Gotthardbahn
s. Sankt Gotthard.
Gotthardbahn
3 Seiten, 557 Wörter, 3'777 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Gotthardbahn
s. Sankt Gotthard.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Gotthardbahn.
Die Poststraße über den Sankt Gotthard (s. d.) bildete nach ihrer Eröffnung
den wichtigsten und
verkehrsreichsten Paß
[* 2] der Schweiz.
[* 3] Durch den Bau der Gotthardbahn
gewann derselbe eine neue, ungleich höhere Bedeutung.
Für die Schweiz, der die Brennerbahn (s. d.) und die Bahn durch den Mont-Cenis (s. d.) den Durchgangsverkehr zwischen Deutschland
[* 4] und Italien
[* 5] großenteils abzuschneiden drohten, war es eine Lebensfrage, sich diesen Verkehr durch Herstellung
einer schweiz. Alpenbahn zu erhalten und zugleich dem schweiz. Handel eine kürzere und billigere Linie im Verkehr mit Italien
zu eröffnen.
Ebenso mußte auch Deutschland und Italien daran gelegen sein, sich neben den über österr. und franz. Gebiet führenden
Alpenbahnen eine solche durch einen neutralen Staat zu sichern. Zum erstenmal tauchte der Plan einer Gotthardbahn
neben
den sonst noch in Frage gekommenen Plänen von Bahnen über den Lukmanier, Splügen und Simplon 1851 auf; aber erst 1863 gewann
derselbe durch die Gründung der schweiz. Gotthardvereinigung, der 15 Kantone, die Schweiz. Centralbahn und die Nordostbahn
beitraten, festere Gestalt. Im Frühjahr 1869 sprachen sich sowohl Deutschland wie Italien entschieden für
die Gotthardbahn
aus, und 15. Sept. trat in Bern
[* 6] unter dem Vorsitz des schweiz. Bundespräsidenten Welti die Gotthardkonferenz zusammen, an der
sich der Norddeutsche Bund, Württemberg,
[* 7] Baden,
[* 8] Italien und die Schweiz beteiligten. Auf Grundlage ihrer Verhandlungen wurde 15. Okt. zwischen
Italien und der Schweiz ein Staatsvertrag abgeschlossen, dem auch das Deutsche Reich
[* 9] beitrat.
In diesem Vertrag wurde die Ausdehnung
[* 10] des Gotthardnetzes in Stamm- und Zweiglinien auf 266 km, die Länge des großen Tunnels
Göschenen-Airolo, dessen höchster Punkt nicht höher als 1162,5 m ü. d. M. zu liegen kommen sollte,
auf 14,9 km, die größte Steigung auf 25, ausnahmsweise 26 Promille, der geringste Radius der Krümmungen auf 300 m festgesetzt.
Die Baukosten wurden auf 185 Mill. Frs. berechnet, von denen 85 Mill. durch Beihilfen aufzubringen waren. Italien übernahm 45 Mill., die Schweiz 20 Mill. und Deutschland ebenfalls 20 Mill. (Preußen [* 11] 1,5 Mill., die Bergisch-Märkische, die Rheinische und die Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft je 1 Mill. M., die hess. Ludwigsbahn und die pfälz. Bahnen zusammen 2 Mill., Baden und die Reichseisenbahnen je 2717000, das Deutsche Reich 8066000 Frs.). Die Beihilfen sind zinsfrei gewährt; der über eine Dividende von 7 Proz. sich ergebende Überschuß wird zur Hälfte unter die beteiligten Staaten im Verhältnis der gezahlten Beihilfen verteilt.
Die Oberaufsicht über den Bau wurde dem schweiz. Bundesrat übertragen. Auf Grund dieses Vertrags bildete sich die
Gotthardba
hngesellschaft mit dem Sitz in Luzern
[* 12] und wählte zum Präsidenten der Direktion Alfred Escher in Zürich.
