerhebung bringt es mit sich, daß fast alle Flüsse in Großbritannien, wenn auch einen kurzen
Lauf, so doch gehörige Tiefe haben und schon von selbst und noch mehr durch menschliche Hilfe schiffbar sind; die gewöhnlich
bedeutend erweiterten Mündungen bilden natürliche Häfen. So kommt es, daß Großbritannien u. I. weit mehr Häfen aufweisen als
Frankreich an seiner atlantischen Küste; es finden sich dort gegen 100 größere Häfen für Kriegsschiffe und Handelsschiffe
ersten Ranges und außerdem gegen 500 Reeden. Unter den Flüssen ist der Shannon in Irland der längste, in Großbritannien
aber die Themse der wichtigste und der Tay der wasserreichste. Verhältnismäßig größer sind die Seen;
der allergrößte ist Lough Neagh in Nordirland, in Großbritannien ist der größte Loch Lomond in Schottland.
Alles Nähere über Oberflächengestaltung, Gewässer, Geologisches, Klima, Pflanzen- und ¶
mehr
Tierwelt und Mineralogisches ist unter den Artikeln England, Schottland, Irland behandelt.
Bevölkerung. Volkszählungen fanden seit 1801 alle 10 Jahre statt, die des J. 1831 gab zuerst umfassende Angaben für das ganze Königreich. 1891 waren die Ergebnisse folgende:
Landesteile | Einwohner 1891 | Einw. auf 1 qkm | Zunahme in Proz. gegen 1881 | Anteil an der Gesamtbevölkerung in Prozent |
---|---|---|---|---|
England | 27482104 | 208 | ) | 72,6 |
}11,65 | ||||
Wales | 1518914 | 79 | ) | 4,1 |
Schottland | 4025647 | 51 | 7,76 | 10,6 |
Irland | 4704750 | 56 | -9,1 | 12,4 |
Insel Man | 55598 | 94 | ) | 0,1 |
}4,7 | ||||
Kanalinseln | 92272 | 471 | ) | 0,2 |
^[Additionslinie]
Vereinigtes Königreich | 37879285 | 120 | 8,17 | 100,0 |
---|---|---|---|---|
Die Zunahme ist, wenn man von Irland mit seinem seit 1841 stetigen Rückgänge absieht, seit 40 Jahren fast gleichmäßig. 1841 lebten in England 55,4, in Wales 3,4, in Schottland 9,7, in Irland 30,2, auf Man und den Kanalinseln (einschließlich der abwesenden Seeleute) 11 Proz. der Gesamtbevölkerung. Die Verteilung 1891 zeigt, daß Wales und Schottland nur wenig zugenommen haben, nämlich 0,7 und 0,9 Proz., daß aber der Verlust in Irland, welcher fast 18 Proz. beträgt, durch die starke Zunahme in England (17,2 Proz.) ausgeglichen wird.
England ist nächst Belgien [* 50] das dichtbevölkertste Land der Erde. (S. Bevölkerung, Bd. 3, S. 925 b), und England, Bd. 6, S. 121.) Die Grafschaft Lancashire (803 E. auf 1 qkm) übertrifft den dichtesten deutschen Industriebezirk, den nur wenig größern Reg.-Bez. Düsseldorf [* 51] (361 E. auf 1 qkm) ganz bedeutend. In England, Schottland und Irland sind aber die Verhältnisse im einzelnen sehr verschieden (s. die Einzelartikel). In keinem Lande lebt ein verhältnismäßig so großer Teil der Einwohner in Städten wie in Großbritannien u. I.; auch besitzt kein Land so viele große Städte, und in keinem, die Vereinigten Staaten von Amerika [* 52] ausgenommen, weisen dieselben ein so überaus schnelles Wachstum auf. Dies gilt vor allem von England, das allein 62 Städte mit über 50000 E. zählt. In Städten von über 10000 E. des Vereinigten Königreichs wohnen weit über 50 Proz. der Gesamtbevölkerung.
