Die Kranken halten sich für vornehme
Personen,
Fürsten,
Könige, für
Heroen der Gegenwart oder Vergangenheit, für
Propheten
oder höhere, mit göttlicher Vollkommenheit ausgerüstete
Wesen. Sie versichern, daß sie zu den unglaublichsten Leistungen
auf allen Gebieten des
Geistes und der Körperthätigkeit befähigt seien, daß sie ungeheureSchätze,
Legionen von
Soldaten etc. zu ihrer
Verfügung haben, daß ihnen nichts unmöglich oder zu schwer zu erfüllen sei.
Später gehen
diese
Wahnideen immer mehr ins Läppische über und enden unter körperlichen Lähmungserscheinungen schließlich mit ausgesprochenem
unheilbaren
Blödsinn.
Wahnideen mit dem Inhalt der Selbstüberschätzung bezüglich Vermögen, socialer Stellung, Körper- und
Geisteskraft, kommt bei verschiedenen Geisteskrankheiten vor, bildet also wissenschaftlich betrachtet keine Krankheit für
sich, sondern nur ein Symptom. Größenwahn tritt in mehrern Formen auf, deren Unterscheidung praktisch wichtig ist, insofern als
die einen auf ein tieferes, unheilbares Leiden,
[* 2] die andern auf leichtere Störungen des Gehirns hinweisen. In mehr bescheidener,
innerhalb der Grenzen
[* 3] des Möglichen sich haltender Weise tritt Größenwahn auf bei der einfachen heilbaren krankhaften Hirnreizung,
die «Manie» genannt wird: die Kranken bezeichnen sich in mehr allegorischem Sinne als Generale, Könige u. s. w.,
ohne diesen wechselnden Einfällen größeres Gewicht beizulegen;
in völlig sinnloser, alles Mögliche überschreitender
Form tritt der Größenwahn auf bei der sog. «Hirnerweichung»
(s. Progressive Paralyse der Irren), wo die Kranken sich für den Weltkaiser, Obergott, Weltbetriebsdirektor u. dgl. m. ausgeben,
Millionen Jahre alt zu sein behaupten, jeden noch so geringfügigen Dienst eventuell mit Milliarden belohnen,
dabei aber fortwährend die specielle Ausdrucksweise ihrer Selbstüberschätzung ändern und sich in den größten Widersprüchen
bewegen, ohne es zu bemerken.
Ein ähnlicher Größenwahn findet sich auch bei vorübergehenden Hirnreizzuständen an sich schwachsinniger
Personen, ohne indes jene Mannigfaltigkeit der Phantasieprodukte zu zeigen. Endlich bildet der Größenwahn auch
ein häufiges Symptom der sog. chronischen Verrücktheit, wo Jahrzehnte hindurch eine und dieselbe Größenidee
(«fixe Idee») festgehalten wird (bald religiösen Inhalts, z. B. Christus zu sein, bald politischen, z. B. ein Königskind zu
sein, u. s. w.). Hier verarbeitet der Kranke in logischer Weise allerhand wahnhafte Wahrnehmungen wie überhaupt alle seine
Gedanken zu einem Wahnsystem, sodaß er die Widersprüche seiner wirklichen und seiner
eingebildeten Stellung
in subjektiv befriedigender Weise beseitigt.
Wenn hier, wie dies meist der Fall, gleichzeitig Verfolgungswahnsinn vorhanden ist, so wird auch dieser in das Wahnsystem
einbezogen, und der Kranke erklärt sich für verfolgt, weil er eine besonders ausgezeichnete Person (beiseite
gebrachter Thronerbe u. s. w.) sei, an deren Vernichtung andere Interesse haben. Die Größenideen
sind hier tiefe Überzeugungssache, weshalb sich die Kranken vielfach auch in ihrem ganzen äußern Benehmen dem entsprechend
geben. Die letztgenannte Form von Größenwahn ist ebenso wie der bei «Hirnerweichung»
vorkommende Größenwahn unheilbar, nur tritt bei letzterer viel früher ein tödlicher Ausgang
des Leidens ein, während die Verrücktheit mit Größenwahn die Lebensdaueran sich nicht beeinflußt.