Titel
Gozzi
,
1) Gasparo, Graf, berühmter ital. Dichter, stammte aus einer alten venezianischen Familie und wurde zu Venedig [* 2] geboren. Seine frühzeitig geweckte Liebe zur schönen Litteratur erhielt besondere Nahrung durch seine Bekanntschaft mit der Malerin und Dichterin Luise Bergalli, die er 1739 heiratete, obwohl sie zehn Jahre älter war als er. Auf ihre Veranlassung übernahm er die Direktion des Theaters Sant' Angelo, die ihm aber mannigfache Verlegenheiten bereitete, so daß er sie bald seiner Frau allein überließ, um sich ganz seinen litterarischen Arbeiten zu widmen.
Seine für das
Theater
[* 3]
Sant' Angelo bestimmten, großenteils aus dem
Französischen übersetzten
Dramen fanden
nur geringen Beifall, desto größern aber die seit 1760 von ihm herausgegebene »Gazzetta
Veneta«, welche fast ganz sein Werk war.
Noch bedeutender wurde sein
»Osservatore Veneto«, eine
Zeitschrift nach dem Vorbild
von
Addisons
»Spectator«, die seit 1761 in einzelnen Nummern erschien und Gozzis
Ruf als eines klassischen
Schriftstellers, ganz besonders auch als eines der elegantesten Stilisten begründete.
Schon wenige Jahre vorher hatte er sich durch seine vortreffliche Verteidigung Dantes gegen Bettinellis Angriffe: »Giudizio degli antichi poeti sopra la moderna censura di Dante« (Vened. 1758), als scharfsinniger und geistvoller Kritiker bewährt. Eine Zeitlang bekleidete er das Amt eines Zensors und Aufsehers über die Druckereien in Venedig. Bei einem Aufenthalt in Padua [* 4] stürzte er sich in einem Anfall von Melancholie (nach andern im Fieber) in den unter seinen Fenstern vorüberfließenden Kanal, [* 5] wurde jedoch gerettet.
Später siedelte er ganz nach Padua über, wo er starb. Von seinen Werken ist der »Osservatore Veneto« (Vened. 1768; Mail. 1827, 2 Bde., u. öfter) wegen seines gediegenen sittlichen Gehalts, der Feinheit der Satire und der Schönheit der Schreibart bei weitem das bedeutendste und daher bei den Italienern noch heute allgemein beliebt. Von ähnlichem Charakter ist: »Il mondo morale« (Vened. 1760, 3 Bde.),
eine Sammlung kleiner
Aufsätze, welche seit 1740 von in der Accademia de' Granelleschi vorgelesen
wurden. Von seinen übrigen Werken sind zu erwähnen die »Lettere famigliari«
(Vened. 1755; das. 1808, 2 Bde.)
und seine Übersetzung des Longus. Unter seinen Gedichten sind die »Sermoni«
in reimlosen
Versen und Horazischer
Manier sowie das didaktische »Il trionfo dell' umiltà« am bemerkenswertesten.
Eine Gesamtausgabe von Gozzis
»Opere« veranstaltete sein
Freund
Angelo Dalmistro (zuerst Vened. 1794-98, 12 Bde.;
vollständiger, das. 1812, 22 Bde.;
Padua 1818-26, 16 Bde.;
Bergamo 1825-29, 20 Bde.). Zur Ergänzung dienen: »Alcuni
scritti di Gozzi
Gozzi« und »Racconti
di Gozzi
Gozzi« (Vened. 1830). Eine Sammlung seiner Gedichte gab Gargiolli
(Flor. 1863) heraus. Auch Gozzis
oben erwähnte Gemahlin erwarb sich einen geachteten
Namen durch ihre musikalischen
Dramen:
»Agide«,
»Redi«,
»Sparta«, »La Bradamante« sowie durch Übersetzungen der
Lustspiele des Terenz, der
Tragödien
Racines etc.
2) Carlo, Graf, berühmter ital. Lustspieldichter, Bruder des vorigen, geb. 1722 zu Venedig, verfaßte schon in seiner Jugend burleske Gedichte im toscanischen Dialekt. Die zerrütteten Vermögensumstände seiner Familie bewogen ihn jedoch, in seinem 16. Jahr Kriegsdienste zu nehmen. Er wurde in Dalmatien verwendet, kehrte aber nach drei Jahren nach Venedig zurück, um die unterbrochenen Studien wieder aufzunehmen. Lebhaften Geistes und mit großer Empfänglichkeit für das Komische ausgestattet, schrieb er mehrere satirische Stücke und wurde eins der thätigsten Mitglieder der Società de' Granelleschi, welche es sich zur Aufgabe gemacht hatte, alle Geschmacklosigkeit mit den Waffen [* 6] des Spottes zu verfolgen.
Gozzis
Satire wendete sich namentlich gegen die elenden
Stücke des
Abbé
Chiari, sodann aber auch gegen
Goldoni, indem er beiden gegenüber die alte
Commedia dell 'arte mit ihren nationalen
Typen
Pantalon,
Harlekin
Brighella etc. in
Schutz nahm.
Großes Aufsehen erregte seine »Tartana degli influssi per l'anno bisestile«
(1757), die zwar
Goldoni in einem längern Gedicht angriff, aber nur um neuen
Spott von seiten Gozzis
zu
ernten. Um Sacchi und seiner in der nationalen
Komödie ausgezeichneten
Gesellschaft wieder aufzuhelfen und zugleich noch wirksamer
den französischen
Geschmack zu bekämpfen, dramatisierte Gozzi
1761 das venezianische Ammenmärchen von den drei
Pomeranzen:
»Fiaba dell' amore delle tre melarance«, und schuf
damit eine neue
Gattung von
Lustspielen, die er dramatische
Märchen (fiabe dramatiche) nannte.
Unter den
Stücken dieser
Gattung, die er rasch nacheinander folgen ließ, und die eine Zeitlang großen Erfolg hatten, ist
in
Deutschland
[* 7] besonders »Turandot,
Prinzessin von
China«
[* 8] durch
Schillers Bearbeitung bekannt geworden. Aber obwohl voll
Leben
und echt volkstümlich, vermochten die Fiabe doch nicht den
Geschmack des
Publikums auf die Dauer zu befriedigen.
Als daher die
Gesellschaft Sacchi selbst infolge des
Eintritts einer neuen Schauspielerin, Signora
Ricci, sich vorzugsweise
der
Tragödie zuwandte, gab auch Gozzi
seine bisherige
Richtung auf, schrieb fortan regelmäßige
Stücke, in denen er sich
Calderon zum
Muster nahm, und übersetzte auch Erzeugnisse
¶
mehr
der französischen Bühne. Unter den erstern ist sein »Metafisico«, unter seinen übrigen
Gedichten die komische Epopöe »Marfisa« bemerkenswert. Gozzi
starb Er selbst
veranstaltete eine Gesamtausgabe seiner Werke (Vened. 1772-74, 10 Bde.;
neue vervollständigte Ausg., das. 1802, 14 Bde.);
eine neue Ausgabe der »Fiabe« besorgte Masi (Mail. 1885, 2 Bde.). Seine dramatischen
Schriften wurden von Werthes ins Deutsche
[* 10] übertragen (Bern
[* 11] 1795, 5 Bde.),
seine Märchen von K. Streckfuß nachgebildet (Berl. 1805). Über sein schriftstellerisches Wirken geben seine »Memorie inutili« (Vened. 1797, 3 Bde.) Aufschluß.
Vgl. F. Horn, Über Gozzis
dramatische Poesie (Penig 1803);
Magrini, Carlo e le fiabe (Cremona 1876).