Titel
Griechenland
[* ] (Altgriechenland, hierzu die Karte »Altgriechenland«, mit Register), die europäische Halbinsel, welche im N., wo sie mit dem Festland zusammenhängt, von Makedonien und Illyrien, im O. und SO. vom Ägeischen und Myrtoischen, im W. und SW. vom Ionischen Meer umgeben ist, und deren größte Länge von N. nach S., von der makedonischen Grenze bis zum Tänarischen Vorgebirge (Kap Matapan), 415 km beträgt, während die Breite zwischen 237 u. 111 km wechselt, ja beim Korinthischen Isthmus auf 6 km herabsinkt.
Der Flächenraum der Halbinsel umfaßt nach der alten Begrenzung etwa 88,000 qkm (1600 QM.). Eine genaue Zahl läßt sich nicht angeben, da die nördlichen Grenzen von Epirus zu unbestimmt sind, dasselbe sogar den meisten Griechen für halb barbarisch und darum als nicht zu Hellas gehörig galt. Das Ganze zerfiel in drei Hauptteile: das nördliche Griechenland oder Epirus und Thessalien, welche die kompakteste Masse Landes bilden, während die beiden andern Teile durch Golfe und weit vorspringende Landspitzen vielfach gespalten sind;
Mittelgriechenland, nach römischem Sprachgebrauch vorzugsweise Hellas genannt, und der Peloponnes, die südliche Halbinsel, die nur durch den schmalen Korinthischen Isthmus mit Mittelgriechenland zusammenhängt.
Dazu kommen zahlreiche größere und kleinere Inseln, welche Griechenland auf allen Seiten umgeben, deren größere Menge jedoch im Ägeischen Meer zerstreut liegt. Die Griechen selbst nannten sich Hellenen und ihr Land Hellas, ursprünglich der Name einer später verschollenen Stadt und ihres Gebiets im südlichen Thessalien, später mehr eine ethnographische als eine geographische Bezeichnung für alle Länder griechischer Zunge in Griechenland selbst, Italien, Asien und Afrika, Die Benennung Graekoi (Graeci), welche die Römer für dieses Volk in Unteritalien vorfanden und annahmen, und woraus das heutige »Griechen« entstanden, ist wahrscheinlich die illyrische Bezeichnung für die Hellenen.
Übersicht des Inhalts (Altgriechenland): | |
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Bodenbeschaffenheit | S. 672 |
Gewässer | 674 |
Küstengliederung | 674 |
Landesteile | 675 |
Bodenerzeugnisse | 676 |
Bevölkerung | 676 |
Religion und Kultus | 677 |
Geistiges Leben | 680 |
Staatswesen | 680 |
Kriegswesen | 680 |
Gewerbe | 681 |
Häusliches Leben | 681 |
Geschichte von Altgriechenland | 682 |
Physische Verhältnisse.
[Bodenbeschaffenheit.]
Griechenland zeigt die größte Entwickelung und Gliederung von Land und Meer; es übertrifft darin ebensosehr alle andern großen Halbinseln Europas wie dieses die andern Kontinente. Diese Auflösung des Festlandes und gegenseitige Durchdringung von Land und Meer nimmt mit wachsender südlicher Breite zu und ist auf der Ostküste ausgeprägter als im W. Diese schon von Eratosthenes gerühmte Vielgestaltigkeit Griechenlands kehrt in den Richtungen der Gebirge wieder.
Während in Kleinasien und Spanien die ostwestliche, in Italien die nordsüdliche die ausschließlich herrschende ist, laufen hier die Kalkgebirge Illyriens von NW. nach SO., die Pindoskette von N. nach S., der Hämos, der Othrys, die Gebirge Mittelgriechenlands und Achaias von O. nach W. Ganz Epirus und Illyrien ist vorherrschend ein Bergland von geringer durchschnittlicher Erhebung und mit kleinen, vorgelagerten Küstenebenen. Seine größte Höhe erreicht es mit 3050 m im Skardos (Schar Dagh). Gegen S. schließt sich mittels des
Hellenische Volksstämme:
Aeolier
Dorier
Ionier
Makedonien A Bis zu den Perserkriegen. B Bis auf Philipp II.
Epiros
Attika
im doppelten Maßstabe der Hauptkarte.
Zum Artikel " (Alt-) Griechenland«.
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Boion die Pindoskette (zwischen 39 und 40° nördl. Br.) an, heute ohne gemeinsamen Namen, wesentlich aus Kalk bestehend, von rauher Natur, im heutigen Tsurnata und Budzikaki bis 2168 und 2160 m ansteigend. Epirus wird von einer Anzahl dem Boion und Pindos parallel streichender Ketten durchzogen, deren höchste das Keraunische Gebirge unmittelbar am Adriatischen Meer (bis 2045 m) ist, welches in das durch gefährliche Klippen und Stürme berüchtigte Vorgebirge Akrokeraunion (jetzt Kap Linguetta) ausläuft.
Eine ganz andre Form haben wir östlich vom Pindossystem: vulkanische Erscheinungen, Schiefer, Granit und Gneis. Dort liegen dem Pindos parallel die höchsten Erhebungen der ganzen Halbinsel, aber in kleine Gruppen zusammengedrängt und von tiefen Einsenkungen und Spalten unterbrochen. Zuerst der Olympos (jetzt Elymbos, 2985 m hoch), schon bei Homer der heilige und unnahbare Sitz der Götter, oben mit Schnee bedeckt, auf welchen weiter unten Tannen- und Laubwälder folgen.
Gegen N. trennt ihn ein nur 1560 m ansteigender Sattel, in der alten Kriegsgeschichte als Paß von Petra bekannt, vom Pieros (jetzt Flamburo, 1878 m), welcher durch die niedrigen, in ihren Pässen nur 820 m hohen Kambunischen Berge mit dem Pindos zusammenhängt. Es ergibt sich daraus, daß weder in Epirus noch in Thessalien von einer natürlichen gebirgigen Nordgrenze Griechenlands die Rede sein kann. Vielmehr ist das nördliche Thessalien von N. her so zugänglich, daß hier in Urzeiten nicht nur die Hellenen selbst eingewandert sind, sondern auch später Perser, Makedonier, Gallier, Römer etc. eindrangen, während das Land westlich vom Pindos von diesen Völkerstürmen unberührt blieb und bis heute seine alte illyrische Bevölkerung (die heutigen Albanesen) bewahrt hat.
Gegen S. trennt den Olympos vom Bergkegel des Ossa (heute Kissovo, 1953 m) das tief eingeschnittene, durch seine großartige Naturschönheit berühmte Thal Tempe. Südlich vom Ossa erhebt sich der 1620 m hohe, waldreiche Pelion (heute Plessidi). Südwestlich von ihm steigt der Othrys (jetzt ohne Gesamtnamen) im heutigen Hierakovuni bis 1728 m an und bildet die Wasserscheide zwischen den Stromgebieten des Peneios und Spercheios. So ist das vom Peneios durchströmte Thessalien ein rings von Bergen umschlossenes Thalbecken, welches durch eine von SW. nach NO. ziehende Kette wieder in zwei getrennte Kessel zerfällt: einen obern, wo Pharsalos und Trikka lagen, und einen untern, wo Larissa die größte Stadt war.
Die Gebirge Euböas und der Kykladen, wie Andros, Tenos, Mykonos, sind als Fortsetzung der Olymposerhebung anzusehen. An den Pindos schließt sich gegen S. ein sehr rauhes und wildes Bergland, das von den Dolopern, Ätoliern und Ötäern bewohnt war. Dort steigt in zwei Absätzen der Tymphrestos (Veluchi) bis 2319 m empor, ferner die Ötäischen Berge, zu denen der Pyra (heute Katavothra, 2152 m) gehört, die Stätte, wo sich Herakles der Sage nach verbrannte, dann der ätolische Korax (Vardusia, 2495 m) und eine große Zahl von Gipfeln, deren alte Namen uns nicht überliefert sind.
Westlich davon liegen die fast selbständigen Gruppen des Arakynthos (Zygos, 955 m), welcher das ätolische Seebecken von der Küstenebene trennt, und jenseit des Acheloos die Berge des nördlichen Akarnanien (bis 1490 m hoch). Die Fortsetzung des Öta bilden gegen W. der Kallidromos (Saromata, 1370 m), dessen nördlicher Abfall mit dem Malischen Meerbusen den berühmten Engpaß der Thermopylen gebildet hat (jetzt durch die Anschwemmungen des Spercheios verschwunden), und der Knemis (Spartia, 930 m), welche beiden Gebirge mit dem Parnassos und Helikon die zwischen Phokis und Böotien geteilte Ebene des Kephisos einschließen.
Der Parnassos (jetzt Liakura) steigt im Lykorea (noch heute Lykeri) bis 2450 m, der Musenberg. Helikon (Paläo-Vuno) bis 1749 m an. Eine tiefe Einsenkung trennt letztern vom westöstlich ziehenden Kithäron (Elateas, 1410 m) und seiner Fortsetzung, dem einst wildreichen Parnes (Ozea, 1413 m), mit welchem der marmorberühmte Brilessos oder Pentelikos (Mendeli, 1110 m) nur schwachen Zusammenhang hat. Ganz abgesondert davon erhebt sich südwestlich von Athen der kräuter- und honigreiche Hymettos (Trelovuno, 1027 m), das Lauriongebirge (357 m) an der Südspitze Attikas, welche in das Vorgebirge Sunion (Kap Kolonnäs) ausläuft, wie auch die Geranischen Berge (Makryplagi, 1370 m) auf der politischen Grenze zwischen Megara und Korinth, zwischen Mittelgriechenland und dem Peloponnes. Letztere treten so nahe an den Saronischen Meerbusen (Golf von Ägina) heran, daß sie nur für einen schmalen Saumpfad, die Skironischen Felsen (Kakiskala), Raum lassen, den erst Hadrian durch mächtige, jetzt wieder zerfallene Unterbauten verbreiterte. Gegen S. folgt die tiefe Senkung des Isthmus von Korinth, in der Mitte 70 m hoch, 6 km breit, über welchen auf einer breiten Fahrbahn (Diolkos) Waren und selbst kleinere Schiffe gezogen wurden. - Den Peloponnes durchziehen drei parallele Gebirgsketten ungefähr von N. nach S., nördlich davon eine in ostwestlicher Richtung.
Die Mitte der Halbinsel nimmt das Hochland Arkadien ein, abgeschlossen in sich und gegen außen, die natürliche Festung des Peloponnes. Am meisten ragen seine Grenzgebirge im N. auf, wo der Kyllene (Zyria) 2374 m Hohe erreicht. An ihn schließen sich, durch Einschnitte voneinander getrennt, westlich das Aroanische Gebirge (Chelmos, 2355 m) und der Erymanthos (Olonos, 2224 m); gegen O. die Berge von Sikyon, Korinth (Akrokorinthos, 575 m hoch, Griechenlands stärkste Festung) und der Argolischen Halbinsel, wie der Arachnäos (Hag Ilias, 1199 m), der Koryphäos (671 m), der Thornax (340 m) u. a. Dem Erymanthos ist nördlich der Panachaikos (Voidia, 1927 m) vorgelagert.
Die östliche Kette Arkadiens ist weniger hoch (12-1600 m), mit niedrigen Pässen, weshalb hier der Verkehr stärker war und ist als im N. In der südlichen Fortsetzung dieser Kette liegt der Parnon (Malevo, 1957 m), dessen Namen man verallgemeinernd meist auf die ganze Kette überträgt. Gegen W., wo die gesamten Gewässer des Landes, zum Alpheios vereinigt, in einem leicht passierbaren Thal durchbrechen, ist Arkadien am leichtesten zugänglich. Dort schließen sich an den Erymanthos im S. das Pholoegebirge, das sich plateauartig nach Elis hineinzieht, und jenseit des Alpheiosthals die Grenzgebirge zwischen Elis, Arkadien und Messenien: Minthe (Alvena, 1222 m), Kotylios (1346 m), Lykäos (Diaphorti, 1420 m) etc. Das so umschlossene Arkadien ist aber keineswegs eine zusammenhängende Hochebene, sondern abwechselnd Berg- und Thalland;
so erhebt sich ziemlich in seiner Mitte der 1850 m hohe Mänalos (Apanokrepa), während daneben eine Anzahl fruchtbarer Ebenen, wie die von Tegea, Mantineia, Orchomenos, Megalopolis, im Altertum ebenso viele politische Einheiten bildeten.