Die Großstädte sind unter den Artikeln England, Schottland, Irland aufgezählt, wo auch die Verteilung auf die einzelnen Grafschaften (Counties oder Shires) zu ersehen ist. Folgende Übersicht giebt die Einteilung in Divisionen bez. Provinzen an.
I. England.
Divisions | qkm | Bewohnte Häuser | Einwohner | Einw. auf 1 qkm |
---|---|---|---|---|
London | 2696 | 553764 | 4211056 | 1562 |
South-Eastern | 13874 | 539769 | 2867476 | 206 |
South-Midland | 12323 | 374455 | 1863666 | 151 |
Eastern | 13302 | 323096 | 1575260 | 118 |
South-Western | 20486 | 383709 | 1908934 | 93 |
West-Midland | 15977 | 649744 | 3244634 | 203 |
North-Midland | 14410 | 380825 | 1806089 | 125 |
North-Western | 7548 | 912571 | 4665916 | 618 |
Yorkshire | 15712 | 675319 | 3218747 | 204 |
Northern | 13795 | 316569 | 1863120 | 135 |
Welsh | 20567 | 350655 | 1776120 | 86 |
II. Schottland.
Divisions | qkm | Bewohnte Häuser | Einwohner | Einw. auf 1 qkm |
---|---|---|---|---|
Northern | 9152 | 24135 | 118250 | 12 |
North-Western | 19180 | 33790 | 163757 | 8 |
North-Eastern | 9815 | 87303 | 433551 | 44 |
East-Midland | 10702 | 133543 | 628964 | 58 |
West-Midland | 10919 | 62926 | 314862 | 28 |
South-Western | 5634 | 312881 | 1560931 | 277 |
South-Eastern | 4802 | 118680 | 609487 | 126 |
Southern | 8387 | 41186 | 203301 | 24 |
III. Irland.
Provinzen | qkm | Bewohnte Häuser | Einwohner | Einw. auf 1 qkm |
---|---|---|---|---|
Leinster | 19735 | 209485 | 903499 | 45 |
Munster | 24554 | 202627 | 998571 | 40 |
Ulster | 22188 | 326391 | 1298324 | 58 |
Connaught | 17773 | 134166 | 706631 | 39 |
Nach dem Geschlecht wurden 1891 gezählt (ohne Man und Kanalinseln) 18312288 männl. und 19419125 weibl. Personen, d. i. 106 Frauen auf 100 Männer. Obgleich mehr Knaben geboren werden, überwiegt das weibliche Geschlecht infolge der höhern Sterblichkeitsziffer der Männer.
Der Abstammung nach zerfällt die Bevölkerung in zwei große Stämme, den germanischen und den keltischen. Der letztere, der jetzt völlig unterjochte und zurücktretende, ist der ältere. Er besteht aus zwei einander nahe zu rückenden Familien, der der Kymren oder Briten und der der Ersen oder Gaelen. Die Waliser und die Bewohner von Cornwall gehören der erstern kelt. Familie an; sie haben ihre Verwandten in der Bretagne. Die gaelische Familie zerfällt in die beiden Zweige der Ersen in Irland und der Gaelen in Schottland, auf der Insel Man und den Hebriden.
Die überwiegende Mehrheit bilden die german. Engländer. Zunächst hervorgegangen nach dem Sturze der Römerherrschaft aus der Mischung von Angelsachsen und Skandinaviern, sind sie weiterhin mit den franz. Normannen versetzt worden. Die Teilung des Volks in zwei Stämme beeinflußt jedoch nicht das Nationalgefühl, das neuerlich in den kleinern Abteilungen des Vereinigten Königreichs an Stärke zugenommen hat. So empfinden die germanischen, englisch redenden Bewohner von Südschottland (Flachländer) das geschichtliche Band [* 53] der nationalen Vereinigung mit den gaelisch redenden Hochländern mächtiger als das ethnogr. Band, das sie mit den german. Einwohnern Nordenglands verbindet. Dieses Nationalgefühl muß recht gewürdigt werden, wenn man sowohl die Geschichte als auch die Politik des Vereinigten Königreichs verstehen will.
