Grammátik
(griech.,
Sprachlehre), die Gesamtheit der
Regeln über die
Laute (s.
Lautlehre) und
Formen (s.
Flexion) einer
Sprache
[* 2] und über die Aneinanderreihung der
Wörter zu
Sätzen (s.
Syntax).
Grammatiker (s. d.) war bei den alten Griechen, den
Schöpfern der Grammátik
, s. v. w. Philolog,
Kritiker, und namentlich legte man diesen
Titel den gelehrten Kennern
des
Homer und andrer griechischer
Klassiker in
Alexandria bei, die aber bei ihren sprachlichen Untersuchungen schon in den griechischen
Philosophen, namentlich den
Sophisten, dann
Platon (im »Kratylos«) und
Aristoteles und besonders in den
Stoikern, tüchtige
Vorläufer
gehabt hatten. So rühren z. B. von den
Stoikern die
Namen der vier Hauptkasus oder
Fälle
(Nominativ,
Genitiv,
Dativ,
Akkusativ) her. In die Fußstapfen der
Stoiker traten die großen
Kritiker der alexandrinischen
Epoche,
Aristarchos u. a.,
die durch das
Studium der in einem längst ausgestorbenen
Dialekt abgefaßten Homerischen Gedichte zu minutiösen grammatischen
Untersuchungen veranlaßt wurden.
Pergamino - Pergamon

* 3
Pergamon.
Die meisten der
Regeln in unsern heutigen griechischen Schulgrammatiken
rühren von den alexandrinischen
Grammatikern her,
viele der Ausnahmen von ihren Gegnern, den
Grammatikern von
Pergamon
[* 3] (in
Kleinasien), welche die
Anomalie,
[* 4] die Unregelmäßigkeit,
als höchstes
Prinzip der Sprachbildung verfochten. Der lange fortdauernde Streit zwischen diesen beiden
Richtungen führte
zu einer immer genauern und richtigern Formulierung der grammatischen
Regeln und Ausnahmen und endlich
zur Errichtung eines festen grammatischen Gebäudes, welches geeignet war, auch auf die wissenschaftliche
Darstellung andrer
Sprachen
übertragen zu werden, was zunächst mit der lateinischen
Sprache geschah.
Hören - Horizont

* 6
Horizont.
Von dem
Interesse der
Römer
[* 5] für grammatische
Studien gibt unter anderm eine leider nur in Bruchstücken
erhaltene grammatische Abhandlung
Cäsars
Zeugnis; doch fehlt es an originalen Leistungen, und ihr
Verdienst beschränkt sich
auf die
Übertragung der griechischen
Kunstausdrücke in die noch heute üblichen lateinischen Bezeichnungen grammatischer
Verhältnisse und auf die
Fortpflanzung der in die
Schulen des
Mittelalters. Auch das
Mittelalter war ohne
Bedeutung für die
Entwickelung der Grammátik
, und selbst der in der Renaissancezeit eingeleitete mächtige Aufschwung der philologischen
Studien führte bei allem Sammelfleiß nicht zur
Aufstellung neuer
Gesichtspunkte, da der
Horizont
[* 6] der fleißigen italienischen
und französischen, später der holländischen und deutschen
Grammatiker auf
Griechisch und
Latein beschränkt blieb.
Erst die
Entdeckung des
Sanskrits durch englische
Gelehrte am
Schluß des 18. Jahrh. bahnte einer neuen und
überraschenden Einsicht in den grammatischen
Bau der wichtigsten
Sprachen
Europas, des
Griechischen,
Lateinischen,
Germanischen,
Keltischen und
Slawischen, den Weg, indem man dieselben als
Glieder
[* 7] einer weitverzweigten Sprachfamilie erkannte, zu der in
Asien
[* 8] namentlich das Altindische, Altpersische und deren Tochtersprachen gehören. Die methodische
Begründung dieser
Entdeckung und ihre
Durchführung durch
alle Teile der grammatischen
Struktur dieser »indogermanischen« Sprachfamilie
ist in der von 1833 an erschienenen »Vergleichenden Grammátik«
von
F.
Bopp (3. Aufl., Berl. 1868-71, 3 Bde.)
enthalten.
Geschichtskarten von D

* 10
Deutschland.
Bopps Zeitgenosse
Jakob
Grimm ist durch seine »Deutsche
[* 9] Grammátik«
der
Begründer der historischen Grammátik
geworden, indem er darin den grammatischen
Organismus der germanischen
Sprachen von den ältesten
Sprachstufen,
Gotisch,
Althochdeutsch,
Altnordisch etc., bis auf die jüngsten
Ausläufer in
Deutschland,
[* 10]
England,
Skandinavien
und
Holland mit beispielloser Gründlichkeit und Umsicht dargestellt hat. Die philosophische Grammátik
empfing durch
die geistvollen Werke
Wilhelm v.
Humboldts neue
Impulse.
Die Entzifferung der
Hieroglyphen und
Keilschriften, tieferes Eindringen in den
Bau der schon von hebräischen und arabischen
Grammatikern fleißig durchforschten semitischen
Sprachen, die besonders durch
Missionäre vermittelte Kenntnis zahlloser andrer
Sprachen in allen
Weltteilen und die freilich erst teilweise gelungene Gruppierung derselben in eine
Reihe großer
Sprachstämme:
[* 11] dies alles gab dem Sprachstudium eine ganz neue Bedeutung und Tiefe und erhob die Grammátik
, die ehedem
nur der Quälgeist der Schuljugend war, zum
Rang einer
Wissenschaft (s.
Sprache u. Sprachwissenschaft).
Vgl. Vater, Litteratur der Grammatiken, Lexika und Wörtersammlungen aller Sprachen der Erde (2. Aufl. von Jülg, Berl. 1847);
Trübner, Catalogue of dictionaries and grammars of the principal languages of the world (2. Aufl., Lond. 1882).