Titel
Graham
(spr. greh-em), eine der ältesten schott. Familien, deren Ahnherr William de Graham sich um 1128 in Schottland niederließ und große Ländereien zu Abercorn und Dalkeith als Lehen erhielt. Eine unhistorische Stammsage führt ihren Ursprung auf den Helden Graeme zurück, der zu Anfang des 5. Jahrh. n. Chr. bei der angeblichen Wiederherstellung der schottischen Monarchie durch Fergus II. auftritt, und von welchem die alte Befestigung zwischen Forth und Clyde den Namen Graeme's dyke oder Graham's dyke haben soll. Zu der Familie Graham gehören auch die Herzöge von Montrose (s. d.). Die bemerkenswertesten Träger des Namens Graham sind:
1) Sir Richard Graham auf Esk, geb. 1648, war Gesandter Karls II. in Frankreich, erhielt 1680 den Titel eines Viscount Preston, wurde unter Jakob II. 1685 Staatssekretär für Schottland, später Lord-Präsident des Rats und 1688, als der König London verließ, einer der fünf Statthalter, die er ernannte. Nach Wilhelms III. Thronbesteigung wurde er kurze Zeit gefangen gehalten, beteiligte sich nach seiner Freilassung an einer jakobitischen Verschwörung und wurde 1691 wegen Hochverrats zum Tod verurteilt, aber von Wilhelm III. begnadigt, nachdem er seine Mitschuldigen genannt hatte. Den Rest seines Lebens verwandte er darauf, des Boethius Schrift »De consolatione philosophiae« ins Englische zu übersetzen. Graham starb 1695.
2) Thomas Graham, Lord Lynedoch, geb. 1750 zu Balgowan in der Grafschaft Perth, schloß sich in seinem 42. Jahr dem Armeekorps des Generals O'Hara an, diente 1793 als Freiwilliger bei Toulon und warb dann auf eigne Kosten ein Bataillon, das dem 93. Regiment einverleibt wurde, und dessen Oberst er ward. Die Feldzüge in Italien von 1796 und 1797 machte er als Freiwilliger bei der österreichischen Armee mit, kommandierte dann die Blockade von Malta, diente 1808 in Spanien und ward 1810 Generalleutnant. Am verlor er gegen den Marschall Victor die Schlacht von Chiolana, befehligte bei Vittoria den linken Flügel, landete im Januar 1814 mit 10,000 Mann in Holland, lieferte in Verbindung mit dem preußischen General Thümen das glückliche Treffen bei Merxhem, ward aber vor Bergen op Zoom zurückgeschlagen. Im Mai d. J. ward er als Baron Lynedoch v. Balgowan Peer, 1821 General, 1829 Gouverneur des Dumbartonschlosses in Schottland. Seine letzten Lebensjahre brachte er in Italien und in der Schweiz zu, starb in London.
Vgl. J. M. Graham, General Graham's memoirs (2. Aufl., Lond. 1877);
Delavoye, Life of Th. Graham (das. 1880).
3) Sir James Robert George Graham von Netherby, namhafter Staatsmann, geb. trat 1818 ins Parlament, erbte 1824 die Baronetswürde seines Vaters und ward 1830 im Ministerium Grey erster Lord der Admiralität, in welcher Stellung er das Marinebudget um mehr als 1 Mill. Pfd.
mehr
Sterl. verminderte. Um das Zustandekommen der Reformbill erwarb er sich hervorragende Verdienste, nahm aber 1834 seine Entlassung, als man auch mit der Staatskirche in Irland Reformen vornehmen wollte, und ging von den Whigs zu der Partei der Tories über. Im September 1841 ward er unter dem Ministerium Peel Staatssekretär des Innern und stand seinem Chef im Kampf gegen die Schutzzöllner treu zur Seite, trat aber 1846 zugleich mit Peel zurück, nachdem er 1844 durch Öffnung der Briefschaften Mazzinis, wodurch die neapolitanische Regierung Kunde von dem Unternehmen der Brüder Bandiera erhielt, den öffentlichen Unwillen auf sich gelenkt hatte.
Der Volkswitz nennt seitdem das heimliche Eröffnen fremder Briefe to grahamize. Den Whigs durch seinen frühern Abfall, den Tories durch seine Verteidigung des Freihandels entfremdet, erlangte er 1847 durch den Einfluß des Grafen Grey einen Sitz für die Stadt Ripon, die er bis 1852 vertrat. Er stand nun an der Spitze einer Art von Mittelpartei zwischen den Whigs und den starren Tories, bekämpfte das Ministerium Derby heftig und wurde im Koalitionsministerium Aberdeen-Russell im Dezember 1852 zum ersten Lord der Admiralität ernannt.
Als solcher entwickelte er während des Krimkriegs eine große Thätigkeit; doch war die öffentliche Meinung wegen der geringen Erfolge des ersten Feldzugs gegen ihn mißgestimmt, und er sah sich genötigt, im Februar 1855 vor dem auf Roebucks Antrag eingesetzten Untersuchungskomitee zurückzutreten. Den ihm von Palmerston 1859 angebotenen Sitz im Kabinett lehnte er ab; doch blieb er immer noch ein eifriges und einflußreiches Mitglied des Unterhauses und beteiligte sich lebhaft an den Debatten desselben. Er starb auf seinem Landsitz Netherby. Wegen seiner praktischen Gewandtheit von allen Parteien gesucht, war er doch keineswegs populär.
Vgl. Torrens, Life and times of Sir James R. Graham. Graham (Lond. 1863, 2 Bde.);
Lonsdale, Life of Sir James Graham (das. 1868).