DieGunst, welche einzelne
Kaiser den
Hellenen bezeigten, konnte den völligen
Verfall alter
Sitte und
Kraft
[* 5] nicht abwenden. Ein Wohlthäter
Griechenlands war der
Kaiser Trajan, dem auf gemeinsamen Beschluß aller
Hellenen zu
Olympia
ein Standbild errichtet ward.
Noch mehr aber gilt dies von
Hadrian, welcher, wie keiner der römischen
Kaiser von derHellenen
altem
Glanz und
Ruhm begeistert, neben dem, was er zur Belebung der
Kunst und
Wissenschaft beigetragen, auch manches that, um
den politischen Zustand der hellenischen
Staaten, namentlich
Athens, das er durch großartige Neubauten verschönerte, zu verbessern.
Aber unter dem
Druck der römischen Provinzialverwaltung gerieten auch althellenische
Wissenschaft undKunst
immer mehr in
Verfall.
Philosophie und
Redekunst sanken zu täuschender
Sophistik herab, worin man das höchste
Ziel menschlicher
Geistesthätigkeit sah, und verschwanden endlich völlig in den Rhetorenschulen zu
Rom,
[* 6]
Athen und
Alexandria. Die bildende
Kunst,
obgleich von
Kaisern und reichen Privatleuten sehr gepflegt, verlor durch ihre fast ausschließliche Anwendung auf
die
Baukunst
[* 7] ihren selbständigen
Charakter und sank immer tiefer, je mehr der
Sinn für ihre höhere Bedeutung sowie
Talent
und Thätigkeit der
Künstler mit den äußern
Mitteln zu ihrer
Erhaltung verloren gingen.
Mit der alten
Sitte wich auch der
Glaube an die alten
Götter und
Heroen; die
Tempel
[* 8] undAltäre standen verlassen,
die
Orakel verstummten. Die Nachkommen derer, welche die unsterblichen Werke eines
Äschylos,
Sophokles und
Euripides begeistert
hatten, ergötzten sich in den
Theatern zu
Athen und
Korinth
[* 9] sowie bei den
Festspielen zu
Olympia und auf dem Isthmos an den
Grimassen
römischer Possenreißer und an
Tierkämpfen und blutigen Gladiatorengefechten. Zwar suchte man durch
alljährliche Festlichkeiten das Andenken an glorreiche
Tage undHelden der Vorzeit zu erhalten; allein
Geist und
Kraft der Vorfahren
erwachten nimmer wieder in den entarteten Nachkommen, welche, in
Trägheit und entnervenden Sinnengenuß versunken, den von
Norden
[* 10] her andringenden
Barbaren bald völlig erlagen.
In denStürmen derVölkerwanderung zerfiel vollends
das schon längst morsche Gebäude hellenischer
Nationalität, und selbst die
Erinnerung an die untergegangene
Herrlichkeit
ward auf lange Zeit unter seinen Trümmern begraben. Weiteres s. unter Griechenland
[* 11] (Neu-Griechenland), S. 705 f.
Was die Bodenbeschaffenheit und die geognostischen Verhältnisse anlangt, so bestimmen vornehmlich zwei
Hauptgebirgsrichtungen die Gestaltung sowohl des
Festlandes und
Moreas als der
Inseln. Die eine bedeutendste
Richtung ist die
des vorwiegend aus Kreidekalken bestehenden
Pindos, von NNW. nach SSO., welche nicht allein in Nordgriechenland, sondern selbst
im äußersten
Süden, in der
Bildung der beiden peloponnesischen
Halbinseln, der
Maina und der vonMonemvasia,
zur
Erscheinung kommt. Der zweiten
Richtung, der des
Olympos, von
NW. nach SO., gehören mehrere parallele
Ketten an, die von
Attika, die von
Euböa, die
NordküsteMoreas von
Argolis bis
Patras und die Inselreihen der
Kykladen. Eine dritte
Richtung wird
durch die Verbindungsstränge zwischen den beiden vorigen, durch das thessalische Grenzgebirge, den
Othrys,
von W. nach O., und durch den hohen Kalkstock des
¶
Makroplagi (Geraneia, 1370 m) auf dem Isthmus repräsentiert. Unter allen Gesteinen sind es die Kalkgesteine der verschiedensten,
hauptsächlich aber der Kreideformation,
[* 19] welche über alle andern vorherrschen und durch ihre vielfach wilden, mannigfaltigen
Formen Griechenland charakterisieren. Ausgedehnt ist ferner die Verbreitung des kristallinischen Schiefergebirges,
während die kristallinisch-körnigen Gesteine,
[* 20] wie Granit und Syenit, nur auf einigen Inseln in größerer
Bedeutung auftreten.
