Erst in seinen spätern Lebensjahren scheint er als Schriftsteller aufgetreten, dann aber auch um so thätiger
gewesen zu sein. Von seinen
Schriften fand die meiste Verbreitung der
oben genannte
Roman »Der abenteuerliche
Simplicissimus,
Teutsch, d. h. die
Beschreibung des
Lebens eines seltzamen
Vaganten, genannt Melchior Sternfels von Fuchshaim etc.«, der, sechs
Bücher umfassend, zu
Mömpelgard 1669 in drei
Ausgaben erschien. Dieses erst in neuerer Zeit richtig gewürdigte
Werk ist der lebensvollste
Roman der zweiten Hälfte des 17. Jahrh.; er erhob sich zu wirklich poetischer Bedeutung
durch die in ihm enthaltene
Fülle echter
Stimmung.
Schon der
Kontrast der Friedenssehnsucht in der
Seele des
Helden mit dem blutigen Soldatenleben und wilden Abenteurertum, durch
welches »Simplex« hindurchgetrieben wird, wirkt ergreifend.
Die treuen
Bilder des großen
Kriegs sowie der verwilderten deutschen
Gesellschaft nach dem
Krieg werden durch einen frischen
Humor erträglich, und neben aller Derbheit, ja Roheit leben in dem
Roman deutsches
Gemüt und das Verlangen nach dem
Idealen
und
Ewigen. Von den neuern
Ausgaben des Werkes sind die von A. v.
Keller für den Litterarischen
Verein in
Stuttgart
[* 5] besorgte (1852-62, 4 Bde.), die von H.
Kurz (in »Simplicianische
Schriften«, Leipz. 1863-64; mit litterarischen
Einleitungen
und Anmerkungen), von J.
^[Julius] Tittmann (2. Aufl., das. 1877, 2 Bde.)
und der von
Kögel besorgte Neudruck
(Halle
[* 6] 1880) hervorzuheben. Umarbeitungen erschienen von E. v.
Bülow
(Leipz. 1836, nur die fünf ersten
Bücher umfassend),
Lauckhard (das. 1876) und E. H.
Meyer
(Brem. 1876). Nicht so hoch wie
der
»Simplicissimus« standen Grimmelshausens übrige
Erzählungen: »Trutz Simplex oder
Lebensbeschreibung der Ertzbetrügerin
und Landstörtzerin Courasche«
(o. O. u. J., ungefähr 1669),
»Der seltzame Springinsfeld« (1670) und »Das
wunderbarliche Vogelnest«
(o. O. 1672; alle drei neu hrsg. von
Kurz in den »Simplicianischen
Schriften«
[s.
oben] und von Tittmann in »Simplicianische
Schriften«, Leipz. 1877, 2 Bde.).
Ihnen reihen sich verschiedene
Schriften satirischen
Charakters an, wie: »Schwarz und weiß oder die Satirische Pilgerin« (1666),
»Die verkehrte
Welt« (1673) u. a. Neben
diesen der volkstümlichen
Richtung angehörigen Werken versuchte sich auch im breit-redseligen und galanten Kunstroman seiner
Zeit; »Des vortrefflichen keuschen
Josephs in
Ägypten
[* 7] erbauliche
Lebensbeschreibung« (Nürnb. 1670),
»Dietwalds und Amelindens
anmutige
Lieb- und Leidsbeschreibung« (das. 1670) und »Des
durchlauchtigen
Prinzen Proximi und seiner ohnvergleichlichen Lympidä Liebesgeschichterzählung« (das.
1672) sind charakteristische Proben der aufgebauschten und leblosen Erzählungskunst jener
Tage. Eine Gesamtausgabe der
SchriftenGrimmelshausens erschien
Nürnberg
[* 8] 1683-1713 in 3 Teilen. Im J. 1879 wurde ihm zu
Renchen ein Denkmal in Form eines 6,5 m hohen
Obelisken aus blaurotem
Sandstein errichtet.