Die Messenischen Berge (bis 1391 m) liegen abgesondert im SO. (unter ihnen ist lediglich der Fels
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Ithome, 802 m, berühmt); dagegen bildet der mächtige Taygetos (Pentedaktylon, 2409 m), die im Vorgebirge Tänaron (Kap Matapan) auslaufende Grenzscheide zwischen Lakonien und Messenien, die südliche Fortsetzung des arkadischen Hochlandes.
[Gewässer.]
Die Flüsse Griechenlands können wegen seiner eigentümlichen Bodengestaltung nur von geringer Bedeutung sein. Die meisten haben nur einen kurzen Lauf und starken Fall und sind daher auch nicht schiffbar; viele vertrocknen im Sommer und erscheinen nur im Winter als reißende Gießbäche. So im Altertum wie noch heute. Nur in seinem Oberlauf gehört der epirotische Aoos (heute Viosa oder Vovusa) an; gerade entgegengesetzt strömt der Arachthos (Arta), nahe dem vorigen entspringend und in den Ambrakischen Meerbusen mündend.
Zwischen beiden münden der Thyamis (Kalamas) und der Acheron (heute Phanariotikos). Vom Pindos kommt der bedeutendste Fluß Griechenlands, der Acheloos (heute dem Megdova und dem Unterlauf des Aspropotamo entsprechend), mit seinem Nebenfluß Inachos (dem Oberlauf des Aspropotamo), beide in der Geschichte wenig bedeutend, ebenso wie der etwas östlicher fließende Euenos (Phidari) in Ätolien. Auf der Ostseite des Pindos hat der Peneios (jetzt Selamvria) seinen Ursprung. Er durchströmt im Bogen Thessalien, bis er sich durch das Tempethal in das Ägeische Meer ergießt.
Unter seinen zahlreichen Nebenflüssen sind der Enipeus (Tsanarli) und der Europos (Xeragi) die bedeutendsten. Vom Thymphrestos fließt nach O. der Spercheios dem Malischen Meerbusen zu. Der Hauptfluß Böotiens, der Kephisos (Mavronero), hat seine Quellen am Öta und Parnassos, durchfließt den Sumpfsee Kopais (Topolias), der im Sommer fast ganz trocken lag und reiche Ernten trug, und ergießt sich nach zweistündigem unterirdischen Lauf in das Euböische Meer.
Unweit westlich des Kopais liegen der See Trephia (Paralimni) und der See von Hyle (Likeri), in den die Bäche von Theben und Thespiä, der Ismenos und Thespios, sich ergießen. Südlich davon, unweit der Grenze von Attika, fließt der Asopos (Vuriendi). Die Ebene zwischen Hymettos und Parnes, auf welcher Athen liegt, wird von den Bächen Kephisos (Podoniphti) und Ilissos durchschnitten. Unter den Flüssen des Peloponnes hatte das größte Flußgebiet der Alpheios (Ruphia), der, im S. von Arkadien entspringend, sich westwärts nach Elis wendet und westlich von Olympia in das Ionische Meer mündet.
Nicht weit von seinen Quellen befinden sich auch die des Eurotas (jetzt Iri), des Hauptflusses von Lakonien. Sein größter Zufluß, der Önos, mündet etwas oberhalb Sparta. Der Hauptfluß Messeniens ist der wasserreiche und breite Pamisos (jetzt Mavrozumena oder Pirnatza), der in den Messenischen Golf ausmündet. Der Nordrand des Peloponnes ist von einer Menge kleiner Küstenflüsse bewässert, die im Sommer meist versiegen. Ein Nebenfluß des Krathis (Akrata) ist der Styx (jetzt Mavronero), der bei Nonakris von einer hohen Felswand des Akroanischen Gebirges herabstürzt, und dessen Wasser für tödlich galt. Unweit davon liegt im nördlichen Arkadien das Thal von Stymphalos, in welchem sich im Winter ein See zu bilden pflegte, an den die Mythe die stymphalischen Vögel (s. d.) versetzt. Der Lernäische Sumpf, wo Herakles die Hyder erlegte, befand sich südlich von Agos am Meeresufer. Die Landschaft Argolis ist überhaupt wasserarm; von den Gebirgs- und Waldbächen der Gegend ist der bekannteste der Inachos (Panitsa) bei der Stadt Argos.
[Küstengliederung.]
Im O. Griechenlands breitet sich das große Wasserbecken des Ägeischen Meers (Archipelagos) aus, dessen Gestade, Halbinseln und Inseln fast insgesamt im Altertum von Griechen besetzt waren, wie sie es teilweise heute noch sind. Nur an seiner Nordküste und im äußersten Südosten saßen nichtgriechische Völkerschaften, dort Thraker, hier Karer. Es ist recht eigentlich ein griechisches Meer; es trennt nicht die Stammesgenossen hüben und drüben, sondern vereint sie vielmehr und leitete einst naturgemäß die Hellenen an die Westküste Kleinasiens.
Denn nirgends gibt es einen Punkt auf diesem Meer, wo man das Land ganz aus den Augen verlöre; stets lockte eine neue Insel, ein neues Vorgebirge zu weiterm Vordringen. Einzelne Teile desselben trugen besondere Namen, wie der Pagasäische Meerbusen (Golf von Volos), den die Sage zum Ausgangspunkt des Argonautenzugs macht, zwischen der Halbinsel Magnesia und dem Festland von Thessalien;
der Malische Busen (Golf von Zituni), welcher den Sperchios aufnimmt;
der Euböische Busen zwischen Euböa und der lokrisch-böotischen Küste (heute Golf von Talanti);
der Euripos, des vorigen schmälste und darum überbrückte Stelle bei der Stadt Chalkis, Aulis gegenüber, von wo Homer die Griechen ihren Zug gegen Troja antreten läßt.
Über die Insel Euböa selbst s. Euböa. Das Meer südlich von letzterer Insel und Attika hieß das Myrtoische, von der kleinen Insel Myrto, das Strabon vom Ägeischen als eignes Meer trennt. Vom Kap Sunion westwärts begann der Saronische Meerbusen (Golf von Ägina), der wiederum mehrere kleinere Golfe, den Eleusinischen, Salaminischen und Epidaurischen, bildet. Die Küsten dieses Busens sind reich an Hafenplätzen, unter denen vor allen der Hafen von Athen, der Piräeus, und neben ihm die jetzt versandeten Buchten von Phaleron und Munychia zu nennen sind.
Besondere Aufmerksamkeit verdienen auch die im Saronischen Golf zerstreuten Inseln, von denen Ägina, durch Handel in alter Zeit blühend, das schlachtberühmte Salamis und das felsige Kalauria (Poros) mit seinem Poseidontempel die bedeutendsten sind. Um das Vorgebirge Skylläon, den östlichsten Ausläufer der Argolischen Halbinsel, gelangt man in den Golf von Hermione, vor welchem mehrere Felseninseln liegen, deren größte Hydrea (Hydra) ist. Zwischen Argolis und Lakonien liegt der Argolische Busen (Golf von Nauplia).
Der Teil des Ägeischen Meers unmittelbar nördlich von der größten aller griechischen Inseln, Kreta, trägt von derselben den Namen. Nördlich davon liegen die beiden großen Inselgruppen des Ägeischen Meers, deren eine die Alten Kykladen (s. d.), weil sie nach ihrer Ansicht im Kreis um die Insel Delos herumliegen, die andre aber Sporaden (s. d.) nannten, welche letztern man zu Asien rechnet. Auf der Südseite des Peloponnes befinden sich zwei große Meerbusen, der Lakonische und der Messenische. Zu ersterm gelangt man von O. her um das gefährliche Vorgebirge Malea. An guten Häfen ist die Südseite Lakoniens und Messeniens arm; auch Inseln finden sich an ihr wenige.
Die größte und wichtigste ist Kythera (jetzt Cerigo), Malea gegenüber. Das Kap Tänaron (jetzt Matapan), welches die südliche Grenze zwischen dem Lakonischen und Messenischen Busen bildet, hatte einen berühmten Poseidontempel. Die südwestliche Grenze des Messenischen Golfs (Busen von Korone) bezeichnet das Vorgebirge Akritas (Kap Gallo); westlich davon, der Hafenstadt Methone (Modon) gegenüber, sind die Inseln Önussä zu bemerken. Die Westseite des Peloponnes wird
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bereits vom Ionischen Meer bespült. Hier stoßen wir zunächst auf Pylos (Navarino) mit einem geräumigen Hafen, dessen Eingang durch die schmale, in der Geschichte des Peloponnesischen Kriegs berühmte Insel Sphakteria gedeckt wird. Der sehr flach gewölbte Kyparissische Meerbusen (Golf von Arkadia) erstreckt sich bis an das Vorgebirge Ichthys (Katakolo) im Gebiet von Elis und ist ohne sichere Anfahrt für Schiffe. Von dem genannten Kap nördlich folgt der Busen von Chelonatas (Busen von Gastuni) bis zu dem gleichnamigen Vorgebirge; ihm gegenüber liegt das fruchtreiche Zakynthos (ital. Zante).
Von den Vorgebirgen Chelonatas und Araxos (jetzt Papa), der nordwestlichen Ecke des Peloponnes, wird der Kyllenische Busen umschlossen; östlich vom Kap Araxos folgt der Golf von Paträ (Patras), welchen im N. die ätolische Küste, im O. die nur 2½ km breite Meerenge zwischen den Vorgebirgen Rhion und Antirrhion (Kastro Moreas und Rumelias, Kleine Dardanellen) begrenzen. Die Echinadischen Inseln, welche ehedem vor der Mündung des Acheloos lagen, sind jetzt durch den Flußschlamm zum großen Teil mit dem Festland verbunden.
Östlich von jener Meerenge beginnt der Korinthische Busen, dessen beste Häfen auf der Nordküste liegen, zuerst Naupaktos in Lokris (Lepanto), Öanthia am Eingang des Krissäischen Golfs (Busen von Galaxydi), Kirrha und Antikyra (Asprospitia ^[richtig: Aspraspitia]). Der Busen zwischen der megarischen und böotischen Küste hieß das Halkyonische Meer. Von vorzüglicher Wichtigkeit für den alten Handel war der zu Korinth gehörige Hafen Lechäon am Isthmus, dagegen hatte die achäische Küste des Busens nur unbedeutende Ankerplätze.
Vor dem Busen von Paträ liegen mehrere große Inseln, die zu der jetzt sogen. Ionischen Inselgruppe gehören: Kephallenia und Ithaka (Thiaki), der Wohnsitz des Odysseus, und nördlich von diesem Leukas (San Mavra), ursprünglich eine Halbinsel, die durch eine schmale, später durchstochene Landenge mit dem benachbarten Akarnanien zusammenhing. Die Südspitze bildet das steile Vorgebirge Leukate (Kap Dukato), von dem sich Sappho ins Meer gestürzt haben soll. Den Eingang zum Busen von Ambrakia (Golf von Arta), der sich zwischen Epirus und Akarnanien eindrängt, bilden zwei Landspitzen, deren südliche, Aktion genannt, durch den Sieg des Augustus über Antonius und Kleopatra 31 v. Chr. berühmt ist. Nördlicher liegt die Königin dieser Inselgruppe und des Ionischen Meers, Kerkyra (Korfu), bei Homer der Sitz der Phäaken. Als Nordmark des hellenischen Küstenlandes galt das Vorgebirge Akrokeraunion (Linguetta), zugleich die Grenzscheide zwischen dem Ionischen und Adriatischen Meer.
Die einzelnen Landesteile.
Nordgriechenland umfaßte die beiden Landschaften Epirus und Thessalien. Mit dem Namen Epirus (s. d.) bezeichneten seit alten Zeiten die Bewohner der westlichsten griechischen Inseln die ihnen gegenüberliegende Küste des Festlandes; später wurde der Name auf die Landschaft beschränkt, die durch den Aoos, den Pindosrücken, den Ambrakischen Golf und das Ionische Meer begrenzt wurde. Das Land war, wie auch heute noch, nur ein halbgriechisches: es war den eindringenden Hellenen nicht gelungen, die vor ihnen dort sitzenden Illyrier gänzlich auszutreiben.
