Gringore
(spr. gränggor, auch Gringoire),
Pierre, franz. Dichter, geb. 1475 zu
Caen, durchstreifte
Europa,
[* 2] besonders
Italien,
[* 3] ließ sich
ca. 1502 in
Paris
[* 4] nieder und trat der
Gesellschaft der
Enfants-sans-soucy bei, einer Art
Karnevalsgesellschaft, die zur
Darstellung von
Possen (sotties) privilegiert war, und in welcher Gringore
nächst dem Narrenkönig
die Hauptperson (mère-sotte) darstellte und die
Funktionen eines
Regisseurs und Theaterdichters versah. Als
solcher dichtete er nach und nach eine
Menge teils allegorischer, teils politischer Possenspiele, die ungeheuern Beifall fanden,
z. B. »Les folles entreprises«, »Les
abuz du monde« etc., und die Gedichte: »L'entreprise
des Vénitiens«, »La chasse du cerf des cerfs«
(Anspielung auf den
Papst, der sich servus servorum nannte), voll beißenden
Spottes auf die vornehmsten
Personen, vorzüglich auf die Feinde
Ludwigs XII.
Die interessanteste und wichtigste aller seiner
Possen ist aber die zur
Fastnacht 1511 in den
Hallen von
Paris (der
Bühne der
Enfants-sans-soucy) aufgeführte
Sottie
»Jeu et sothie du
Prince des Sotz«, die gegen den
Papst
Julius II. gerichtet war, und
an der
Ludwig XII. mitgearbeitet haben soll. An demselben
Tag gab er die »Moralité de l'Homme obstiné« (der
Papst) und die
zotige
»Farce de dire et de faire«. Hier zeigten sich seine lebhafte, witzige
Natur, sein trockner
Humor und seine Formgewandtheit
aufs glänzendste. Nach
Ludwigs
Tod zog Gringore
nach
Lothringen, dichtete nur noch für kirchliche
Zwecke und
starb 1547 als Waffenherold des
Herzogs von
Lothringen. Gringore
ist die Hauptfigur in einem
Lustspiel
Banvilles (1866). Seine Werke
wurden von Héricault und Montaiglon (Par. 1858 ff., 4 Bde.)
herausgegeben.
Vgl.
Picot,
Pierre Gringore
et les comédiens italiens sous
François I (Par. 1878).