[* 13] Das
Baukapital wurde außer durch die erwähnten Staatsunterstützungen durch die Ausgabe von Aktien im Betrage von 34 Mill. Frs.
und von Obligationen im Betrage von 68 Mill. Frs. beschafft. Am ernannte die Gesellschaft den Baudirektor Robert
Gerwig (s. d.) zum Oberingenieur, der die Ausführung des großen
Tunnels dem Unternehmer L. Favre (s. d.) übertrug, nachdem sich derselbe verpflichtet hatte, den Tunnel
[* 14] in 8 Jahren gegen eine
Summe von 50 Mill. Frs. auf eigene Rechnung und Gefahr zu vollenden. Am 1. Okt. begannen die thatsächlichen Arbeiten mit dem ersten
Spatenstich bei Göschenen; im Dez. 1874 wurden die
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Lugano-Chiasso dem Verkehr übergeben. Aber schon 1876, nachdem Gerwig 1875 wegen Meinungsverschiedenheiten mit der Direktion durch den Baudirektor Hellwag ersetzt worden war, erwiesen sich die zu Grunde gelegten Pläne und Berechnungen als unzuverlässig, das Kapital als unzulänglich. Am trat deshalb zur Sicherstellung des Unternehmens die Gotthardkonferenz in Luzern zusammen und einigte sich dahin, durch Aufschub der Zweiglinien Luzern-Immensee, Zug-Arth und Giubiasco-Lugano sowie durch möglichste Sparsamkeit in der Ausführung den Mehrbedarf, der anfänglich auf 120 Mill. Frs. berechnet wurde, auf 40 Mill. Frs. zu beschränken, von denen 28 Mill. (Deutschland und Italien je 10, Schweiz 8) durch nachträgliche Beteiligung der Gotthardstaaten, und 12 Mill. von der Gesellschaft aufgebracht werden sollten.
Von Steilrampen u. s. w., die die Bestimmung der Gotthardbahn
als einer Welthandelsstraße
beeinträchtigt hätten, beschloß die Konferenz abzusehen; jedoch sollte die Bahn entgegen dem ursprünglichen Plan zunächst
durchweg eingleisig hergestellt werden, aber in der Weise, daß die Anlage des zweiten Gleises ohne Störung
des Betriebes möglich blieb; die höchste Steigung wurde für einzelne Stellen auf 27 Promille, der kleinste Radius aus 280in
festgesetzt. Auf dieser Grundlage wurde ein Nachtragsvertrag der beteiligten Staaten unterzeichnet. Da sich jedoch
Italien und die Schweiz durch Vertrag vom zu einem besondern Beitrage von 6 Mill. Frs. für den
sofortigen Ausbau der Linie Giubiasco-Lugano verpflichteten und die Gesellschaft für diesen Zweck 5 Mill. auf sich nahm, wurde
nachträglich auch diese Linie noch in das Netz ausgenommen.
Ende 1878 wurde Hellwag durch den Oberingenieur Vriedel von Viel ersetzt, und 1879 trat an die Stelle Favres, der 19. Juli dieses Jahres im Tunnel an einem Herzschlag starb, der Ingenieur Vossi. Am erfolgte der Durchschlag des Nichtstollens, im Dez. 1881 die Vollendung des großen Tunnels, zu dessen Herstellung beinahe 9 ½ Jahre nötig gewesen waren. Außer dem großen 14,9 km langen, 1154,9 m ü. d. M. belegenen Tunnel befinden sich auf der Linie zwischen Immensee und Chiasso noch weitere 64 Tunnels mit einer Gesamtlänge von 26,75 km, und zwar bis 100 m: 26 Tunnels, 101-500 m: 22, 501-1000 m: 5, 1001-1500 m: 4, 1501-2000 m: 7. Der provisorische Betrieb zwischen Göschenen und Airolo wurde eröffnet und 10. April desselben Jahres wurde die Monte-Cenere-Linie (Bellinzona-Lugano) dem Betriebe übergeben.
Vom 22. bis 25. Mai vollzogen sich in Mailand
[* 16] und Luzern
die glänzenden Eröffnungsfestlichkeiten unter zahlreicher Beteiligung von
Vertretern der beteiligten drei Nationen, und konnte auf der Linie Immensee-Chiasso der
Durchgangsverkehr beginnen, während die Strecke Bellinzona-Pino erst eröffnet wurde. Die Gotthardbahn
schließt sich bei
Immensee (Kanton
[* 17] Schwyz)
an das schweizerische, bei Pino und Chiasso (ital. Grenze) an das oberital.
Bahnsystem an und umfaßt die Stammlinie Immensee-Bellinzona-Pino (174 km) mit den Zweiglinien Giubiasco-Lugano-Chiasso (53
km) und Cadenazzo-Locarno (12,5 km), zusammen 239,5 km. Außerdem sind von
der Gotthardbahn-Gesellschaft noch gepachtet die Strecken Luzern-Rothkreuz-Immensee und Ranzo-Gera-(Grenze) Luino, sodaß die
Betriebslänge des
ganzen Unternehmens 266 km beträgt.