Östlich vom Pindos bis zum Ägeischen Meer breitet sich Thessalien (s. d.) aus, von den Kambunischen Bergen, dem Pindos, Othrys, Pelion und Ossa begrenzt, ein meist von hohen Rändern umschlossenes Thalbecken, das fruchtbare und wohlbewässerte Gebiet des Peneios bildend. Einst sollen Pelion, Ossa und Olympos ganz zusammengehangen und ein großer Landsee sich inmitten des Gebirges befunden haben, bis ein Erdbeben den Olymp und Ossa voneinander riß, dem Wasser Abfluß schaffte und sich der Peneios durch das Thal Tempe ergoß, eine Tradition, welche durch die wissenschaftliche Untersuchung späterer Zeiten sehr wahrscheinlich gemacht worden ist.
Wie die Namen und Sagen beweisen, hatten einst die Pelasger die fruchtbare Ebene inne; ihnen folgten Hellenen, bis 60 Jahre nach der Zerstörung Trojas die Thessalier eindrangen und so den Anstoß zur Dorischen Wanderung gaben. Von S. und besonders von N. her war der Zugang zu Thessalien leicht, während über den Pindos im W. nur zwei beschwerliche Wege nach Epirus führten. Ein besonderes, von den Thessaliern nicht unterworfenes Gebiet war die Halbinsel Magnesia, welche den Pagasäischen Busen vom Ägeischen Meer trennt.
Mittelgriechenland, im W. vom Ambrakischen Busen und vom Ionischen Meer, im O. vom Malischen Golf und vom Euböischen Meer, im N. vom Thymphrestos und Öta, im S. vom Korinthischen und Saronischen Busen begrenzt, zerfiel in neun Landschaften, welche, von W. nach O. gerechnet, die Namen: Akarnanien, Ätolien, das Ozolische Lokris, Doris, Phokis, das Epiknemidisch-Opuntische Lokris, Böotien, Attika und Megaris trugen. Die ersten drei blieben nicht ganz frei von barbarischem Einfluß, und nur in den übrigen, östlich vom Parnaß, war das hellenische Element ganz rein.
Akarnanien wurde im O. vom fruchtbaren Thal des Acheloos, sonst vom Meer und dem Ambrakischen Golf begrenzt; in der Geschichte erscheint es erst seit dem Peloponnesischen Krieg. Ätolien lag zwischen Akarnanien, dem Ozolischen Lokris und dem Golf von Paträ, im N. an die Gebiete der Doloper und Änianen anstoßend, nur im S. eben, politisch zerrissen, bis sich 280 v. Chr. zur Abwehr gegen die Gallier der Ätolische Bund bildete. Das Ozolische Lokris, am Korinthischen Busen, ist rauh und gebirgig; seine Einwohner waren ursprünglich illyrischen Stammes.
Doris, mit den Quellen des Kephisos, galt den Spartanern als ihr Mutterland, war aber sehr unbedeutend. Phokis, zwischen Lokris, Doris, Böotien und dem Korinthischen Busen, ist im N. eben (Thal des Kephisos), im S. sehr gebirgig (Parnassos). Lokris hieß der historisch unbedeutende Küstenrand des Malischen und Euböischen Meerbusens, dessen Westhälfte das Epiknemidische, dessen Osthälfte das Opuntische Lokris hieß. Böotien umfaßte die untere Hälfte des Kephisosgebiets und das des Asopos und ist ein sehr wasserreiches und fruchtbares Land. Der Norden und Süden enthalten ebenes Land, der Osten und Westen Gebirge.
Attika ist die Halbinsel, welche sich vom Kithäron und Parnes aus weit ins Myrtoische Meer hinein erstreckt. Der größere Teil des Landes ist gebirgig; die Berge, obwohl nicht hoch, zeigen die malerischten Formen, besonders der Hymettos. Flachland hat Attika in der Gegend von Eleusis, die Thriasische Ebene, dann um Athen, die Pedias, und zwischen dem Hymettos und der Ostküste, die Mesogäa. Megaris endlich, ein Ländchen zwischen dem Saronischen Busen und dem Halkyonischen Meer, bildet den Übergang vom mittlern Griechenland zum Peloponnes.
Der Peloponnes (seit dem Mittelalter Morea genannt) war in 9 Landschaften geteilt: Korinth, Sikyon, Phlius, Achaia im N.;
Arkadien in der Mitte;
Argolis
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und Lakonien im O.; Messenden und Elis im W.
Korinth umfaßte alles Land bis zu den Pässen des Geraniagebirges im N. und zu denen der Argolischen Gebirge im S. und war durch seine Lage an zwei Meeren, am Saronischen und Korinthischen Busen, und als Pforte zum Peloponnes von äußerster Wichtigkeit. Westlich daran stießen die beiden Stadtgebiete von Sikyon und Phlius, jenes den Unterlauf, dieses das Quellgebiet des Asopos in sich begreifend. Achaia bildet den schmalen Nordsaum des Peloponnes zwischen dem Gebirge und der Küste am Korinthischen Busen und Golf von Paträ; im O. bildet Sikyon, im W. das Vorgebirge Araxos die Grenze.
Über Arkadien, die größte der Landschaften des Peloponnes, s. oben. Argolis bildete den nordöstlichen Teil des Peloponnes zwischen dem Saronischen und Argolischen Golf, Lakonien den südöstlichen, wenig fruchtbaren Messenien dagegen, im O. vom Taygetos und von Lakonien, im N. von Elis und Arkadien begrenzt, ist ein mildes und fruchtbares Land voll lachender Fluren und schön geformter und bewaldeter Gebirge. Elis bildet die westliche Abdachung der arkadischen Gebirge und zerfiel in zwei Teile, das bergige und das hohle Elis oder das Thalland mit der Stadt Elis. Die Gegend um den Alpheios hieß Pisatis, der südliche Teil der Landschaft gegen Messenien Triphylien.
Bodenerzeugnisse.
Der Boden von Griechenland, durchaus nicht unfruchtbar, doch auch nicht übermäßig freigebig, bot fast nirgends seine Gaben ganz freiwillig und mühelos oder in einem solchen Überfluß, daß er zur Trägheit und Sorglosigkeit aufforderte. Die Betriebsamkeit fand dann auch selbst die rauhern und von der Natur nur mit kärglichen Gaben ausgestatteten Gegenden nicht ungeeignet zur Benutzung und zum Ackerbau. Bewunderung verdient die Ausdauer und Anstrengung, mit welcher man teils die Entwässerung morastiger, teils die Bewässerung dürrer Distrikte, wie des »durstigen« Argolis, zu bewerkstelligen wußte. In diesen Künsten waren übrigens meist fremde Völker die Lehrmeister der Griechen.
Die Erzeugung des Weins gehörte zwar mehr den hellenischen Inseln an, auf deren meisten er in großer Vortrefflichkeit gedieh; doch hatte auch das Festland schon zu Homers Zeit Weinbau. Öl und Feigen von vorzüglicher Güte gediehen in Attika, welches sonst einer regelmäßigen Bewässerung entbehrte; Gartenbau hatte Megaris. Zu den fruchtbarern Gebieten zählten im Altertum wie noch heute Lakonien und Euböa, deren Glimmerschiefer sich leicht zersetzen; dann die ehemaligen Seebecken, wie Böotien und Thessalien.
Alle aber bleiben zurück hinter der Ertragsfähigkeit Thrakiens, Makedoniens und Kleinasiens, aus denen Getreide nach Griechenland eingeführt werden mußte. Drei Viertel des ganzen Areals von Griechenland waren nur als Weideland nutzbar, von dem Rest kaum die Hälfte als Fruchtacker. Die Herden bestanden meist aus Ziegen und Schafen; die Pferde- und Rindviehzucht war weniger bedeutend, erstere am meisten beim thessalischen Adel im Schwange. Groß war der Ertrag an Wolle, weshalb auch Wollspinnerei und -Färberei in hoher Blüte standen.
Beide Künste sowie die Metallgießerei waren von den Phönikern überkommen, aber von den Griechen bedeutend ausgebildet worden. Die Jagd gewährte reiche Beute an Wild und zwar nicht nur an Hasen, Rehen, Hirschen, sondern auch Eber, Bären, Wölfe, Füchse und in früherer Zeit selbst Löwen lockten den mutigen Jüngling zur Verfolgung und machten die Jagd, namentlich bei den Spartanern, zu einer Übungsschule des Kriegs. Ganz unerschöpflich schien der Fischreichtum der hellenischen Meere und Buchten.
Die Mineralschätze des Bodens wurden im Altertum fleißig ausgebeutet. Berühmt und sehr ergiebig waren besonders die Silberbergwerke im Lauriongebirge in Attika, die aber schon zu Strabons Zeit nicht mehr bebaut und erst in unsrer Zeit wieder in Angriff genommen wurden. Auf Siphnos gewann man Gold und Serpentin, auf Keos Bleierze, auf Euböa bei Chalkis Kupfer, auf zahlreichen Inseln Eisen in Menge. Die aus zersetztem Thonschiefer gebildeten reichen Lager dunkelblauen Thons vom attischen Kap Kolias führten zu einer ausgedehnten Töpferindustrie. Der Kalk Westgriechenlands bot gute, leicht zu bearbeitende Bausteine und der Marmor Attikas, Lakoniens und der Inseln ein für Skulpturzwecke unschätzbares Material dar.
Bevölkerung.
Was die Bevölkerung betrifft, so traten schon Herodot und Thukydides der unter den Griechen selbst verbreiteten Ansicht, daß sie Autochthonen seien, entgegen, indem sie Griechenland vor den Hellenen von Barbaren bewohnt sein lassen. Aristoteles sah die erstern als Einwanderer aus dem Norden an, und schon Herodot weiß, daß die Dorier einst in Makedonien gesessen hatten, wie denn auch das Griechentum eines Teils der Makedonier jetzt unbestritten feststeht. Die neueste Forschung, namentlich die Linguistik, hat nachgewiesen, daß die Griechen in der That von Norden her eingewandert und ein Teil des indogermanischen Völkerstammes sind (s. unten, Geschichte, S. 682 f.). Doch erscheinen sie bei ihrem ersten Auftreten in der Geschichte in zahlreiche Stämme zerspalten, welche nicht einmal ein deutliches Bewußtsein ihrer gemeinsamen Abstammung haben und erst allmählich zu einem zwar nicht politisch, aber durch seine Kultur geeinten Volk zusammenwachsen.
Genaue Angaben über die Zahl der Bevölkerung, über ihre Zu- und Abnahme mitzuteilen, ist unmöglich, da nur einzelne Notizen darüber gelegentlich mitgeteilt werden. Schon vor den Perserkriegen muß Griechenland stark bevölkert gewesen sein. Lakonien zählte um 480 v. Chr. 8000 Spartiaten und konnte 50,000 bewaffnete Männer ins Feld stellen, Arkadien 30,000. Der Peloponnes muß damals ungefähr 2 Mill. Einw. gehabt haben; Athen hatte 30,000 Bürger (nach Herodots Zeugnis).
Die Zahl der Sklaven war eine sehr bedeutende, namentlich in Handels- und Fabrikstädten, wo sie, wie in Korinth und Ägina, zuweilen auf das Zehnfache der freien Einwohner sich belief. In Attika war die unfreie Bevölkerung wenigstens viermal so groß als die freie. Da aber die Sklaven meist solchen Stämmen angehörten, welche an geistigen Anlagen den Griechen weit nachstanden, auch ziemlich gut behandelt wurden und sich daher wohl befanden, wurde die große Menge derselben nicht gefährlich; Aufstände kamen nicht vor.
Vor dem Peloponnesischen Krieg (444) fand Perikles bei einer Volkszählung in Athen, die zum Behuf einer Getreideverteilung angeordnet wurde, 19,000 erwachsene Bürger und, die frei gebornen Frauen und Kinder mit eingeschlossen, eine Gesamtzahl von 78,640 Einw. Als Perikles den Landbewohnern Attikas befahl, sich vor den Lakedämoniern in die Stadt zurückzuziehen, waren nicht weniger als 500,000 Menschen innerhalb der Mauern Athens zusammengedrängt. Clinton berechnet die Bevölkerung des Peloponnes auf 1,044,000 Seelen.
Was den Charakter des hellenischen Volkes betrifft, so konnte sich dieser natürlich nicht überall auf
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gleiche Weise entwickeln. In manchen Landschaften hatten sich Barbaren mit den Hellenen gemischt oder doch wenigstens Einfluß auf dieselben ausgeübt, wie in Epirus, Akarnanien, Ätolien, Lokris; aber auch die Völkerschaften rein hellenischen Stammes zeigten oft bedeutende Verschiedenheiten, wie die so nahe benachbarten Böotier und Athener und, um gleich auf den größten Gegensatz hinzuweisen, der bestimmend auf den ganzen Gang der griechischen Geschichte eingewirkt hat, die Dorier und die Ionier.
