Grimmelshausen
,
Hans Jak. Christoffel von, Schriftsteller, wurde um 1625 in Gelnhausen [* 2] geboren, als zehnjähriger Knabe von den Hessen [* 3] geraubt und lernte nun alle Abenteuer und Fährnisse des wildesten Soldatenlebens in unmittelbarster Nähe kennen. In dieser Zeit erwarb er sich auf Kreuz- und Querzügen jene Landes- und Volkskunde, jenen Blick für das Typische und Charakteristische seiner Zeit, die in seiner spätern schriftstellerischen Thätigkeit so kräftig zur Geltung kommen sollten. Nach dem Friedensschlusse hat er, so scheint es, mit großer Energie ¶
mehr
durch emsiges Studium der alten und fremden Litteraturen seinen Erkenntniskreis, nicht zum Vorteil für seine litterar. Physiognomie,
zu erweitern sich bemüht. Ursprünglich Protestant, trat er zum Katholicismus über und wirkte lange Jahre in verschiedenen
Stellungen in den Diensten des Straßburger Bischofs Egon von Fürstenberg, seit 1665 als Schultheiß zu Renchen
in Baden,
[* 5] wo er starb. Ein Denkmal ward ihm daselbst errichtet. Als Schriftsteller seit 1659 thätig,
hat sich Grimmelshausen
gerade in den Schriften, welche seinen Ruf begründeten, nie seines wahren Namens, sondern stets einer anagrammatischen
Form desselben bedient: Samuel Greifnson von Hirschfeld;
German Schleifheim von Sulsfort;
Philarchus Grossus von Trommenheim;
Signeuer Meßmahl;
Michael Regulin von Sehmstorff u. a. Erst 1837 ward sein wirklicher Name durch H. Kurz nachgewiesen.
Sein Hauptwerk, durch das er in der Litteratur fortlebt, «Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch, das ist: Die Beschreibung des Lebens eines seltzamen Vaganten, genant Melchior Sternfels von Fuchshaim» (Mompelgart 1669), erschien unter dem Namen German Schleifheim von Sulsfort. Die Bedeutung dieses Werks, eines Ich-Romans, in den wohl auch zweifellos autobiogr. Fragmente verflochten sind, beruht einerseits in dem Mut, mit dem der Verfasser dem Moderoman seiner Zeit zum Trotz, Menschen und Dinge drastisch und derb zu schildern wagte, wie sie wirklich waren und lebten, andernteils in der gelungenen dichterischen Gestaltung alles Gesehenen und Erlebten.
Aus diesen Gründen ist der Roman auch vom kulturhistor. Standpunkte aus eins der wertvollsten Dokumente aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Neue Ausgaben besorgten O. L. B. Wolff (Lpz. 1848; 5. Aufl. 1876), Tittmann (Bd. 7 u. 8 von «Deutsche [* 6] Dichter des 17. Jahrh.», 2. Aufl., ebd. 1875),
F. Bobertag (in Kürschners «Deutscher Nationallitteratur»). Umarbeitungen, teils für das Volk, teils für die Jugend, lieferten E. von Bülow («Abenteuer des Simplicissimus», Lpz. 1836),
Lauckhard (ebd. 1876),
Weitbrecht (2. Aufl., Lpz. 1890) u. a. Um diesen Roman gruppieren sich mehrere kleinere, die sog. «simplicianischen» Schriften, die in dieselben Sphären führen, aber über seltsamen Erfindungen nicht die packende Wahrhaftigkeit des Hauptwerks erreichen: «Trutz Simplex» oder die «Landstörtzerin Courasche» (1669),
«Der seltzame Springinsfeld» (1670),
«Das Wunderbarliche Vogelnest» (Tl. 1 u. 2, 1672). Anderer Art ist eine Bearbeitung der biblischen Geschichte von «Joseph» (wahrscheinlich zuerst 1667, dann mit einer Fortsetzung 1670),
die Novelle von «Dietwalt und Amelinde» (Nürnb. 1670),
sodann eine Anzahl satir. Schriften, gegen die Laster und Thorheiten der Zeit. Diese Thätigkeit beginnt mit dem «Fliegenden Wandersmann nach dem Mond», [* 8] nach dem Französischen (1659); es folgen: die «Traumgesichte von mir und dir» (1660),
«Schwartz und Weiß oder der Satyrische Pilgram» (1666),
«Der teutsche Michel» (1673) u. v. a. Eine Gesamtausgabe seiner Schriften erschien zu Nürnberg [* 9] (3 Tle., 1683-1713);
der Simplicissimus und die simplicianischen Schriften wurden herausgegeben von A. von Keller (in der «Bibliothek des Litterarischen Vereins», 4 Bde., darin auch der «Joseph», Stuttg. 1852-62),
von H. Kurz (in der «Deutschen Bibliothek», Bd. 3-6, Lpz. 1863-64),
von Tittmann (als 7., 8., 10. u. 11. Bd. von «Deutsche Dichter des 17. Jahrh.», ebd. 1877),
von F. Bobertag (in Kürschners «Deutscher Nationallitteratur», Stuttg. 1883).