Das gesamte Anlagekapital betrug 1882: 238 Mill. Frs. und setzt sich zusammen aus 34 Mill. Aktien, 85 Mill. Obligationen und 119 Mill. staatliche Beihilfen. Der Einfluß des neuen Verkehrsweges auf den Güteraustausch der beteiligten Staaten machte sich sehr bald geltend. Bereits 1883 war der Wert der Wareneinfuhr von Deutschland nach Italien gegen 1881 um 47487000 Lire gestiegen, darunter allein Mineralien, [* 18] rohe und bearbeitete Metalle im Werte von 27774000 Lire. Der Wert der Einfuhr von Italien nach Deutschland betrug 88550000 Lire gegen 67985000 Lire im J. 1881. Die.
Hauptbetriebsergebnisse der Gotthardbahn
für die Zeit vom ersten vollen Betriebsjahr 1883 bis 1892 zeigt die nachstehende
Übersicht: Jahr Betriebslänge km Auf die ganze Bahnlänge bezogen, kommen: Personen Anzahl Güter t Im ganzen sind zurückgelegt:
Personen Tausende Tonnenkilometer Tausende Wagenachskilometer sind geleistet Tausende Verwendetes Anlagekapital 1000 Frs.
Einnahmen im ganzen 1000 Frs. per Kilometer Frs. Ausgaben im ganzen 1000 Frs. pro Kilometer Frs. in Prozent der Einnahmen pro
Zugkilometer Frs. pro Nutzkilometer Frs. pro Wagenachskilom.
Cent. Überschuß im ganzen 1000 Frs. pro Kilometer Frs. in Prozent des Anlagekapitals 1883 266 207055
273677 55076 75617 47121 225716 10683 40162 5241 19706 49,06 3,13 2.67 10,89 5441 20456 2,41 1884 266 165694
295187 44074 79748 48717 230930 9960 37447 4771 17937 47,90 3,15 2,71 9,96 5189 19510 2,24 1885 266 169540
327417 45097 88355 50603 232221 10531 39594 5010 18836 47,57 3,06 2,66 10,00 5521 20758
2,38 1886 266 163296 308819 43436 83283 49333 233392 10169 38231 5291 19892 52,03 3.04 2,67 10,61 487? 18338
2,09 1887 266 175595 402260 46708 108049 59664 235592 11853 44560 5527 20782 46,64 2,87 2,42 9,26 6325 23779
2,63 1888 266 194805 383452 51818 103257 59947 239362 12054 45319 6028 22662 50,00 2,97
2,51 10,05 6026 22656 2,58 1889 266 220542 421503 58664 114029 65360 242644 13194 49603 6261 23540 47.16
2,93 2,39 9,51 6932 26064 2,86 1890 266 236322 386780 62861 105359 63321 246935 13186 49573 6896 25926 520
3,14 2,60 10,89 6290 23647 2,55 1891 266 241654 389570 64280 105707 64560 254637 13533
50875 7508 28224 55,48 3,47 2,73 11,63 6025 22651 2,37 1892 266 249350 438388 66327 118233 68049 228993
14432 54256 7729 29057 53,56 3,41 2,71 11,36 6703 25119 2,59 Das Anlagekapital der Gotthardbahn
betrug 262522500
Frs., nämlich 119 Mill. staatliche Beihilfe, 45 Mill. Aktien und 98522500 Obligationen.
Verwendet waren vom Anlagekapital 258993462, sodaß einschließlich der Baufonds 4643940 Frs. verfügbar blieben. Das ursprüngliche Aktienkapital ist auf 50 Mill. erhöht worden, wovon 45 Mill. eingezahlt waren. Das zweite Gleis auf den Strecken Erstfeld-Göschenen und Airolo-Biasca ist 1891-93 eröffnet, sodaß einschließlich Göschenen-Airolo und Bellinzona-Giubiasco gegenwärtig etwa 93 km, zweigleisig ausgebaut sind. Die Baufrist für die der Gesellschaft genehmigten, aber noch nicht in Angriff genommenen Zufahrtslinien Luzern-Immensee und Zug-Goldau (auf 16 Mill. Frs. veranschlagt) ist vorläufig bis Ende 1894 verlängert, doch kann ¶