Gradieren
,
technisches
Verfahren, durch das geringhaltige Salzsolen teils von Beimengungen befreit, teils auf wirksame
Weise verdunstet werden. Von den verschiedenen Methoden des Gradieren
ist nur noch die Dorngradierung
in Gebrauch.
¶
mehr
Dieselbe wird ausgeführt, indem die Sole durch Rinnenleitungen über lang ausgestreckte Reiserwandungen, die durch Aufspeichern von Dornenbündeln zwischen Balkengerüsten von verschiedener Höhe (den Gradierwerken oder Gradierhäusern) gebildet werden, verteilt wird. Die Sole, die dabei von der Höhe der Wand herabrieselt, überzieht die Äste und Zweige der Reiser in sehr dünner Schicht, kommt dadurch in innigste Berührung mit der die Wandung durchstreichenden Luft und sammelt sich in einem unter der Dornenwand befindlichen Reservoir. In Berührung mit der Luft schlägt sich aus der Sole der Dornstein (s. d.) nieder.
Die Gradierung wird gewöhnlich mehreremal wiederholt, sodaß die ganz schwache Sole auf die erste Dornenwand
geleitet wird; nachdem sie diese passiert hat, wird sie auf ein zweites Gradierwerk gepumpt und von hier auf ein drittes,
um dann versotten zu werden. Der Effekt des Gradieren
ist hauptsächlich bedingt durch allseitige Berührung der Sole mit der Luft
und möglichst starken Luftwechsel. Die Wände müssen daher so angelegt werden, daß ihre Langseite möglichst
rechtwinklig gegen die in der betreffenden Gegend vorherrschende Windrichtung gekehrt ist.
Jede Ableitung der Luftströmung durch Böschungen, Gebäude u. dgl. ist zu verhindern. Die Gradierung erfolgt am wirksamsten in trockner, warmer Luft, also am besten im Sommer, weniger im Herbst und Frühling; im Winter ist sie bei Frostkälte zu unterbrechen, weil die Verdunstung hier auf ein nicht lohnendes Minimum herabsinkt und weil außerdem, sobald die Sole eine bestimmte Konzentration erreicht hat, sogar nachteilge Folgen eintreten können, indem in der Sole vorhandene schwefelsaure Magnesia bei Frostkälte mit dem Kochsalz, Chlornatrium, in Wechselwirkung tritt unter Bildung von schwefelsaurem Natrium und Chlormagnesium, wobei also zwei für die Salzgewinnung [* 3] wertlose Stoffe entstehen. Um ein Beispiel für die Wirkung der Gradierung zu geben, seien die aus vielen Jahresdurchschnitten sich ergebenden Resultate der Saline Dürrenberg angeführt.
Die dort geförderte Sole hat einen Salzgehalt von 7,7 Proz., derselbe wird auf dem ersten Gradierwerk auf 11,5, auf dem zweiten auf 16,1, auf dem dritten auf 22 Proz. angereichert. Dieser Zunahme des Salzgehalts stehen aber andererseits beträchtliche Verluste entgegen, die teils durch mechan. Fortführung durch den Wind, teils durch unvermeidliche Undichtheiten der umfangreichen Reservoirs und Röhrenleitungen herbeigeführt werden. Diese Verluste schwanken in den einzelnen Betriebsjahren und bei den verschiedenen Salinen zwischen 16 und 33 Proz. der gesamten Salzmenge. Dieses und die Auffindung der mächtigen Steinsalzlager ist Veranlassung gewesen, daß das in neuerer Zeit mehr und mehr außer Gebrauch kommt und daß man die nicht sudwürdigen Solen entweder gar nicht mehr verarbeitet oder sie durch Lösen von Steinsalz anreichert.
Sind die Salinen mit Kuranstalten verbunden, so errichtet man Gradierwerke, um die Patienten die mit Sole beladene Luft atmen zu lassen, wodurch außerordentlich günstige Erfolge bei Krankheiten der Schleimhäute der Atmungsorgane erzielt werden.