Dennoch blieb bei all diesen Verschiedenheiten im einzelnen dem Volk im ganzen sein entschiedenes Charaktergepräge, wodurch sich dasselbe vor allen übrigen Nationen des Altertums auszeichnete und seine hohe Bedeutung für die Geschichte erhielt, und zwar verdankte es seine wesentlichen Eigenschaften neben den günstigen klimatischen Verhältnissen hauptsächlich der eigentümlichen Küstenbildung des Landes sowie der gebirgigen Beschaffenheit desselben. Als Resultat dieser mannigfach gemischten Elemente bezeichnet Wachsmuth (»Hellenische Altertumskunde«, Bd. 1, S. 124) als hervorstechende Eigenschaft der Hellenen »eine hohe Reizbarkeit, durch welche bei äußerer Anregung die entsprechende Kraft erwachte und sich, sei es in heimischen Fehden, in Reibungen mit den Nachbarn oder in Wanderungen und Seefahrten, versuchte. Die erstern wurden durch die natürliche Zersplitterung in kleine Staaten unterhalten, so daß nie Nahrungsstoff mangelte, kein Erstumpfen und Erstarren stattfand, vielmehr das innere Leben sich stufenweise steigerte und entwickelte. Die Kraft aber war begleitet von dem regsten Selbstgefühl und dem unverhohlenen Ausdruck desselben. Bescheidenheit und Demut waren nicht hellenische Tugenden, das Ehrgefühl indessen nicht mit so feinen Fäden wie das modern ritterliche gesponnen; die Ehre galt als aus Recht und Vorrecht entsprossen, schmähende Worte galten nicht für Gefährdung derselben. Verschwistert mit der Reizbarkeit zum Handeln war die hohe Empfänglichkeit für Schmerz und Lust. Der Hellene weinte leicht, Stoizismus beim Schmerz ist nur den Spartiaten nachzuweisen und anderswo für völlige Entartung des Volkscharakters zu halten. Solons herrliches Wort, als man ihn trösten wollte: ebendarum weine er, weil nicht zu helfen sei, ist echt hellenisch. Wiederum besaß dies Volk ein nie wieder mit so unerschöpflicher ästhetischer Produktionskraft und so lebendigem ästhetischen Sinn geeintes Maß von Sinnlichkeit und Genußfähigkeit, das keine Schönheit und keinen Lebensgenuß ungekostet ließ und mit vollem und immer gegenwärtigem Bewußtsein schwelgte. Einerseits ist hier die Pflege der Dicht- und Tonkunst und späterhin der übrigen schönen Künste als Nationaltugend zu rühmen; wiederum mangelte in dem Verkehr mit dem weiblichen Geschlecht das Zartgefühl, das mit Achtung und Ehrbarkeit gemischt ist; der hellenische Ausdruck über Gegenstände jener Art war roh, selbst gemein, schlimmer unnatürliche Geschlechtslust. So wie hier grenzte durch die gesamte hellenische Sinnesart das Schlimme mit dem Edlen und Guten nahe zusammen, und als deren augenfälligste Flecke erscheinen Gewinnsucht, Neid, Feindeshaß und Grausamkeit. Überhaupt aber kamen des Volkes jugendliche Aufwallungen in dem ganzen Lauf seines Staatslebens zu keiner Mannesreife; weder wohnte das Gute sicher und fest im Herzen, noch entfaltete das Böse sich zu seiner Vollendung.« Trotzdem aber hat es seinen guten Grund, wenn wir über dem Herrlichen und Fesselnden des altgriechischen Lebens die Unvollkommenheiten desselben leicht außer acht lassen. Es sind das harmonische Zusammenstimmen verschiedener Richtungen und Fähigkeiten, der wunderbare Schönheitssinn und Kunstgeist, der alles durchdringt, verschmelzt und färbt, die uns das Ganze wie eine über die gemeine Wirklichkeit erhabene Erscheinung erblicken lassen.
Religion und Kultus.
Die Religion des hellenischen Volkes war im allgemeinen eine polytheistische, doch waren die Ansichten der Griechen von ihren Göttern nicht zu allen Zeiten dieselben. Bei sehr vielen derselben läßt sich die ursprüngliche Naturbedeutung nachweisen, und die neuesten Forschungen haben vielfache Übereinstimmung mit den Religionen der übrigen arischen Völker gezeigt. Mit der zunehmenden geselligen und staatlichen Ordnung und bei vermehrter Bildung ließ der Grieche entweder seine bisherigen Naturgottheiten ganz fallen und erschuf sich höhere geistige Wesen, oder er bildete seine frühern Naturgottheiten um und machte sie zu freien, sittlichen Wesen, welche im Menschenleben ordnend walten. In diesem Ringen nach einer höhern Stufe der religiösen Erkenntnis gingen dem Volk die Dichter voran, unter denen endlich Homer und Hesiod die Sache zum vollen Sieg führten.
Die Griechen hatten selbst den Glauben, daß ihre Götter nicht vom Uranfang an existiert, und daß vor denen, welche jetzt als die Beherrscher der Welt verehrt wurden, einst andre Gottheiten die Gewalt in den Händen gehabt hätten. Nach Hesiod, dessen »Theogonie« aber weit mehr Spekulation als die Homerischen Gedichte enthält und viele Kräfte, Tugenden etc. zu Göttern macht, von denen das Volk nichts wußte, war am Anfang das Chaos, der leere, unermeßliche Raum, darauf Gäa (die Erde), Tartaros (der Abgrund unter der Erde) und Eros (die Liebe); Gäa gebar aus sich selbst den ihr gleichen Uranos (Himmel), die Gebirge und den Pontos (Meer).
Gäa und Uranos erzeugten die Titanen, sechs männliche und sechs weibliche, ferner die Kyklopen und die Hekatoncheiren (»hundertarmigen« Riesen). Uranos aber haßte seine Kinder und verbarg sie, so daß sie nicht an das Licht des Tags kommen konnten. Darüber grollte ihre Mutter Gäa und beredete den Titanen Kronos, daß er den Vater verstümmelte und der Herrschaft beraubte. Kronos erzeugte nun mit seiner Schwester Rhea die Hestia, Demeter, Hera, den Hades, Poseidon und Zeus; damit ihn aber nicht eins seiner Kinder vom Thron stoße, verschlang er sie gleich nach ihrer Geburt.
Als Zeus geboren war, reichte Rhea dem Vater statt desselben einen Stein in Windeln, den er verschlang. Zeus aber ward in Kreta vor dem Vater verborgen, und als er groß geworden war, stürzte er ihn und zwang ihn, die verschlungenen Kinder wieder von sich zu geben. Vereint mit seinen Geschwistern unternahm dann Zeus einen Kampf gegen die Titanen, welche sich die bisher geübte Macht nicht entreißen lassen wollten. Mit Hilfe der Hekatoncheiren und Kyklopen, welche ihm den Donner und den verderblichen Blitz gaben, wurden die Titanen überwunden und gefesselt in den Tartaros geworfen. So herrschen Zeus und die Seinen über die Welt, in der nun die rohen Gewalten der Natur und des Menschenlebens sich den Schranken der natürlichen und sittlichen Ordnung fügen müssen. Die große nun herrschende Götterfamilie, welche ihre endliche Ausprägung den Homerischen Gedichten verdankt, besteht aus den Geschwistern Zeus, Poseidon, Hades, Hera, zugleich des Zeus Gemahlin, Hestia, Demeter mit ihrer Tochter Persephone und aus den Kindern des Zeus: Athene,
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Beschirmerin der Städte und Staaten, Göttin der Weisheit, Apollon, Gott des Heils und der Ordnung, Artemis, die nächtliche Himmelsgöttin, Hephästos, Gott des Feuers, Ares, Kriegsgott, Aphrodite, Liebesgöttin, Hermes, Götterbote. Die Zwölfzahl der olympischen Götter ist erst späterhin festgestellt worden. Die drei Brüder nun teilten sich in die Herrschaft der Welt: Poseidon erhielt das Meer, Hades die Unterwelt, Zeus den Himmel;
die Erde blieb ein gemeinschaftliches Gut.
Zeus aber, als der älteste, stärkste und klügste, hat die Obmacht über die übrigen. Um ihn geschart, wohnen die Götter auf den Höhen des Olymps und freuen sich ihrer Seligkeit. An die olympischen Götter schließen sich Gottheiten niedern Ranges an, welche zu dem Olymp in gewissen Beziehungen stehen. Es sind zum Teil dienende Gottheiten, zum Teil solche Wesen, welche irgend eine Seite eines olympischen Gottes selbständig in sich entwickelt haben, wie z. B. die Schicksalsgottheiten, die Götter der Witterung etc. Zu ihnen gehören: Hebe, die ewige Jugend, und Ganymedes, der phrygische Knabe, welchen Zeus aus Liebe von der Erde entführt und mit unsterblichem Leben beschenkt hat (beide reichen den Olympiern die Götterspeise, Nektar und Ambrosia, dar);
Iris, die Göttin des Regenbogens, welche die Botschaften der Götter vom Himmel herniederbringt;
die Horen, die Gottheiten der Witterung, die das Wolkenthor des Olymps öffnen und schließen, und Helios, der allsehende Sonnengott, der den Göttern und den sterblichen Menschen das Licht des Tags bringt, das zuvor die rosenfingerige Eos (Morgenröte) verkündigt.
Ferner gehören hierher: die Parzen (die Schicksalsgöttinnen: Klotho, Lachesis, Atropos), Tyche (Göttin des Glückes), Nemesis, Ate, Dike und Themis;
die Musen, die Chariten, die Hyaden, die Plejaden, Selene, die Winde und ihr Beherrscher Äolos. Zu den Gottheiten der Winde gehören auch die Harpyien;
Typhon ist der verderbliche Sturmwind.
Die Götter des Meers sind, außer Poseidon selbst, seine Gemahlin Amphitrite, Okeanos (der die Erde und das Meer umfließende große Weltstrom), Nereus, der Meergreis und Vater der Nereiden, der Meernymphen, Leukothea-Ino, eine Genossin der Nereiden, Proteus, der weissagende Meergreis, Phorkys, Glaukos, ursprünglich ein Gott der Schiffer und der Fischer, und Triton. Endlich gehören noch zum Reich des Poseidon die Flüsse, Flußgötter und Quellnymphen. Die Gottheiten der Erde und der Unterwelt sind: Gäa (die Erde), die Nymphen, Göttinnen niedern Ranges, welche auf der Erde wohnen, in Hainen und auf Bergen, an Quellen, Flüssen und Strömen, in Thälern und Grotten, Kybele, die Göttermutter, Dionysos (Bakchos), der Gott des Weins, die Satyrn, die Begleiter des Dionysos, Silenos, Pan, der Sohn des Hermes, ein arkadischer Gott der Herden und des Waldes, Priapos, Sohn des Dionysos und der Aphrodite, ein Gott der Fruchtbarkeit des Feldes und der Herden, die Kentauren, welche mit den Satyrn eine gewisse Verwandtschaft haben, Demeter, ursprünglich die göttliche Mutter Erde, die Kabiren, semitische Feuergottheiten, Thanatos und Hypnos (Tod und Schlaf), die Keren (Personifikation des Todesloses), die Erinnyen (Eumeniden) und Hekate, eine gewaltige Herrscherin unter den Schatten.
Den Menschen stehen die Götter nicht fern, sie schicken ihnen Zeichen mancherlei Art und verkünden ihren Willen im Orakel; ja, sie erscheinen dem Menschen oft selbst in eigner oder fremder Gestalt, und in alter Zeit kamen sie gern zu den Menschen und lebten mit ihnen. Götter verbanden sich mit sterblichen Frauen, und Göttinnen schenkten ihre Liebe sterblichen Männern. Durch diese Verbindung und diesen Verkehr mit den Unsterblichen wurde das Menschengeschlecht geadelt und den Göttern näher gebracht, Menschen waren Söhne und Töchter von Göttern.
