Gregorovius
,
Ferdinand, namhafter deutscher Geschichtschreiber und Dichter, geb. zu Neidenburg in Ostpreußen, [* 2] widmete sich, auf dem Gymnasium zu Gumbinnen [* 3] vorgebildet, auf der Universität Königsberg [* 4] dem Studium der Theologie und Philosophie, nach Ablauf [* 5] seines akademischen Trienniums aber, seiner Neigung folgend, poetischen und historischen Studien. Nachdem er seit 1841 mehrere belletristische Produkte, unter andern »Werdomar und Wladislaw, aus der Wüste Romantik« (Königsb. 1845, 2 Tle.),
veröffentlicht hatte, gab er eine bedeutendere Arbeit: »Goethes Wilhelm Meister in seinen sozialistischen Elementen« (das. 1849),
heraus, welches Werk ein tiefes Verständnis des Dichters bekundete.
Kleinere
Arbeiten, aber
voll Tiefe und
Wärme
[* 6] der
Empfindung, waren: »Die
Idee des Polentums«
(Königsberg 1848) und »Die
Polen- und Magyarenlieder« (das.
1849). Die
Frucht gründlicher historischer
Studien waren die
Tragödie »Der
Tod des
Tiberius« (Hamb. 1851) und die »Geschichte
des römischen
Kaisers
Hadrian und seiner Zeit« (das. 1851, 3. Aufl. 1884).
Im Frühjahr 1852 begab sich Gregorovius
nach
Italien,
[* 7] das er seitdem vielfach durchwanderte, und wo er sich nun längere Zeit aufhielt.
Interessante Ergebnisse seiner dortigen Beobachtungen und Studien enthalten das treffliche Werk über »Corsica« [* 8] (Stuttg. 1854, 2 Bde.; 3. Aufl. 1878; auch ins Englische [* 9] übersetzt) und die unter dem Titel: »Wanderjahre in Italien« (5 Bde.) gesammelten, in wiederholten Auflagen erschienenen Schriften: »Figuren. Geschichte, Leben und Szenerie aus Italien« (Leipz. 1856),
»Siciliana, Wanderungen in Neapel [* 10] und Sicilien« (1860),
»Lateinische Sommer« (1863),
»Von Ravenna bis Mentana« (1871),
und »Apulische Landschaften« (1877), worin er nicht nur die südliche Natur in ihren Reizen zu schildern, sondern auch die ernste Schönheit der antiken Kunstwerke einsichtsvoll zu würdigen und die zahlreichen geschichtlichen Erinnerungen mit Sachkenntnis und Geschmack einzuflechten weiß. Daran schloß sich »Die Insel Capri« [* 11] (Leipz. 1868, mit Bildern von K. Lindemann-Frommel). Auch sein idyllisches Epos »Euphorion« (Leipz. 1858, 2. Aufl. 1872; von Th. Grosse illustriert, 1872) atmet südliche Luft und klassischen Geist. Er lieferte auch eine gelungene Übersetzung der »Lieder des Giovanni Meli von Palermo« [* 12] (Leipz. 1856, 2. Aufl. 1886). Welche gründlichen historischen Studien, namentlich über die Geschichte Roms, er aber während seines Aufenthalts in Italien gemacht, beweisen seine Schriften: »Die Grabmäler der römischen Päpste« (Leipz. 1857, 2. Aufl. 1881) und die »Geschichte der Stadt Rom [* 13] im Mittelalter« (Stuttg. 1859-73, 8 Bde.; 4. Aufl., das. 1886 ff.), ein Werk, das die Geschichte der Ewigen Stadt als Residenz der Päpste und als Mittelpunkt der mittelalterigen Geschichte mit weitem historischen Überblick und eingehender Kenntnis der Bau- und Kunstdenkmäler behandelt und nach Form und Inhalt zu den besten Leistungen der neuern deutschen Geschichtsschreibung gehört.
Das Munizipium der Stadt
Rom beschloß in Würdigung der hohen Bedeutung des Werkes dessen Übersetzung ins
Italienische (»Storia
della
città di
Roma
[* 14] nel medio evo«, Vened. 1874-76, 8 Bde.)
und ernannte Gregorovius
zum
Bürger
Roms. Neuere Werke Gregorovius'
sind: »Lucrezia
Borgia« (Stuttg. 1874, 3. Aufl. 1877;
franz., Par. 1876),
worin er eine Ehrenrettung der berüchtigten Frau versuchte;
»Urban VIII. im Widerspruch zu Spanien [* 15] und dem Kaiser« (Stuttg. 1880);
»Athenais, Geschichte einer byzantinischen Kaiserin« (Leipz. 1882) und »Korfu, [* 16] eine ionische Idylle« (das. 1882),
die Frucht einer 1880 unternommenen Reise nach Griechenland. [* 17]
Auch gab er die
»Briefe
Alexanders v.
Humboldt an seinen
Bruder
Wilhelm« (Stuttg. 1880) und einen von ihm aufgefundenen Stadtplan
Roms
(»Una planta di
Roma delineata
da
Leonardo da Besozzo Milanese«,
Rom 1883) heraus. Gregorovius
lebt neuerdings abwechselnd in
Rom und in
München,
[* 18] wo er Mitglied der
Akademie ist.