Auf dies kristallinische Gebirge folgen von wahrscheinlich paläozoischen Gesteinen: Thonschiefer, Kalkthonschiefer, grüne Grauwackesandsteine
und ungemein mächtige graue, versteinerungsarme Kalksteine, die am Parnaß durch jüngere, ebenfalls mächtige Kalke überlagert
werden. Nach S. zu löst sich das Pindossystem zu einem großartigen, von tiefen Felsschluchten wild
zerrissenen Gebirgsland auf, das aus den alten Sedimentgesteinen zusammengesetzt ist, und zu dessen steilen Kalkstöcken die
Gebirge von Agrapha, das Ötagebirge (mit dem 2152 m hohen Katavothra), der Parnaß (Liakura, 2459 m), der Helikon (Paläo-Vuno, 1749 m),
wohl auch der Kithäron und Makroplagi gehören.
Auch in den Gebirgen von Achaia, im Voidia (1927 m), Olonos (Erymanthos, 2224 m), im mächtigen Ziria (Kyllene, 2371 m),
finden sich ähnliche dichte Kalksteine. Dieselben alten Sedimente setzen auch den Zug
des Othrys und den Bergzug der Thermopylen
zusammen und bilden weithin durch Böotien niedrige Bergzüge und die Unterlage der Kreidekalksteine. Kristallinisches Schiefergebirge
mit ungemein entwickeltem kristallinischen Kalk, zum Teil trefflichem Statuenmarmor (Pentelikon), bildet dagegen den Kranz einzelner
Bergmassen, welcher Athen umringt, den Parnes (Ozea), Pentelikon und Hymettos (1027 m), und die erzreichen Berge von Laurion.
Ebenso bildet es die hohen, steilen Gebirgszüge des Südens mit fast senkrechter Schichtenstellung, das Pentedaktylongebirge
(Taygetos, mit dem 2409 m hohen Hag Ilias) in der Maina und das etwas niedrigere Malevogebirge (Parnon, 1957 m).
Lakonien lieferte einst nicht allein geschätzte Marmore, sondern auch rote Porphyre, vor allem aber die prachtvollen grünen
Oligoklasporphyre oder Prasophyre der Franzosen (Ophit oder porfido verde antico der Italiener), so zwischen Marathonisi und
Levetsova. Ganz Euböa (s. d.) ist von einer solchen Achse kristallinischen Schiefergebirges, dem auch der grün gestreifte
Marmor von Karystos, der sog. Zwiebelmarmor (Cipollino), angehört, der Länge nach durchzogen; die höchste Kuppe steigt im
Delphysgebirge zu 1745 m an; an sie schließen sich zu beiden Seiten die aufgerichteten paläozoischen Gesteine an.
Fast überall finden sich daselbst ältere Grundgebirge als Basis der Trachyte, Obsidiane und Bimssteine und
der mancherlei Tuffe und Schlackenbildungen; Basalt ist nur auf Milos beobachtet. Die (nördlichen) Sporaden zeigen ähnliche
Zusammensetzung, nur nehmen daran ältere und jüngere sedimentäre Gesteine wesentlichern Anteil. Von Sedimenten einer spätern
als der paläozoischen Zeit kennt man nur solche der Kreidegebirge und der eocänen Formation mit nummulitenführenden Gesteinen
und ausgedehnte jüngere Tertiärablagerungen.
