Grégoire
Henri, Graf, Bischof von Blois, geb. zu Vého bei Lunéville, studierte bei den Jesuiten in Nancy, [* 2] trat in den geistlichen Stand und machte sich durch seinen von der Akademie zu Metz [* 3] 1788 gekrönten »Essai sur la régénération des juifs« (Metz 1789) bekannt. Als Pfarrer in Emberménil in Lothringen vertrat er 1789 die Geistlichkeit des Bezirks Nancy bei der Konstituierenden Versammlung, in welcher er, ein leidenschaftlicher Jansenist, sich bald als einen der eifrigsten Verteidiger der Volkssache zeigte. Er beantragte die Vereinigung der Geistlichkeit mit dem dritten Stande, die Abschaffung der Annaten und Vernichtung der Monopole und Privilegien des Adels, erkämpfte den Juden sowie den von freien Eltern gebornen Negern und Mulatten in den Kolonien das volle Bürgerrecht und war der erste, der, von den Gemeinden des Sprengels Blois nach den neuen Gesetzen über die Kirchenverfassung ohne Mitwirkung des Papstes zum Bischof ernannt, den Bürgereid ablegte, worauf er den berüchtigten Chabot zum Generalvikar in seinem Bischofsprengel machte.
Als Abgeordneter im Konvent trug er durch eine heftige Rede, in welcher er die Geschichte der Könige die Leidensgeschichte der Völker nannte, viel zu dem Beschluß bei, der die Königswürde abschaffte und die Republik gründete, und vindizierte dem Volk das Recht, den König als seinen ersten Diener (son premier commis) zur Rechenschaft zu ziehen. Während des Prozesses Ludwigs XVI. war er abwesend, billigte aber schriftlich seine Verurteilung. Hauptsächlich bemühte er sich, die freien Zustände zu befestigen. Er stellte Anträge auf Anlegung von Volksbibliotheken, Musterwirtschaften und Einführung besserer Volkslehrbücher, veranlaßte die Errichtung des Längenbüreaus und des Konservatoriums der Künste und Handwerke, widersetzte sich dem Vandalismus, der in der Schreckenszeit gegen die Kunstdenkmäler wütete, erklärte sich gegen die Geistlichen, die im Konvent das Christentum abschworen, und berief sich auf die durch das Staatsgrundgesetz verbürgte Freiheit des Gottesdienstes. Nach Auflösung des Konvents ¶
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wurde Grégoire
Mitglied des Rats der Fünfhundert und nach dem 18. Brumaire des Gesetzgebenden Körpers. Nach dem Konkordat mußte er
sein bischöfliches Amt niederlegen. 1801 ward er Mitglied des Senats und erhielt 1808 den Grafentitel, den er aber fast niemals
führte. Übrigens hielt er sich unter dem Kaisertum von der Politik fern, da er sich gegen Einführung
der Kaiserwürde erklärt hatte, und stimmte 1814 der Absetzung des Kaisers zu. Nach der Restauration trat er mit der Schrift
hervor: »De la constitution française de l'an 1814« (Par. 1814, 4. Aufl.
1819), worin er die Mängel des vom Senat entworfenen Grundgesetzes nachwies.
Nach Napoleons Rückkehr von Elba 1815 sprach er sich gegen die Wiederherstellung des Kaiserreichs aus, wurde aber dennoch von der zweiten Restauration verfolgt und aus dem Institut ausgestoßen. Namentlich die Geistlichkeit haßte ihn unversöhnlich. Er lebte nun zurückgezogen zu Auteuil bei Paris, [* 5] bis er 1819 vom Departement Isère zum Abgeordneten der Deputiertenkammer gewählt ward; doch bewirkten die Royalisten seine Ausschließung. Er starb ohne sich mit der Kirche ausgesöhnt zu haben. Die Sakramente und das christliche Begräbnis wurden ihm verweigert. Doch war sein Leichenzug um so größer und feierlicher und bewies, wie sehr sein edler, humaner Charakter geschätzt wurde. Wichtig sind seine »Mémoires«, die H. Carnot mit einer trefflichen biographischen Notiz (Par. 1831) herausgab. Von seinen zahlreichen Schriften nennen wir nur: »Histoire des sectes religieuses« (Par. 1814, 2 Bde.; 2. Aufl., das. 1828, 5 Bde.; Bd. 6, 1845);
»Essai historique sur les libertés de l'Église gallicane« (das. 1818, 2. Aufl. 1826) und »Histoire des confessions des empereurs, des rois, etc.« (das. 1824).
Vgl. Krüger, Heinrich Grégoire
, Bischof von Blois (Leipz. 1838);
Böhringer, ein Lebensbild aus der französischen Revolution (Basel [* 6] 1878).