Das hohe Geschlecht der Heroen der Vorzeit war weit erhaben über die spätern Menschen und lebte nach dem Tod abgesondert von den übrigen Sterblichen ein glückliches Leben auf den Inseln der Seligen im fernsten Westen der Erde. So wurden diese Heroen allmählich im Glauben des Volkes zu Halbgöttern und genossen als Wohlthäter der Vorzeit besondere Verehrung; einzelne, wie Herakles, wurden von den Göttern sogar in den Olymp erhoben. Homer, der in seinen Gesängen den Glanz und Ruhm der Heroenzeit preist, weiß nur von dieser einen Vorwelt und spricht nirgends von einer Abstufung der Vorzeit in mehrere Geschlechter von verschiedenem Charakter. Später aber erzählte man von einem goldenen Zeitalter unter der Herrschaft des Kronos im Gegensatz zu dem eisernen unter Zeus; Hesiod erzählt von fünf immer sündhafter werdenden Geschlechtern der Menschen. Diese Vorstellung knüpft besonders an den Namen Prometheus (s. d.) an. Vgl. Mythologie.
Die Götter, wie sie bei Homer auftreten, sind in leiblicher wie in geistiger Hinsicht nach dem Bilde des Menschen geschaffen; aber der Mensch bemüht sich, seine Götter über die Menschlichkeit hinauszuheben. An einzelnen Stellen bei Homer erscheinen sie in übermenschlicher Größe; im allgemeinen aber übersteigen sie nicht bedeutend das menschliche Maß. Auch sind sie, wie die Menschen, an Trank und Speise und Schlaf gebunden. Weil sie einen Körper haben, so hängen sie notwendig von den Bedingungen des Raums und der Zeit ab. Aber diese Schranke wird zum Teil wenigstens dadurch aufgehoben, daß ihnen stärkere Sinne beigelegt werden, daß sie z. B. aus weiter Ferne sehen und hören und unermessene Räume in der kürzesten Zeit durchschreiten können.
Wesentlich von den Menschen verschieden sind die Götter durch die Unsterblichkeit; diese und die ewige Jugendfrische erhalten sie sich durch den steten Genuß von Nektar und Ambrosia, den Trank und die Speise der Unsterblichkeit. Sie heißen selig, sind jedoch nicht frei von Angst, Not und Schmerz. Allmacht besitzen sie keineswegs; es wird ihnen zwar eine höhere Kraft, alles zum Ziel zu führen und Wunder zu wirken, zweifellos zugeschrieben, ja die nachhomerische Zeit fügte selbst ein geistiges Wirken ohne leibliche Nähe hinzu; aber über ihnen steht doch die Moira, die Schicksalsmacht, und bei der Menge der Götter und ihrer Wirkungskreise ist nicht allein der einzelne Gott durch die andern, sondern sind auch alle öfters durch einen beschränkt.
Allwissenheit wird ihnen ebenfalls nicht beigelegt. Die Vorsehung der Götter besteht in der Erfindung guten Rats in den einzelnen Verhältnissen, in der zweckmäßigen Einrichtung der Dinge, in der Vorbereitung zukünftiger Ereignisse und im vereinzelten außerordentlichen Eingreifen. Obwohl sie so in gewissem Sinn über die Erhaltung der Weltordnung wachen und eine Art Fürsorge für das Menschengeschlecht zeigen, so weiß doch von einer göttlichen Liebe zu den Menschen der Volksglaube nichts. Die Griechen hielten Wohlwollen nicht für eine wesentliche Eigenschaft der Gottheit. Herrscht doch bei Homer die Vorstellung, daß der Unglückliche den Göttern verhaßt sei; zwar wurde ihnen später
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Mitleid beigelegt, aber man zweifelte doch immer an demselben. Die Götter lassen kein Unheil ungestraft, ja sie strafen dasselbe an den Nachkommen des Übelthäters, sogar an dem Gemeinwesen, dem er angehört; Belohnung der Guten dagegen findet nicht statt, versöhnende Gnade gibt es nicht. Die Gottheit erscheint von Neid gegen allzu großes Menschenglück und von der Furcht erfüllt, es könne ihrer Macht und Hoheit durch gewaltig sich erhebende, besonders vom Glück begünstigte Menschen Abbruch geschehen.
Die Griechen hegten aber eine große Scheu und Ehrfurcht vor ihren Göttern und suchten den Willen derselben bei jedem einzelnen Vorhaben zu erforschen. Deshalb spielte die Mantik, die Kunst, göttliche Offenbarungen hervorzurufen, bei ihnen eine bedeutende Rolle. Auf der Scheu vor den Göttern beruht die Frömmigkeit; aus ihr geht auch das sittliche Handeln hervor, für welches zugleich auch die Rechtssatzung des Menschenlebens bestimmend ist. Alle Tugend beruht auf der Beobachtung des rechten Maßes, dessen Überschreitung Sünde ist und Strafe nach sich zieht. Früher wurde mitunter die Schuld an der Sünde den Göttern zugeschrieben, die spätere Zeit aber macht den Menschen für die mit Wissen und Willen begangenen Vergehen vollständig verantwortlich. Die den Sünder treffende Vergeltung ward als eine Sühne des Unrechts angesehen; doch mußte der Mensch die Götter durch demütige Unterwerfung zu versöhnen suchen, damit sie ihn von den Folgen der Sünde freimachten.
Was die Fortdauer nach dem Tod betrifft, so nimmt die Homerische Dichtung ein gefürchtetes Schein- oder Schattenleben im Hades an. Die Eleusinischen Mysterien boten zwar den Eingeweihten beruhigendere Vorstellungen über das Leben nach dem Tod, aber die Homerische Ansicht vom Hades blieb doch die vorherrschende. Ein Fortschritt war es, daß man glaubte, in der Unterwelt werde jede während des Lebens begangene Sünde bestraft, die Verstorbenen hätten Kenntnis von allem, was auf der Oberwelt vorginge, und lebten glücklich in Gemeinschaft mit den Göttern der Unterwelt. Die Gebildeten freilich sahen meist nur in dem Andenken bei der Nachwelt Fortleben und Unsterblichkeit.
Je dunkler für den Griechen das Jenseits war, desto leichter ist es begreiflich, daß er so sehr am Leben und an dessen Genüssen hing, ja daß nach Lockerung der religiösen Schranken Genußsucht und Gewinnsucht überhandnahmen. Die bestehende Religion wurde zuerst gefährdet durch die Philosophie, welche um 600 v. Chr. in den griechischen Kolonien Kleinasiens erwachte. In dem Mutterland war dies so bald noch nicht der Fall, vielmehr hob sich durch die Perserkriege das religiöse Bewußtsein im Volk und zeigte sich in dem Bestreben, die schönsten Götterbilder aufzustellen und prächtige Tempel zu bauen; doch wurde der Volksglaube bald erschüttert.
Die Bekanntschaft mit auswärtigen Völkern, die veränderte Art des Lebens, die reichern und mannigfaltigern Anschauungen, der erwachende wissenschaftliche Geist und das prüfende philosophische Denken wirkten allmählich zersetzend auf die religiösen Überlieferungen ein, und es entstanden nun drei Richtungen des religiösen Lebens: eine atheistische, eine pantheistische und deistische, endlich eine ethische, welche, ohne den bestehenden Glauben anzutasten, sittlich hohe und reine Vorstellungen von der Gottheit zu gewinnen suchte.
Letztere Richtung ging von Sokrates aus, und große Denker bekannten sich zu ihr; aber für den eigentlichen Volksglauben konnte sie natürlich auch keine Stütze werden. So viel nun auch von seiten des Staats für Aufrechthaltung des Volksglaubens gethan wurde, indem derselbe für den Kultus sorgte und gegen Unterlassung religiöser Pflichten, gegen Leugnung der Götter und Einführung fremder Gottesdienste strafend einschritt, so wenig konnte er den Verfall der Religiosität aufhalten.
Der religiöse Glaube schwand vielmehr um so rascher, je mehr auch Sittenlosigkeit unter den Griechen einriß. Die alte einfache Sitte der Hellenen aber wich mit der seit den Perserkriegen steigenden Wohlhabenheit mehr und mehr, an ihre Stelle traten Leichtfertigkeit und Genußsucht, und durch den Peloponnesischen Krieg wurde die Sittlichkeit vollends untergraben. Kein Wunder daher, wenn fromme, religiöse Gesinnung immer seltener wurde, dagegen Unglaube und frevelhafter Spott gegen die Religion reißend schnell um sich griffen.
Einen Ersatz für den vernichteten Glauben vermochte die Philosophie dem Volk nicht zu bieten, da ihre Lehren und das Verständnis derselben nur innerhalb des Kreises der Gebildeten blieben. Nach Alexanders Zeit konnte der Philosoph Euemeros, ein Zeitgenosse des Kassandros, bereits unter vielem Beifall den Satz aussprechen, die Götter seien ursprünglich nur verdiente Menschen gewesen, die man nach ihrem Tod wegen ihrer Großthaten verehrt habe. Wo aber noch das Bedürfnis einer Gottesverehrung vorhanden war, da führte es zur Hingabe an abergläubische und unsittliche orgiastische Kulte. Es ist das sogen. hellenistische Zeitalter, in welchem die Auflösung und völlige Zersetzung der Religion bei den Griechen erfolgte.
Die vornehmsten Bestandteile des religiösen Kultus waren Gebete und Gelübde, Reinigungen des Körpers, der Kleider, heiliger Geräte und Örter, teils bei Gebeten, Opfern und andern religiösen Handlungen, teils zur Entsündigung und Sühnung einzelner Menschen, Familien oder ganzer Völker, Opfer und andre Geschenke. Zur würdigen Verehrung der Götter wählte man geeignete Örter, besonders Berge und Haine, aus und sonderte sie von dem profanen Gebrauch ab (Temenos); später errichtete man daselbst sowie in den Städten besondere Tempel, die anfänglich bloß mit Opferaltären und rohen Idolen, wie Holzklötzen, Steinen etc., später mit Götterbildern versehen waren.
Innerhalb des Kreises der Familie pflegte der Familienvater, bei öffentlichen, den ganzen Staat angehenden gottesdienstlichen Leistungen anfangs der König Gebete und Opfer zu verrichten. Daneben aber traten schon sehr frühzeitig eigentliche Priester auf, zu deren Amt außer den zum Kultus gehörigen Funktionen noch Raterteilung in religiösen Angelegenheiten, nie aber die Aufsicht über Lehrmeinungen oder öffentlicher Religionsunterricht gerechnet wurde.
»Es stand keine bevorzugte Priesterkaste zwischen Göttern und Menschen; die Religion war Gewissenssache des einzelnen und die vollständige Ausübung des Gottesdienstes ein persönliches Recht jedes freien Mannes. Aber eines besondern Priestertums bedurfte es dennoch, damit der Opferdienst unabhängig von dem religiösen Gefühl und Bedürfnis des einzelnen und der Gottesdienst ein stetiger und regelmäßiger wäre und nach festem Herkommen verwaltet würde. Es konnte nun auch nicht jeder jedes Gottes Priester sein, sondern die Priestertümer waren an gewisse Geschlechter gebunden. Bildeten nun aber die Priester keinen besondern Stand, so waren sie und ihre Angehörigen dennoch wegen ihres nahen und persönlichen Verhältnisses zu den Göttern und wegen ihrer Kenntnis des den Göttern Zukommenden in den Augen des Volkes mit besonderer
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Würde bekleidet.« (Curtius.) Den Willen und Ratschluß der Gottheit erkannte der Priester durch Zeichen am Himmel, namentlich durch den Donner und Blitz und durch den Flug der Vögel, durch Opfer (wobei sowohl die Weihrauchdämpfe als auch die Eingeweide der Opfertiere betrachtet wurden), durch Träume und selbst durch ganz unwillkürliche Dinge, wie z. B. das Niesen. Aber vielfach fiel, namentlich in Delphi, die Auslegung dieser Zeichen sehr nach dem eignen Ermessen der Priesterschaft zu gunsten der ihr befreundeten Partei aus.
Geistiges Leben. Staatswesen.
Hinsichtlich seines geistigen Lebens stand das griechische Volk nicht nur auf der Höhe seiner Zeit, sondern bietet sich noch der Gegenwart als nachahmungswürdiges Muster dar. Was es in der Wissenschaft und in der Poesie geleistet, darüber s. Griechische Litteratur. Wie in der Poesie, so in den bildenden Künsten erreichte es das Höchste, was den spätesten Geschlechtern noch als Ideal vorschwebte. Jahrtausende haben die Bauten noch nicht ganz vernichten können, welche die griechische Architektur schuf; die Götterbilder aus der Hand eines Pheidias und Praxiteles entzücken noch in ihren Nachbildungen das Auge, und von den Meisterwerken eines Apelles berichtet wenigstens die Geschichte. Eine ausführliche Darstellung der Geschichte der bildenden Künste bei den Griechen enthalten die Artikel Baukunst (mit Tafel IV), Bildhauerkunst (mit Tafel II und III) und Malerei, auf die wir zur weitern Belehrung verweisen; über das Wesen und die Ausübung der Musik s. Griechische Musik.
