mehr
wagten aber gleichwohl nicht, das Ackergesetz aufzuheben; auch wurde Scipio Nasica, der Urheber der blutigen Gewaltthat, um ihn von Rom [* 3] zu entfernen, unter irgend einem Vorwand bald nach Asien [* 4] geschickt.
3)
Gajus
Sempronius, der um neun Jahre jüngere
Bruder des vorigen,
war an trefflichen
Eigenschaften dem
Bruder ähnlich, unterschied
sich jedoch von ihm durch einen kühnern
Geist und durch größere Leidenschaftlichkeit, wie er ihn auch
durch das
Feuer und die hinreißende
Kraft
[* 5] seiner
Beredsamkeit übertraf. Trotz seiner
Jugend war er durch seine
Wahl zum
Triumvir
agris dividundis während des Tribunats seines
Bruders an dessen
Unternehmungen beteiligt; nach jenes
Tod bezeichnete
ihn die allgemeine Volksstimme als den zum Rächer des
Tiberius Gracchus
und Vollender des von demselben begonnenen Werkes
Berufenen.
Die Optimatenpartei wünschte ihn deshalb von Rom entfernt zu halten und verlängerte ihm daher, nachdem er 126 v. Chr. den Konsul I. Aurelius Orestes als Quästor nach Sardinien [* 6] begleitet hatte, sein Amt ein zweites Jahr; als dies aber auch für ein drittes Jahr geschah, kehrte er eigenmächtig nach Rom zurück und wußte sich in einer Rede vor dem Volk vollständig zu rechtfertigen. Für das Jahr 123 zum Volkstribun gewählt, wollte er nicht nur Gesetze für das Volk geben, sondern dieselben auch durch eine Beschränkung der Macht des Senats und der Magistrate sicherstellen.
Eins seiner ersten Gesetze, das Getreidegesetz (lex frumentaria), bestimmte, daß den römischen Bürgern monatlich ein bestimmtes Quantum Getreide [* 7] zu einem niedrigen Preis aus Staatsmitteln verabreicht werden sollte. Dann erneuerte er das Ackergesetz, ließ die Ausführung mehrerer Kolonien beschließen und erleichterte den Kriegsdienst durch Beschaffung der Bekleidung der Soldaten aus Staatsmitteln und Abkürzung der Dienstzeit. Ein weiteres volkstümliches Gesetz verordnete, daß kein römischer Bürger zum Tod oder zur Verbannung anders als durch das Volk verurteilt werden sollte.
Die politisch bedeutendsten seiner Gesetze sind aber das Richtergesetz (lex judiciaria) und das Gesetz über das Bürgerrecht der Bundesgenossen (de civitate sociis danda). Es waren nämlich damals für bestimmte Verbrechen stehende Geschwornengerichte (quaestiones perpetuae) eingesetzt, welche bisher ausschließlich durch Senatoren gebildet wurden, was für die Optimaten besonders deswegen von Wichtigkeit war, weil so die wegen Erpressung angeklagten Statthalter bei ihren Standesgenossen am ehesten Straflosigkeit zu finden hoffen durften.
Durch das Richtergesetz nun übertrug Gracchus
die
Gerichte auf die
Ritter und bewirkte dadurch, daß diese auf die Seite der
Volkspartei
hinübergezogen wurden, der sie diese für sie günstige Veränderung verdankten. Das
Gesetz über die
Bundesgenossen bezweckte,
den sämtlichen italischen
Bundesgenossen das römische
Bürgerrecht zu verschaffen, um auch diese, die
bisher ebenso wie die
Ritter die Senatspartei gestützt hatten, auf die Seite des
Volkes herüberzuziehen.
Alle diese
Gesetze, bis auf das über die
Bundesgenossen, wurden von Gracchus
123 und 122 durchgebracht. Im
Lauf des
Jahrs 122 aber
rafften sich die
Optimaten zum
Widerstand auf, wahrscheinlich auf
Anlaß des Bundesgenossengesetzes, das
sie um jeden
Preis zu verhindern suchten. Sie bewogen einen
Kollegen des Gracchus
, den
Tribun M.
Livius
Drusus, dem
Volk, um Gracchus
aus dessen
Gunst zu verdrängen, mit Zustimmung des
Senats noch größere Vorteile in Aussicht zu stellen. Um diese Zeit aber war Gracchus
sieben
Wochen von
Rom abwesend, um eine der von ihm bestimmten
Kolonien, Junonia, auf dem
Boden des zerstörten
Karthago
[* 8] zu gründen.
Als er daher wieder nach
Rom zurückkehrte, fand er sich halb vergessen, und so kam es, daß er bei der
Wahl der
Tribunen für
das Jahr 121 durchfiel, und daß einer seiner erbittertsten Gegner, L.
Opimius, zum
Konsul für dieses
Jahr gewählt wurde. Gracchus
trat also 10. Dez. 122, am
Tag des Tribunatswechsels, in den Privatstand zurück. Als nun im
Sommer 121 die
Optimaten Anstalten trafen, zunächst das
Gesetz über die
Kolonie Junonia und dann wahrscheinlich auch die übrigen
Gesetze
aufzuheben, beriefen Gracchus
und
Fulvius Flaccus, um dies zu verhindern, eine
Volksversammlung auf das
Kapitol,
die aber bald mit einem wilden
Tumult endete, als ein
Liktor
[* 9] des opfernden
Konsuls, der Gracchus
beleidigt hatte, von den Gracchanern
erschlagen worden war. Am andern
Morgen wurde darauf dem
Konsul
Opimius vom
Senat durch die bekannte
Formel
unbeschränkte
Vollmacht erteilt; Gracchus
aber und
Fulvius und ihre Anhänger versammelten sich auf dem Aventin.
Sie ließen dem
Senat von hier vergeblich Unterhandlungen anbieten. Darauf wurde der Aventin von den
Senatoren und ihren Anhängern
mit
Hilfe kretensischer
Bogenschützen erstürmt, die Gracchaner wurden in die
Flucht geschlagen,
Fulvius wurde
aus einem
Versteck hervorgezogen und getötet; Gracchus
, durch seine
Freunde zur
Flucht genötigt, entkam zwar über den
Tiber, gelangte
aber nur bis in den
Hain der
Furina, wo er sich, um nicht seinen Feinden in die
Hände zu fallen, von seinem Sklaven töten
ließ; sein
Kopf wurde
Opimius gebracht und von diesem mit
Gold
[* 10] aufgewogen. Die
Leichname der Getöteten, 3000 an der
Zahl, wurden in den
Tiber geworfen. Der
Senat aber ließ zum Andenken an diesen traurigen
Sieg, wie zum Hohn, der
Concordia einen
Tempel
[* 11] bauen.
Später wurden von dem
Volk beiden Gracchen
Statuen gewidmet und auf den
Stellen, wo sie gefallen
waren,
Kapellen gebaut. - Die Hauptquellen für die Geschichte beider Gracchen sind Appian in der Geschichte der römischen
Bürgerkriege und Plutarch in der
Biographie der Gracchen.
Vgl. K. W. Nitzsch, Die Gracchen und ihre nächsten Vorgänger (Berl. 1847).