Ausgedehnter sind die blauen Subapenninenthone mit Lignitflözen und die sandigen Meereskalke. Sie bilden
das weite, vom Alpheios im S. durchschnittene Plateau von Elis bis Patras im N., ebenso das Plateau zwischen Navarino und Koron;
überhaupt ist ganz Morea von neuen marinen Ablagerungen umgürtet, und die Ablagerungen auf dem Isthmus bei Korinth
beweisen, daß in nicht ferner Zeit die gegenwärtige Halbinsel rings vom Meer umflossen war, aus dem sie sich allmählich
erhob.
Zahlreich sind die Thermen auf dem Festland wie auf den Inseln, meist Kohlensäuerlinge und Schwefelwässer. Auf Thermia, zu Lipso
(bis 87° C. Wärme)
[* 24] auf Euböa, an den Thermopylen, bei Patradschik, bei Korinth, hoch oben am Olonos und
an andern Orten sind solche warme Quellen. Griechenland ist ein höhlenreiches Land; in den Kalken aller Formationen kommen solche vor,
so die berühmte Höhle von Antiparos mit ihren Aragonitstalaktiten im kristallinisch-körnigen Kalk, die am Parnaß und in
Böotien im paläozoischen Kalk, die von Syllaka auf Thermia im eisenschüssigen kristallinischen Schiefergebirge,
andre auf dem Peloponnes im Kreidekalk; das Höhlenkloster Megaspileion ist in das Konglomerat hineingebaut. Wichtig werden
viele dieser Höhlen als natürliche Abzugskanäle (Katabothren) für die Wasser der vielen geschlossenen Beckenthäler, in
Böotien sowohl als in Morea, von denen das von Tripolitsa das größte ist. Zu den merkwürdigsten Katabothren
gehören aber die Höhlen an der Küste von Kephalonia, in welche sich landeinwärts laufende, Mühlen
[* 25] treibende Meeresströme
verlieren (s. Argostoli).
KeinLand derErde hat im Verhältnis zu seinem Flächeninhalt eine so reiche Gliederung und Einbuchtung wie Griechenland. Die Küstenausdehnung
beträgt mit Ausschluß der Inseln über 2000 km. Dieser maritime Charakter prägt sich immer entschiedener
aus,
¶
mehr
je weiter man von N. nach S. fortschreitet, und ist auf der Ostseite reicher entwickelt und für den Seeverkehr geeigneter
als auf der Westseite, wo das Land meist in schroffen Klippen
[* 27] gegen das Meer abfällt. Dem Umstand, daß dem Osten trefflichere
Häfen offen stehen, ist es zuzuschreiben, daß die Bewohner von Anfang an mehr auf den Verkehr mit dem
Osten als mit dem Westen hingewiesen waren. Der Meerbusen von Arta, der Golf von Lepanto oder Korinth, der weite Busen von Arkadia,
die Busen von Navarino und Modoni, der prächtige Golf von Koron (Messene), der noch größere von Marathonisi (Lakonien), der
schöne Golf von Nauplia (Argolis), der Busen von Hydra, der buchtenreiche Golf von Ägina, die golfartige Straße zwische ^[richtig:
zwischen] Euböa und Attika mit dem Evripos, der unmittelbar in den Golf von Zituni führt und durch den Kanal
[* 28] von Trikeri mit
dem Busen von Volos in Verbindung steht: alle diese Golfe sind tief, geschützt und für die Schiffahrt sehr
günstig. Der Buchten, Baien und Häfen geringern Umfangs sind unzählige. Unter den Meerengen sind die bedeutendsten die von
Trikeri, Talanti und Evripos; unter den Landengen ist die berühmteste die von Korinth.
GroßeLängenthäler fehlen, und längere Flüsse
[* 29] können sich nicht entwickeln. Sehr häufig
dagegen sind die Sackthäler, die sich gegen das Meer hin öffnen, sehr zahlreich, aber kurz die Küstenflüsse. Der größte
Fluß ist der vom Peristeri kommende Aspropotamo (Acheloos), der einen schiffbaren Unterlauf besitzt, seit 1881 ganz Griechenland angehört
und der InselKephalonia gegenüber in das Ionische Meer mündet; ihm parallel fließt westlich der auf
türkischem Gebiet entspringende Artinos (Arachthos), welcher in den Meerbusen von Arta mündet, östlich der Phidari (Euenos),
welcher in den Golf von Patras, und der Morno, welcher in den Golf von Korinth fällt.