Auch im Staatswesen bekundeten die Griechen ihre außerordentliche Begabung und die Vielseitigkeit ihres Geistes. Aus dem ältesten Zustand des patriarchalischen Königtums entwickelten sich bei den meisten Stämmen republikanische Verfassungen der verschiedensten Art, oligarchische, aristokratische, timokratische und demokratische. Bei den Doriern bewirkte der ernstere, strengere Stammescharakter, daß die aristokratische Verfassungsform sich in mehreren Staaten, so besonders in Sparta (s. d.), dauernd erhielt und die völlige Unterordnung des Individuums unter den Staat, seine Gesetze und Verordnungen systematisch durchgeführt wurde. Im Gegensatz hierzu schritten die Ionier, namentlich Athen (s. d.), von der Aristokratie durch das Mittelstadium der Tyrannis ziemlich rasch zur Timokratie und zur reinen Demokratie vor, die schließlich zur Ochlokratie ausartete und nach reaktionären und revolutionären Zuckungen zum völligen Verfall des Staatswesens führte.
Auch sträubten sich die nichtdorischen Griechen gegen die Unterdrückung der Rechte der Individuen durch den Staat. Die freiere Entwickelung des öffentlichen Lebens, welche die Folge hiervon war, war freilich auch von heftigen, aufreibenden Parteikämpfen begleitet. Dennoch haben mehrere griechische Staaten, namentlich Athen, mustergültige politische Institutionen geschaffen. Verderblicher wirkte der Stammespartikularismus der Griechen, welcher dem Individualismus in den einzelnen Staaten entsprach, insofern, als er neben geographischen Verhältnissen hauptsächlich die nationale Einigung des Hellenenvolkes gehindert und dadurch dessen Untergang herbeigeführt hat. Selbst in der Heldenzeit der Perserkriege haben nur wenige Staaten ihre Eifersucht, ihren Stammeshaß, ihren Ehrgeiz dem Gemeinwohl der Nation unterzuordnen vermocht, und mit Gewalt die andern Stämme zur Einheit zu zwingen, war kein Staat mächtig genug. Näheres s. unter Geschichte.
Kriegswesen.
Die Griechen waren im allgemeinen ein kriegerisches Volk. Als Waffen bediente man sich zum Angriff des Streitkolbens, der Schleuder, des Bogens und der Pfeile, des Wurfspießes und der Lanze, gewöhnlich von Eschenholz, des Schwerts von verschiedener Form und Länge, zum Schutz des Helms, aus Fell, Leder oder Erz verfertigt, des Harnisches, der Beinschienen, des Schildes. Das Heer bestand im Heroenzeitalter aus Fußvolk, wovon nur der kleinere Teil vollständig gerüstet, der größere nur mit Wurfspießen, auch Bogen und Pfeilen versehen war.
Reiterei gab es noch nicht. Die Heroen und Führer bedienten sich allgemein des wahrscheinlich aus Asien stammenden Streitwagens und des Zweigespanns. In dicht gedrängten Haufen folgten die Krieger ihren Anführern, die nicht sowohl die Bewegungen des Heers zu leiten, als vielmehr zum Kampf zu ermuntern und durch persönliche Tapferkeit voranzuleuchten hatten. Bei der Annäherung der streitenden Heere aneinander wurde zuerst der Wurfspieß gebraucht; dann brachen die Wagenstreiter hervor und suchten in Zweikämpfen oder durch heftiges Eindringen in die feindlichen Scharen den Sieg zu gewinnen.
Beim Friedensschluß wurden schon frühzeitig gottesdienstliche Gebräuche beobachtet; im Angesicht beider Heere verrichteten die Anführer oder deren Abgeordnete gesetzmäßige Opfer und Libationen, riefen die den Meineid rächenden Götter zu Zeugen an und gaben sich einander den Handschlag. In Sparta bildeten den Kern des Heers die eigentlichen Spartaner, an die sich Bundesgenossen und Heloten anschlossen. Die Spartaner dienten in der Regel vom 20. bis zum 60. Jahr und wurden zu jedem Feldzug nach Altersklassen anfangs durch die Könige, später durch die Ephoren aufgeboten.
Ihre Waffen waren: ein kurzes, gekrümmtes Schwert, ein langer Speer, Helm und Schild;
ein Kranz schmückte das Haupt, und das sonst schmuck- und farblose Gewand war purpurfarben.
Den Hauptteil des Heers machte das Fußvolk aus, welches sowohl durch persönlichen Mut der einzelnen als durch Leichtigkeit und Sicherheit der Bewegungen und Stellungen im Kampf auf freiem Feld bis nach dem Peloponnesischen Krieg den Vorrang vor allen griechischen Heeren behauptete. Die Reiterei war neben dem Fußvolk ein ziemlich unbedeutender Bestandteil des Heers. An der Spitze des ganzen Heers stand einer der beiden Könige, dem in spätern Zeiten einige von den Ephoren, auch wohl ein besonderer Rat von 10-30 Personen zur Seite gestellt wurden.
Opfer, eins zu Hause, das andre an der Grenze des Landes von dem König vollzogen, eröffneten den Feldzug und schlossen ihn. Die Strafen und Belohnungen im Krieg waren vornehmlich auf die Nährung des Ehrgeizes berechnet. In Athen waren nach der Solonischen Klassifikation die Bürger der ersten Klasse zum Stellen und Ausrüsten der Kriegsschiffe, die der zweiten zum Kriegsdienst zu Pferde verpflichtet; die dritte Klasse stellte die Schwerbewaffneten, die vierte die Leichtbewaffneten und Matrosen.
Die Schutzverwandten (Metöken) und die Sklaven sollten nur in der dringendsten Not zum Kriegsdienst beigezogen werden. Achtzehn Jahre alt, ward der Athener in die Liste der Soldaten eingeschrieben, diente aber während der beiden ersten Jahre nur innerhalb des attischen Gebiets. Nach Ablauf derselben war er bis zum 40. Jahr gesetzmäßig zu jedem auswärtigen Dienst verpflichtet. Als sich infolge der Erweiterung der athenischen Seeherrschaft auch die Kriegsdienste mehrten, suchte man seit
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Perikles die Bürger zur Leistung derselben durch Soldbewilligung geneigter zu machen. Aber die Bevölkerung von Attika reichte bald nicht mehr hin, und man mußte daher zu den sogen. Bundesgenossen und zu Mietsoldaten seine Zuflucht nehmen. Die zu einem Feldzug ausgehobene Mannschaft bestand aus Fußsoldaten, entweder Schwerbewaffneten oder Peltasten, mit Wurfspieß und Schild, oder Leichtbewaffneten, bloß mit Wurfwaffen Versehenen, und aus Reiterei, die erst seit Themistokles gebräuchlich wurde, und deren Anzahl in den blühendsten Zeiten des Staats nicht über 1200 Mann betrug.
Aus den 10 später von Kleisthenes eingerichteten Stämmen wurden vom Volk jährlich 10 Feldherren gewählt; dieselben bildeten einen Kriegsrat, wobei der Oberbefehl täglich wechselte. In der Folge übertrug man bei wichtigen Gelegenheiten den Oberbefehl Einer Person. Den Strategen waren 10 Taxiarchen untergeordnet; die Reiterei führten 2 Hipparchen und 10 Phylarchen. In der Schlacht bildete das schwerbewaffnete Fußvolk gewöhnlich einen dicht gedrängten Haufen, der wenigstens 8 Mann hoch stand.
Von einer eigentlichen Belagerungskunst findet sich erst in den Zeiten des Peloponnesischen Kriegs ein Anfang. Gewöhnlich schloß man die feindliche Stadt durch eine mit Türmen befestigte Verschanzung ein, um sich gegen die Ausfälle der Belagerten zu sichern, und griff dann die Mauern mit verschiedenen Kriegsmaschinen an. Die bekanntesten unter letztern sind: das Schirm- oder Sturmdach, womit man sich bei Ausfüllung der Gräben deckte, auf Rädern bewegliche Türme, der Widder oder Mauerbrecher, die Wurfmaschine etc. Ehrenkränze, Waffen, höherer Rang etc. wurden denen, welche ausgezeichnete Tapferkeit bewiesen, zuteil.
Die Gefallenen ehrte man durch feierliche Grabreden und ließ deren hinterlassene Kinder auf Staatskosten erziehen. Die Feigheit traf bürgerliche Entehrung. Um die Gründung der athenischen Seemacht hatte Themistokles das größte Verdienst. Überwiegende politische Bedeutung erhielt dieselbe jedoch erst, seitdem auf Kimons Vorschlag die verbündeten Inseln statt eigner Schiffe Geldbeiträge leisten mußten. Die Kriegsschiffe wurden hauptsächlich durch Ruder in Bewegung gesetzt und hatten von der Zahl der übereinander liegenden Ruderreihen ihren Namen (dreiruderige, vierruderige, fünfruderige).
Bei jeder Flotte gab es außerdem Lastschiffe zum Transport des Proviants und kleinere Schiffe (Boote) zu Nebenzwecken. Die Bemannung der Schiffe machten aus: die Ruderer, deren Arbeit je nach ihren höhern oder niedern Sitzen mehr oder minder beschwerlich war, die Matrosen und die Seesoldaten, meist Schwerbewaffnete. Den Oberbefehl führte der Nauarch, unter welchem Trierarchen etc. standen. Die hauptsächlichste Waffe war der eherne Schiffsschnabel, mit welchem man die Seite des feindlichen Schiffs zu treffen suchte, um es in Grund zu bohren oder durch Beschädigung des Ruderwerks unbrauchbar zu machen.
Gewerbe. Häusliches Leben.
Unter den friedlichen Beschäftigungen des Heroenzeitalters der Hellenen stehen Ackerbau und Viehzucht obenan. Herden aller Art machten vorwiegend den Reichtum aus; zum Ackerbau und zwar sowohl zum Pflügen als zum Dreschen bediente man sich hauptsächlich der Stiere. Auch von der Obstkultur, besonders aber von der Pflege des Weinstocks ist in diesem Zeitalter schon die Rede. Immer aber blieb die Jagd, als zweckmäßige Vorübung zum Krieg, eine Lieblingsbeschäftigung der Heroen.
Statt des gemünzten Geldes galt beim Handel, der übrigens in geringer Achtung stand, gewöhnlich Kleinvieh als Maß des Werts. Der Lykurgischen Verfassung gemäß durfte der Spartaner kein bürgerliches Gewerbe treiben, nur Krieg und Jagd waren des freien Bürgers würdige Beschäftigungen. Die Ländereien bestellten die Heloten, die zugleich auch für Herbeischaffung der sonstigen Bedürfnisse des Lebens sorgen mußten. Alles dies änderte sich, als nach dem Peloponnesischen Krieg asiatische Üppigkeit Eingang fand und die einfachen Sitten der Vorzeit allmählich untergrub; bis dahin aber waren die Spartaner gewiß der ärmste unter den griechischen Stämmen.
Der Gebrauch des Silbers und Goldes war, wenn auch nicht gerade verboten, doch gewiß sehr beschränkt, und man bediente sich in der frühern Zeit des rohen Eisens, welches aus den inländischen Bergwerken gewonnen ward, später vielleicht auch eiserner Münze zum Handel. Der begüterte athenische Bürger konnte sich, da er für seinen Unterhalt nicht zu sorgen brauchte, ungestört den Staatsangelegenheiten widmen. Indes beschäftigten sich viele mit Landwirtschaft; den Bergbau ließ man betreiben.
Was die städtischen Gewerbe betrifft, so beschäftigte sich nur der ärmere Bürger mit Handwerken; der reichere ließ in seinen Fabriken und Manufakturen Sklaven arbeiten. Von Bedeutung war der athenische Handel, welchen ebensowohl die glückliche Lage des Landes und vortreffliche Häfen wie die Notwendigkeit, viele Produkte aus dem Ausland zu holen, schon frühzeitig begünstigten. Gegenstände der Einfuhr waren: Getreide aus Ägypten, Sizilien und besonders aus dem heutigen Südrußland, Honig, Wachs, Wolle, Leder von den Küsten des Schwarzen Meers, gesalzene Fische, Zimmer- und Schiffbauholz aus Thrakien und Makedonien, Teppiche, Bettdecken und Wolle aus Phrygien und Milet, Wein und alle Arten von Südfrüchten von den Inseln des Ägeischen Meers, Sklaven aus Thrakien, Thessalien etc. Ausfuhrartikel waren außer den Landeserzeugnissen besonders Fabrikate, Luxus- und Kunstgegenstände.