Hans Jak. Christoffel von, Schriftsteller, wurde um 1625 in Gelnhausen geboren, als zehnjähriger Knabe
von den Hessen
[* 9] geraubt und lernte nun alle Abenteuer und Fährnisse des wildesten Soldatenlebens in unmittelbarster Nähe
kennen. In dieser Zeit erwarb er sich auf Kreuz- und Querzügen jene Landes- und Volkskunde, jenen Blick
für das Typische und Charakteristische seiner Zeit, die in seiner spätern schriftstellerischen Thätigkeit so kräftig zur
Geltung kommen sollten. Nach dem Friedensschlusse hat er, so scheint es, mit großer Energie¶
mehr
durch emsiges Studium der alten und fremden Litteraturen seinen Erkenntniskreis, nicht zum Vorteil für seine litterar. Physiognomie,
zu erweitern sich bemüht. Ursprünglich Protestant, trat er zum Katholicismus über und wirkte lange Jahre in verschiedenen
Stellungen in den Diensten des StraßburgerBischofsEgon von Fürstenberg, seit 1665 als Schultheiß zu Renchen
in Baden, wo er starb. Ein Denkmal ward ihm daselbst errichtet. Als Schriftsteller seit 1659 thätig,
hat sich Grimmelshausen gerade in den Schriften, welche seinen Ruf begründeten, nie seines wahren Namens, sondern stets einer anagrammatischen
Form desselben bedient: Samuel Greifnson von Hirschfeld;
Michael Regulin von Sehmstorff u. a. Erst 1837 ward sein wirklicher Name durch H. Kurz
nachgewiesen.
Sein Hauptwerk, durch das er in der Litteratur fortlebt, «Der abenteuerliche SimplicissimusTeutsch, das ist:
Die Beschreibung des Lebens eines seltzamen Vaganten, genant Melchior Sternfels von Fuchshaim» (Mompelgart
1669), erschien unter dem NamenGermanSchleifheim von Sulsfort. Die Bedeutung dieses Werks, eines Ich-Romans, in den wohl auch
zweifellos autobiogr. Fragmente verflochten sind, beruht einerseits in dem Mut, mit dem der Verfasser dem Moderoman seiner
Zeit zum Trotz, Menschen und Dinge drastisch und derb zu schildern wagte, wie sie wirklich waren und lebten,
andernteils in der gelungenen dichterischen Gestaltung alles Gesehenen und Erlebten.
Aus diesen Gründen ist der Roman auch vom kulturhistor. Standpunkte aus eins der wertvollsten Dokumente aus der Zeit des Dreißigjährigen
Krieges. NeueAusgabenbesorgten O.L. B. Wolff (Lpz. 1848; 5. Aufl. 1876), Tittmann
(Bd. 7 u. 8 von «Deutsche
[* 11] Dichter des 17. Jahrh.», 2. Aufl.,
ebd. 1875),
Weitbrecht (2. Aufl., Lpz. 1890) u. a.
Um diesen Roman gruppieren sich mehrere kleinere, die sog. «simplicianischen»
Schriften, die in dieselben Sphären führen, aber über seltsamen Erfindungen nicht die packende Wahrhaftigkeit des Hauptwerks
erreichen: «Trutz Simplex» oder die «Landstörtzerin Courasche» (1669),
«Der seltzame Springinsfeld» (1670),
«Das Wunderbarliche
Vogelnest» (Tl. 1 u. 2, 1672). AndererArt ist eine Bearbeitung der biblischen Geschichte von «Joseph» (wahrscheinlich
zuerst 1667, dann mit einer Fortsetzung 1670),
die Novelle von «Dietwalt und Amelinde» (Nürnb.
1670),
sodann eine Anzahl satir. Schriften, gegen die Laster und Thorheiten der Zeit. Diese Thätigkeit beginnt mit dem «Fliegenden
Wandersmann nach dem Mond»,
[* 12] nach dem Französischen (1659); es folgen: die «Traumgesichte von mir und
dir» (1660),
«Schwartz und Weiß oder der Satyrische Pilgram» (1666),
«Der teutsche Michel» (1673) u. v. a. Eine Gesamtausgabe
seiner Schriften erschien zu Nürnberg (3 Tle., 1683-1713);