Obgleich die Zahl der
Quellen ziemlich bedeutend ist, so sind sie doch sehr ungleich verteilt. Auf dem Ostabhang des Taygetos
und auf der Nordseite des Kithäron sind sie sehr zahlreich; in Attika dagegen und in Megaris sind sie selten, und auf der
Ebene von Argos gibt es gar keine. Andre fließen nur im Winter und Frühjahr und versiegen im Sommer. Seen
von einiger Bedeutung sind in Thessalien der Karlasee (Boebe) und der Nezerosee (Xynias), in Livadien der Topoliassee, der
Likorisee, der Vrachorisee (Trichonis) und der See von Angelokastron, auf der HalbinselMorea der Zarakasee (Stymphalis) und
der See von Phonia. Seit mehreren Jahren ist man mit der Austrocknung des Topoliassees beschäftigt und
gegenwärtig der Tunnel
[* 30] und Kanal von Karditza vollendet, welcher dessen Gewässer in den Hyliksee ableitet, von dem eine Verbindung
nach dem Meer hergestellt wird (s. Kopaissee). Auch der Zaraka- oder Stymphalissee wird gegenwärtig trocken gelegt. Versumpfungen
finden sich besonders in den
HochebenenArkadiens, am Topolias und der Mündung des Aspropotamo.
Die klimatischen Verhältnisse Griechenlands zeigen jene Abwechselung und Mannigfaltigkeit, die den Hauptcharakter
seines geographischen Baues ausmacht. Auf der kurzen Strecke von sechs Breitengraden findet man in Griechenland klimatische Unterschiede,
wie sie weiter westlich sich auf eine nordsüdliche Erstreckung von 15 Grad (von Mitteldeutschland bis
Sizilien)
[* 31] verteilen. Denn noch im Pindos und Parnaß herrschen die Waldbäume Deutschlands,
[* 32] Eiche und Buche, vor.
Der regelmäßige Seewind, der sich nachmittags von 2-3 Uhr
[* 36] einstellt, mildert die Hitze des Sommers. Die Luft ist im ganzen ungemein
rein und trocken, namentlich auf den Bergen.
[* 37] In den sumpfigen NiederungenBöotiens, die indessen jetzt ihrer Trockenlegung entgegensehen,
ist der nachteiligen Ausdünstungen wegen der Aufenthalt nur im Winter möglich, und die Bewohner verlassen
nach gemachter Aussaat ihre dortigen Winterhütten, um erst zur Erntezeit wiederzukommen.
Zur Schönheit und Gesundheit des griechischen Klimas tragen die häufigen Winde
[* 38] viel bei, obschon dieselben oft, wie namentlich
die im November und Februar herrschenden Nordwinde, eine außerordentliche Heftigkeit annehmen. Zeugnis
davon sind die zahlreichen krumm gewachsenen Feigenbäume. Auch die hohe Lage des Landes begünstigt die Annehmlichkeit des
Klimas. Die Jahreszeiten
[* 39] prägen sich scharf aus. Mit dem März tritt der Frühling in seiner ganzen Schönheit auf und währt
bis Juni, wo sich der Sommer mit großer Hitze einstellt, welche bis Ende August anhält.
Während dieser Zeit fällt kein Regen, der Boden ist dürr, die meisten Flüsse sind ausgetrocknet, und die Vegetation wird
nur durch den nächtlichen Tau in etwas unterhalten. Der griechische Himmel
[* 40] bewahrt in dieser Zeit seine berühmte Schönheit;
er ist stets rein und wolkenleer, die Nächte sind hell, und die Durchsichtigkeit der Atmosphäre ist so
groß, daß der Raum sich zu verengern und der entfernteste Gegenstand dem Auge
[* 41] nahegerückt scheint. Mit dem September stellen
sich erfrischende Gewitterstürme ein, und es beginnt der bezaubernde Herbst. Ende November folgt dann die Regenzeit; der Winter
macht sich geltend, doch werden seine naßkalten Tage oft vom lachendsten Lenzwetter unterbrochen.