Das häusliche Leben in der Heroenzeit trägt dem Geiste des Zeitalters gemäß das Gepräge hoher Einfalt an sich, nur die Vornehmern erhoben sich zu einem freilich noch sehr bescheidenen Luxus. Die Speisen, nicht nur der Spartaner, waren allein auf Befriedigung des Bedürfnisses gerichtet. Brot, früher von Gerste, dann gewöhnlich von Weizen, sodann eine Art Mehlbrei, Lauch, Zwiebeln, Hülsenfrüchte und namentlich geröstetes Fleisch von Rindern, Schafen, Wild etc., auch wohl getrocknete Fische spielen die Hauptrolle.
Von Großgriechenland aus verbreitete sich später eine feinere Küche, welche Seefischen, Schaltieren, Gemüsen etc. den Vorzug gab. Nie wurde jedoch in Griechenland die Schlemmerei so Mode wie in Rom. Vielmehr fand man das Hauptvergnügen im Trinkgelage, welches auf die Mahlzeit folgte und durch Gespräche, Musik, Tanz und mimische Darstellungen gewürzt wurde. Dabei wurde der Wein stets mit der doppelten oder einer noch größern Quantität Wasser gemischt. Wenn die Teilnehmer dieser Symposien auch meist berauscht aufbrachen, so war doch Trunksucht im ganzen selten. Die Kleidung, besonders der Dorier, bestand aus einem hemdartigen, kurzen Untergewand mit oder ohne Ärmel (Chiton), welches bei Geschäften mittels eines Gürtels aufgeschürzt wurde, und aus einem mantelartigen Oberkleid, welches, mit einer Spange zusammengehalten, über den Schultern hing. Die Athener trugen bis auf Perikles den Chiton lang herabwallend, wie die Ionier in Kleinasien. Die Gewänder waren bei den Doriern gewöhnlich aus Wolle, bei
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den Ioniern von Leinenzeug, je nach der Jahreszeit dünner oder dichter gewebt. Weiß wurde zwar viel getragen, war aber doch nicht so vorherrschend, wie man oft annimmt. Die Frauentracht war zwar schmuckreicher, läßt sich jedoch in der Hauptsache auf jene beiden ursprünglichen Arten von Kleidungsstücken zurückführen. Auf dem Haupte trug man nur im Krieg, auf Reisen etc. eine Bedeckung; auch der Fußbekleidung (meist Sandalen mit Leder-, zum Teil auch Korksohlen) bediente man sich nur auf der Straße; Haar und Bart ließ man in früherer Zeit lang wachsen (s. Tafel »Kostüme I« [* ] und die Abbildungen bei den betreffenden Artikeln).
Die Wohnungen der Heroenzeit und selbst noch die späterer Epochen waren einfach (s. untenstehenden Plan). Durch die Hausthür, welche meist einen kleinen Vorraum (Propyläon) hatte, gelangte man in die Hausflur, auf deren beiden Seiten sich Werk- und Geschäftsräume befanden, und von da in den offenen, auf drei Seiten mit Säulen umgebenen Hof, in dessen Mitte der Altar des Zeus, des Schutzpatrons des Hauswesens, stand. Die aus den Längsseiten des Hofs befindlichen Gemächer dienten zu Speise- und Schlafzimmern, Vorratskammern, auch zum Aufenthalt für die Sklaven etc.; an der säulenlosen vierten Seite, der Hausflur gegenüber, lag der Saal (die sogen. Prostas), der Versammlungsort der Familie bei den gemeinsamen Mahlzeiten und bei Opfern, an den sich auf der einen Seite das eheliche Schlafgemach, auf der andern der Amphithalamos, wahrscheinlich das Schlafzimmer der Töchter, anschlossen.
Eine Thür in der Hinterwand des Saals führte in die Arbeitsräume der Mägde. Das Dach war meist platt; ihr Licht erhielten die Zimmer durch die nach dem Hofe führenden Thüren. Hatte das Haus einen Oberstock, so befanden sich in diesem zumeist die Gemächer für die Frauen und Kinder. Die Frauen beschäftigten sich mit Spinnen und Weben sowie mit der Verfertigung und Reinigung der Kleidungsstücke; Mahlen, Backen, Kochen und Wassertragen überließen sie den Sklavinnen.
Bei zunehmendem Verkehr mit dem Ausland und namentlich mit dem Orient lockerten sich natürlich die Sitten, selbst der Spartaner; ihre gemeinsamen, frugalen Mahlzeiten wurden üppiger, ihre einfache Tracht reicher, die Frauen zügelloser, die Häuser und Geräte kostbarer und prunkvoller. Die alte Gewohnheit der Hellenen, alle Pracht und allen Schmuck auf die Tempel und sonstigen öffentlichen Gebäude zu verwenden und die Privathäuser klein und bescheiden anzulegen, hörte in der makedonischen Zeit auf. Nun scheuten sich auch Privatleute nicht, Gebäude zu errichten, die selbst die öffentlichen an Eleganz u. Pracht weit hinter sich ließen. Dieselben hatten mit dem Haus der ältern Zeit nur den oft doppelt vorhandenen Hof als Hauptbestandteil, nach welchem sich die einzelnen Zimmer öffneten, gemeinsam.
[Litteratur.]
Zur Landes- und Volkskunde Altgriechenlands vgl. Bursian, Geographie von Griechenland (Leipz. 1862-72, 2 Bde.);
Neumann u. Partsch, Physikalische Geographie von Griechenland, mit besonderer Rücksicht auf das Altertum (Bresl. 1885);
Curtius, Peloponnesos (Gotha 1851-52, 2 Bde.);
Wagner, Hellas (6. Aufl. Leipz. 1885, 2 Bde.);
Hermann, Lehrbuch der griechischen Antiquitäten (neu bearbeitet von Blümner u. a., Freiburg 1882 ff., 4 Bde.);
Derselbe, Kulturgeschichte der Griechen und Römer (Götting. 1857-58, 2 Bde.), Wachsmuth, Hellenische Altertumskunde (2. Aufl. Halle 1843-46, 2 Bde.);
Jacobs, Hellas (Berl. 1852);
Schömann, Griechische Altertümer (3. Aufl., das. 1871-73, 2 Bde.);
Gilbert, Griechische Staatsaltertümer (Leipz. 1881-85, 2 Bde.);
»Griechenland, geographisch, geschichtlich und kulturhistorisch«, Bd. 1-4 (Separatausgabe aus Ersch u. Grubers Encyklopädie, das. 1870);
Becker, Charikles, Bilder altgriechischer Sitte (neu bearbeitet von Göll, Berl. 1878);
Guhl u. Koner, Das Leben der Griechen und Römer (5. Aufl., das. 1882);
J. ^[Jakob] v. Falke, Hellas und Rom.
Eine Kulturgeschichte des klassischen Altertums (Stuttg. 1879); Köchly und Rüstow, Geschichte des griechischen Kriegswesens (Aarau 1852); Seyffert, Lexikon der klassischen Altertumskunde (Leipz. 1882, populär).
Geschichte Altgriechenlands.
Der Schauplatz der griechischen Geschichte im Altertum beschränkt sich nicht auf die Landschaften und Inseln, welche das heutige Königreich Griechenland bilden. Außer Epirus und Thessalien umfaßt er die Inseln und Küsten des Ägeischen Meers auch im Norden und Osten. Gleiches Klima und die bequeme Verkehrsstraße des Meers verbinden diese durch bedeutende Küstenentwickelung und reiche Mannigfaltigkeit der Bodenform und Produkte ausgezeichneten Gebiete; der Einwirkung der Bewohner aufeinander wie der fremder Kultureinflüsse waren die Wege geebnet. Die Verschmelzung der in viele Stämme zersplitterten Bevölkerung zu Einem Kulturvolk war durch diese geographischen Verhältnisse wesentlich erleichtert, weniger die Herstellung eines einheitlichen politischen Gemeinwesens, obwohl diese auch keineswegs ausgeschlossen war.
Die ältesten Bewohner dieser gesegneten Lande gehören dem großen arischen oder indogermanischen Völkerstamm an und zwar dem südeuropäischen Zweig desselben, der, aus den Kelten, Griechen und Italikern bestehend, sich später als der nordeuropäische vom Urvolk lostrennte und, nach Westen wandernd, Kleinasien und das südliche und westliche Europa bevölkerte. Nach der frühzeitigen Loslösung der Kelten haben die Gräko-Italiker eine Zeitlang als ein Volk fortbestanden, bis die Italiker die Apenninhalb-
[* ] ^[Abb.: Plan eines altgriechischen Hauses.]
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insel zum Wohnsitz wählten, während die Griechen oder, wie sie sich selbst nannten, die Hellenen im Gebiet des Ägeischen Meers verblieben. In ihrem glücklichen Klima genossen die Griechen den Vorzug leiblicher Gesundheit und Wohlgestalt in besonderm Maß. Der edlen Körperbildung entsprach ihr freiheitliebender, hoch strebender, idealistischer Geist; Liebe zur Kunst, unermüdliche Wißbegierde, allgemeine Regsamkeit, Freude am rüstigen Üben aller körperlichen und geistigen Kräfte zeichnen die Hellenen aus.
Mit diesen Gaben ausgestattet, schufen sie sich eine herrliche Sprache, eine Religion voll sinniger Ideen und mit einer poetisch gestalteten Mythologie, die Grundlagen des Rechts- und Staatslebens. Lebhafter Sinn für Regel und Ordnung, für das Maßvolle gibt sich in allem kund. Die ersten Jahrhunderte dieser reichen Entwickelung entziehen sich aber unsrer Kenntnis. In die Geschichte treten die Griechen nicht als ein einheitliches Volk ein, sondern in Stämme gespalten, als Ionier, Dorier, Äolier, die, durch bewußte Unterschiede getrennt, untereinander kämpften und wetteiferten, bis sie von neuem wenigstens in der Kultur zu Einem Volk zusammenwuchsen.
Älteste Zeit.
Über die Ereignisse und den Fortgang der ersten Einwanderung in Griechenland liegt uns weder in geschichtlichen Aufzeichnungen noch in der Sage eine Überlieferung vor. Die Hellenen betrachteten sich als Autochthonen, als in Hellas eingeboren, doch nicht als die ersten Einwohner. Diese sind nach antiker Vorstellung die Pelasger, in Wirklichkeit die Bevölkerung, welche zuerst von Kleinasien aus die Meerengen der Propontis überschritt, die ganze Halbinsel überzog, bei Ackerbau und Viehzucht ein gleichförmiges Dasein führte und ohne Bild und Tempel auf hoch ragenden Bergen einen höchsten Gott (Zeus) verehrte.
Diesen folgten andre kleinere Stämme, welche, wie die Dorier (s. d.), denselben Weg zu Land einschlugen und in den Gebirgen Nordgriechenlands als Ackerbauer, Jagd- und Hirtenvölker die Anfänge staatlichen Lebens begründeten oder, wie die Ionier (s. d.), sich an der Westküste Kleinasiens ausbreiteten, von wo sie die Inseln des Ägeischen Meers und endlich die Küsten von Hellas selbst besetzten. Ihr Auftreten bezeichnet den Anfang des geschichtlichen Lebens.
Die Entwickelung der kleinasiatischen (Ost-) Griechen zu höherer Kultur erhielt von den Phönikern einen bedeutsamen, folgenreichen Anstoß. Von den Niederlassungen, welche diese auf den Inseln und an den Küsten der griechischen Meere zum Zweck des Handels, des Fanges der Purpurschnecke, der Ausbeutung der Bergwerke etc. gründeten, verbreitete sich ihre Kultur über die benachbarten Stämme; manche, wie namentlich die Karer, vereinigten sich mit ihnen zu einem Mischvolk.