Muttersprache. Nach der Zählung von 1881 sprachen in den brit. Inseln 2067359 keltisch, davon 950000 oder 70 Proz. der Bevölkerung in Wales und Monmouthshire kymrisch. In Schottland sprachen (1891) 6,32 Proz. gaelisch, darunter waren 210677 oder 5,23 Proz., die auch englisch sprachen. In Irland sprechen 81 Proz. nur irisch, 13,65 Proz. auch englisch.
Die einzelnen Nationalitäten sind nicht auf die nach ihnen benannten Länder beschränkt. In neuerer Zeit sind Tausende von Irländern in England ¶
mehr
eingewandert. Von 1841 bis 1851 stieg dort die Zahl der in Irland Geborenen von 289404 auf 519869, und 1881 auf 562374, wobei die Nachkommen dieser Irländer ausgeschlossen sind, da der Census nur den Geburtsort berücksichtigt. 1891 sind wieder 4142 Iren in Großbritannien eingewandert. Schotten lebten 253528 in England und Wales. In Schottland lebten (1881) 218745 Irländer, 90017 Engländer, 1806 Waliser und 949 in Man und Kanalinseln Geborene. In Irland lebten 69382 in England oder Wales Geborene und 22328 Schotten. In Großbritannien lebten (1881) 107273 in brit. Kolonien und 62842 im Auslande Geborene; in Schottland 12874 und 6469. In England und Wales waren (1881) 118031 fremder Abstammung, darunter 37301 Deutsche, [* 55] 17767 aus den Vereinigten Staaten, 14596 Franzosen, 10679 Holländer, 6504 Italiener, 4089 Schweizer, 3789 Russen, 3203 Norweger, 2462 Belgier u. s. w. In Schottland waren (1881) 6409 Ausländer, darunter 2143 Deutsche, 469 Franzosen, 328 Italiener u. s. w. In Irland lebten 19535 Ausländer, darunter 7034 Amerikaner, 1129 Franzosen, 927 Deutsche, 357 Italiener u. s. w. Die Zahl der im Vereinigten Königreich Geborenen, aber im Auslande Lebenden belief sich (1881) auf 2881167, darunter 2772169 in den Vereinigten Staaten (meist nicht mehr brit. Unterthanen), 36447 in Frankreich, 11139 in Deutschland, 7230 in Italien [* 56] u. s. w. Die brit. Bevölkerung Ostindiens betrug 1871: 64061, 1891: 100511 Köpfe.
Bezüglich der Einteilung nach dem Beruf bestand (1831) das Verhältnis in folgender Weise: 31,51 Proz. beschäftigen sich mit Ackerbau, 39,65 mit Handel, Manufaktur und Fabrikation, mit sonstigem 28,84. Es wendeten sich aber in den folgenden Jahren immer mehr Kräfte dem Handel und der Industrie zu, sodaß bereits 1841 die Prozente 25,93, 43,53 und 30,54 betrugen. Diese Tendenz ist seitdem bei jeder Volkszählung wieder hervorgetreten. Die Zählung von 1881 für England und Schottland, von 1891 für Irland ergab Folgendes:
Berufsgruppen | England Insgesamt | Weiblich | Schottland Insgesamt | Weiblich | Irland Insgesamt | Weiblich | Vereinigtes Königreich Insgesamt |
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Höhere Berufe | 647075 | 196120 | 96103 | 30604 | 214243 | 75272 | 941862 |
Häusliche Dienstleistung | 1803810 | 1545302 | 176565 | 151273 | 255144 | 220654 | 2406536 |
Handelsgewerbe | 980128 | 19467 | 132126 | 5383 | 83173 | 2161 | 1184499 |
Landwirtschaft | 1383184 | 64840 | 269537 | 54322 | 936759 | 91068 | 2650677 |
Industrie | 6373367 | 1578189 | 932653 | 256689 | 656410 | 252255 | 7997529 |
Unbestimmt u. unproduktiv | 14786875 | 9930619 | 2128589 | 1437827 | 2559021 | 1744387 | 19793745 |
^[Additionslinie]
Zusammen | 25974439 | 13334537 | 3735573 | 1936098 | 4704750 | 2385797 | 34974848 |
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Unter den in der Industrie Thätigen waren 1499577 mit Gewinnung und Bearbeitung von Mineralien [* 57] (England 1277592, Schottland 181161, Irland 40824) beschäftigt, 1385302 mit der Textilindustrie (1053648, 201867, 129787), 313034 mit der Fabrikation von Maschinen, Werkzeugen u. s. w. (267976, 38600, 6458), 209106 mit Bearbeitung von Pflanzenstoffen (166745, 30682, 11679), von Tierstoffen 78107 (68202, 6678, 3227), von Chemikalien u. s. w. 50371 (43015, 6038, 1318) u. s. w.
