Gribojédow
,
Alexander Ssergejewitsch, bedeutender russ. Dichter und Staatsmann, geb. zu
Moskau,
[* 2] erhielt eine sehr gute
Erziehung und schloß sich auf der
Universität seiner Vaterstadt innig an den aus
Göttingen
[* 3] dahin berufenen
Professor der Geschichte und
Ästhetik,
Johann
Buhle, an, welcher ein begeisterter Verehrer
der dramatischen
Poesie war und seinem jungen
Freund in gleicher
Weise diese
Begeisterung einzuimpfen wußte. Im J. 1812 trat
in die
Armee, blieb jedoch in derselben nur ein paar Jahre und ging 1817 ins
Ministerium des
Auswärtigen über, von wo er in
demselben Jahr als
Sekretär
[* 4] der russischen Gesandtschaft nach
Persien
[* 5] geschickt wurde. In dieser
Stellung verblieb er drei
Jahre und wurde danach auf seine Bitte als
Sekretär für auswärtige
Korrespondenz bei
Jermolow, dem damaligen Oberkommandierenden
in
Grusien und im
Kaukasus, angestellt. Die
Verdienste, welche er sich im russisch-persischen
Krieg erwarb
(er leitete die Friedensverhandlungen), bewogen
Kaiser
Nikolaus, Gribojédow
1828 als bevollmächtigten
Minister nach
Persien zu
¶
mehr
senden, obgleich Gribojédow
selbst sich viel lieber ganz ins Privatleben zurückgezogen hätte. Gribojedows
energisches,
die Interessen und die Würde Rußlands verfechtendes Auftreten in Teheran zog ihm aber daselbst so viele Feinde zu, daß die
Erbitterung gegen ihn eines Tags in offene Thätlichkeit ausartete. Am stürzte sich ein von der
persischen Geistlichkeit angestachelter großer Volkshaufe auf das Gesandtschaftshotel, die persische Ehrenwache vor dem Haus
wurde zurückgedrängt, die paar den Eingang schützenden Kosaken niedergemacht und Gribojédow
selbst, der sich mit dem Säbel in der
Hand
[* 7] mutig zur Wehr setzte, mit 36 zu der Gesandtschaft gehörenden Personen ermordet.
Gribojedows
Hauptwerk ist das in Versen abgefaßte Schauspiel »Góre ot umá« (deutsch unter andern von
Bertram [Schulz]: »Verstand schafft Leiden«,
[* 8] Leipz. 1853), ein mit bitterm Humor in großen Zügen gezeichnetes Gemälde gesellschaftlicher
Zustände in Rußland im Anfang des 19. Jahrh. Die Engherzigkeit und geistige Nichtigkeit dieser Gesellschaft, in der kein
Raum für eine ehrliche und geistig aufgeweckte Individualität war, ist in lebendigen, sich frei und sicher
bewegenden Gestalten verkörpert.
Leider ist nur der Held eine zu wenig thatkräftige Natur, so daß seinem Wesen etwas Phrasenhaftes anhaftet. Bemerkenswert ist ferner das Shakespeareschen Geist atmende Fragment eines Dramas: »Gruscinskaja notsch« (»Eine grusinische Nacht«);
ebenso muß einer sehr guten Übertragung des »Vorspiels auf dem Theater« [* 9] aus Goethes »Faust« erwähnt werden.
Eine neuere Ausgabe seiner Werke, mit Biographie, erschien in der »Russischen Bibliothek«, Bd. 5 (Petersb. 1875).