Von ihnen lernten die Ostgriechen besonders die Schiffahrt, und schon im 15. Jahrh. v. Chr. werden in ägyptischen Urkunden griechische Seefahrer erwähnt. Bald erlangten sie die Herrschaft im Archipel und traten in Verbindung mit den Westgriechen (Pelasgern), gründeten in Hellas Ansiedelungen an günstig gelegenen Golfen und Flußmündungen, verschmolzen sich mit den stammverwandten alten Einwohnern und brachten ihnen ihre durch die Berührung mit dem Orient bereicherte und erhöhte Kultur sowie neue Götterdienste (Aphrodite, Herakles, Poseidon u. a.). Argos, Böotien, Euböa, der Pagasäische Meerbusen waren die wichtigsten Schauplätze dieser Entwickelung; die Mythen und Heroensagen von Argos, Danaos, Agenor, Perseus, Palamedes, Pelops, Kadmos sind Zeugnisse der lebendigen Erinnerung des Volkes an diese Zeit.
Das Reich des Minos auf Kreta ist in dieser ältesten Periode der griechischen Geschichte die bedeutendste staatliche Gründung. Er beherrschte den größten Teil des Archipels, machte dem Seeräuberwesen ein Ende und eröffnete der Schiffahrt neue Bahnen bis nach Sizilien hin; Ordnung und Recht und die ältesten Formen des Kultus führten ihren Ursprung auf Kreta zurück. In Kleinasien bestanden im Binnenland das Reich der den Hellenen nahe verwandten Phrygier, an der Küste das der Dardaniden zwischen Ida und Hellespont mit der Hauptstadt Troja oder Ilion, das des Tantalos in Sipylos, das der Lykier.
Auf der Westseite des Ägeischen Meers unter den Pelasgern war es der Stamm der Minyer am Pagasäischen Meerbusen, welcher zuerst zur See Unternehmungen versuchte, die in der Argonautensage verherrlicht sind. Zu Lande drangen die Minyer nach Böotien vor, verwandelten die Sümpfe des Kopaissees durch Regelung des Abflusses in fruchtbares Ackerland und erbauten in ihm die Pelasgerburg Orchomenos. Im südöstlichen Böotien erstand durch phönikische, kretische und kleinasiatische Einwanderung das Reich des Kadmos mit dem siebenthorigen Theben.
Die Völkerstämme, welche unter dem Einfluß von Osten her zu staatlichem Leben erwachten, faßte man unter den Namen Äolier und Achäer zusammen. Ihre Fürstengeschlechter, die Söhne des Äolos oder des Achäos genannt, leiteten ihren Ursprung von Osten her, so vor allen die Pelopiden, »Tantalus' Geschlecht«, welche auf der südlichen Halbinsel, dem Peloponnes, die Staaten Argos und Sparta gründeten und ihre Vorherrschaft auch auf Mittelgriechenland und einen Teil des Archipels ausdehnten. Völlig ionisch war Attika geworden; außerdem beherrschten die Ionier Euböa, den Isthmos und die Nordküste des Peloponnes, Ägialeia.
Dorische Wanderung.
Gegen diese Einwanderung von Osten her erfolgte nun eine Reaktion, welche ihren ersten Anstoß von Epirus aus erhielt. Von hier wanderte der griechische Stamm der Thessalier über den Pindos in das östlicher gelegene Land ein. Sie unterwarfen sich das fruchtbare Thal des Peneios, dem sie ihren Namen gaben, und in dem sie als Kriegsadel hausten. Die alten äolischen Einwohner, die Arnäer oder Böotier, mußten als Zinsbauern das Land bestellen und genossen keinerlei politische Rechte.
Nur ein Teil, die vornehmern Geschlechter der Böotier, fügte sich der Fremdherrschaft nicht. Sie verließen die Heimat, wandten sich nach Süden und ließen sich in der Ebene des Kopaissees nieder. Hier verdrängten sie die Minyer von Orchomenos und die Kadmeionen aus Theben und vereinigten die ganze Landschaft Böotien zu einem allerdings lockern Gemeinwesen, dessen Hauptstadt Theben war. Noch ein andres Volk wurde durch den Einbruch der Thessalier zu Wanderungen veranlaßt, die Dorier.
Ihre älteste Heimat war der Sage nach Phthiotis, dann Hephästiotis am Abhang des Olympos; sie standen unter einem Fürstengeschlecht, das seinen Ursprung von Herakles ableitete. Aus ihren Wohnsitzen am Olympos vertrieben, brachen sie sich nach Süden Bahn und entrissen den Dryopern die Berglandschaft Doris, zwischen Parnaß und Öta. Schon im Besitz fester staatlicher Ordnungen, suchten sie diese auch über die Nachbarschaft auszubreiten und gründeten einen Bund der Hauptstämme Mittelgriechenlands, die delphische Amphiktyonie, mit dem gemeinsamen Gottesdienst des Apollon, dessen
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Ausbreitung recht eigentlich den Fortschritt der Kultur bezeichnet; als Gesamtname für die Völker dieses Bundes kam der Name Hellenen auf. Von diesem Bund sind dann fernere Völkerbewegungen ausgegangen, welche man die Dorische Wanderung (in der Sage die »Rückkehr der Herakliden« [s. d.], nach den Führern der Dorier) nennt, an denen aber auch andre Stämme neben den Doriern teilnahmen. Dieselben überschritten (der Überlieferung nach 1104 v. Chr.) die schmale Meerenge, welche den Korinthischen Golf im Westen begrenzt, und eroberten, von Rhion nach Süden langsam vordringend, in hartnäckigem, langem Kampf mit den Achäern den größten Teil des Peloponnes.
Arkadien umgehend, erreichten sie den Isthmos von Korinth, besetzten Megaris und waren im Begriff, indem sie den Doriern am Öta die Hand reichten, ganz Hellas zu unterjochen, als der Heldenmut Athens 1068 ihrem Vordringen ein Ziel setzte. Die aus Elis, Messenien, Lakonien und Argos verdrängten Achäer zogen sich nach Arkadien zurück und breiteten sich von hier aus über Ägialeia aus, dessen ionische Einwohner sie vertrieben, und dem sie ihren Namen Achaia gaben.
Die Griechen in Kleinasien.
Diese gewaltsame Umwälzung, welche sich vor allem gegen die unter dem Einfluß östlicher Einwanderung gegründeten Staaten richtete, konnte nicht ohne weitere Folgen bleiben. Eine große Rückströmung der Griechen nach den Inseln des Archipels und den Küsten Kleinasiens trat ein. Drei große Kolonienzüge lassen sich unterscheiden: der äolische, welcher im Norden zog, der ionische in der Mitte, der dorische im Süden. Der letztere umfaßte auch ionische und achäische Ansiedler, welche unter dorischer Führung auszogen.
Von ihm wurden die Küste Kariens, Rhodos und Kos kolonisiert, Kreta nach langsamer gründlicher Eroberung fast ganz dorisch gemacht. Die Ionier, welche meist von Athen auszogen, das die Zufluchtsstätte aller Vertriebenen gewesen war, fanden in dem Mündungsgebiet des Kaystros und Mäandros zwar die Macht der Lydier ausgebreitet und hatten von Samos aus um Ephesos lange, harte Kämpfe zu bestehen, deren Erinnerung in der Sage von den ephesischen Amazonen fortlebte; sie fanden indes in den Seestädten ihre alten Stammesgenossen wieder, mit denen sie zu neuen Gemeinden verschmolzen, und auf deren politische und geistige Entwickelung sie einen ungemein fördernden Einfluß ausübten.
Vor allem war die Einigung der asiatischen Ionier zu einem Bund von zwölf Städten ihr Werk. Die Äolier, meist unter Führung achäischer Geschlechter aus dem Peloponnes (die Sage nennt sie Nachkommen Agamemnons), sammelten sich in Böotien und segelten vom Hafen von Aulis nach der thrakischen Küste, wo sie mehrere Kolonien gründeten. Später schoben sie sich weiter nach Osten bis zum Hellespont, überschritten diesen, besetzten Kyzikos und Lesbos und eroberten allmählich Mysien und Troas. Im hartnäckigen Kampf gegen die Dardaner stärkten sie ihren kriegerischen Mut durch die Erinnerung an die alten achäischen Heerkönige, die Atriden und Achilleus, deren Thaten sie in Liedern feierten, und diese Thaten gestalteten sich nach und nach unter dem Einfluß des eigentümlichen Strebens der Hellenen, ihre Eroberungen nicht bloß auf das Recht des Stärkern, sondern auf eine Art von Erbrecht zu gründen, zu einem angeblich 130 Jahre zuvor unternommenen Heereszug der Achäer gegen Troja. Die Lieder, welche diese Sage behandeln, wurden den benachbarten Ioniern bekannt, von ihnen erweitert und ausgeschmückt, und aus ihnen entstand durch die Verschmelzung der einzelnen Abenteuer zu einem kunstmäßigen Ganzen die »Ilias« Homers.
Obwohl die Homerischen Gedichte erst in Kleinasien entstanden sind und mehrfache Spuren späterer Anschauungen, z. B. über die Götterwelt, das Königtum etc., enthalten, so haben sie doch im allgemeinen eine so treue Erinnerung an die Zeit vor der Wanderung bewahrt, daß sie eine zuverlässige Quelle für die Kenntnis der Zustände bilden, die im hellenischen Volk vor der Dorischen Wanderung, im sogen. patriarchalischen oder Heldenalter, herrschten. Ackerbau und Viehzucht, Seefahrt und Handel bilden die Thätigkeit der Hellenen und liefern ihnen den Lebensunterhalt.
Über die Masse des Volkes erheben sich die Edlen, die Herren, deren Lieblingsbeschäftigungen Krieg und Jagd sind; über diesen steht der König (Basileus) mit erblicher, von Zeus verliehener Gewalt als oberster Feldherr, Richter und Priester. Er wohnt in einer stattlichen, von sogen. kyklopischen Mauern geschützten Burg (Tiryns, Mykenä); prachtvolle Kuppelbauten (früher für Schatzhäuser gehalten) dienten zu Königsgräbern. Doch sind die Könige keine Despoten; sie bedienen sich des Beirats der Geronten, welche namentlich Recht sprechen.
Der Mörder war der Blutrache preisgegeben, doch konnte er sich durch ein Sühnegeld lösen. Das streng beobachtete, weil unter den Schutz von Zeus selbst gestellte Gastrecht machte einen friedlichen Verkehr zwischen den verschiedenen Stämmen möglich. Das Familienleben war ein edles, die Frau geachtet, Liebe gegen die Eltern eine heilige Pflicht. An Ausbrüchen wilder Leidenschaft, ungebändigter, roher Naturkraft fehlte es nicht, namentlich bei den kriegerischen Achäern, während die Dardaner als sanfter und gesitteter geschildert werden.
Übergewicht Spartas.
Die Dorische Wanderung hatte den Doriern das Übergewicht in Griechenland verschafft. Unter den von ihnen auf dem Peloponnes gegründeten neuen Staaten Argos, Messenien und Sparta (s. d.) war der letzte der kräftigste. Zwar hatten die Dorier in Lakonien so wenig wie in Argolis und Messenien das ganze Gebiet erobert und die alten Einwohner völlig unterjocht; ja, sie haben sogar einheimische Fürstengeschlechter anerkennen müssen, denen sie sich als der Kriegerstand unterordneten; eins ihrer Königsgeschlechter, die Agiaden, war wahrscheinlich achäischen Stammes. Es fehlte auch nicht an Irrungen zwischen diesen Königsfamilien, den Agiaden und den Eurypontiden, und den Doriern.
Sie beseitigt und dem Staat neue Ordnungen gegeben zu haben, die ihm innern Frieden und Kraft nach außen verliehen, ist das Verdienst des Lykurgos. Die Kraft des dorischen Teils der Bevölkerung, der Spartiaten, wurde durch die Lykurgische Gesetzgebung außerordentlich gehoben und die Dorisierung Lakoniens ermöglicht. Zugleich erwachte in den Spartiaten, welche ausschließlich für das kriegerische Leben erzogen wurden, im Frieden nur in der Jagd eine Unterbrechung des einförmigen Soldatenlebens kannten, die Eroberungssucht.
Das benachbarte Messenien, auf dessen fruchtbaren Fluren die eingewanderten Dorier friedlich unter den alten Einwohnern lebten und sich vielfach mit ihnen verschmolzen hatten, lockte durch seinen Reichtum zuerst den Angriff auf sich. Nach einem 20jährigen Kampf, dem ersten Messenischen Krieg (743-724), fiel die von Aristodemos tapfer verteidigte Burg Ithome, und die Messenier mußten sich unterwerfen. Ein Teil ihres Ackers wurde ihnen abgenommen und unter die Spartiaten verteilt, deren Ackerlose hierdurch von 4500