Die Teilung der Bevölkerung nach Ständen ist tief mit der brit. Verfassung verwachsen und hat hier eine ganz andere Bedeutung als anderwärts. Dem Gesetz nach giebt es nur zwei Stände: die «Peers» und die «Gemeinen» (Commoners). Die erstern bestehen aus dem Adel über dem Baronetrang und genießen einige kleine Vorrechte, deren hauptsächlichste die Freiheit von Haft in Civilsachen ist und das Recht, in Fällen von Verrat (treason) und schweren Verbrechen (felony) nur von ihresgleichen gerichtet zu werden. Alle andern Personen sind «Gemeine». Auch die Söhne des höchsten Adels sind Commoners und können, wie auch häufig geschieht, Mitglieder des Unterhauses werden. Viel tiefer geht die sociale Einteilung, und sie drückt dem brit. Staat einen von der Nordamerikanischen Union vollkommen verschiedenen Charakter auf.
Bedeutungsvolle polit. Änderungen in der Einteilung der Bevölkerung wurden durch die Reformbills von 1867 und 1884 bewirkt. Die erstere vermehrte mittels der Einführung des Haushalterstimmrechts in die Boroughs die Zahl der Parlamentswähler von 1056659 auf 2012631, die zweite dehnte dasselbe Recht auf die Grafschaften aus, stellte die drei Königreiche auf gleichen Fuß hinsichtlich der Wahlberechtigungen und erhöhte die Zahl der Wähler um beinahe drei Millionen. Die Zahl der Wahlberechtigten betrug 1892: 4539873 für England, 270358 für Wales, 606403 für Schottland, 744816 für Irland, insgesamt 6161456, d. i. durchschnittlich 9059 Wähler auf 1 Abgeordneten.
Die Bewegung der Bevölkerung für das J. 1891 ergiebt sich aus folgender Übersicht:
Länder | Geburten | Darunter uneheliche | Todesfälle | Eheschließungen |
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England | 913836 | 38781 | 587666 | 226025 |
Schottland | 125965 | 9537 | 83548 | 27949 |
Irland | 107883 | 2900 | 86053 | 21421 |
^[Additionslinie]
Zusammen | 1147684 | 51218 | 757267 | 275395 |
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Das Verhältnis der unehelichen zu den ehelichen Geburten stellt sich demnach in England auf 4,2, in Schottland auf 7,6, in Irland (1890) auf 2,7 Proz. Die höchste Ziffer erreicht die schott. Grafschaft Wigtown mit 16 Proz., die niedrigste die irische Provinz Connaught mit 0,8 Proz.; in England steht Norfolk mit 6,5 Proz. an der Spitze.
Bedeutende Verluste erleidet die Bevölkerung durch die Auswanderung. 1815 verließen nur 2081 Personen die Heimat. Seitdem ist die Zahl schnell und ständig gestiegen. Von 1815 bis 1852 wanderten 3463592, von 1853 bis 1889 6903850 aus (s. Auswanderung, Bd. 2, S. 185 a). 1892 wurden in brit. Häfen überhaupt 321379 Auswanderer gezählt, darunter 210042 Briten; 41638 gingen nach Britisch-Nordamerika, 235221 nach den Vereinigten Staaten, 16183 nach Australien, [* 58] 11641 nach Südafrika. [* 59] Mehr als die Hälfte der ¶