Goth
Textfigur:
Wappen
[* 2] von Gotha
Gotha
,
Hauptstadt des gleichnamigen Herzogtums, das seit 1826 mit
Koburg
[* 3] zu dem Herzogtum
Sachsen-Koburg-Gotha vereinigt ist, abwechselnd
mit
Koburg
Residenz des
Herzogs, 308 m ü. M., in freundlicher
Lage am Leinekanal,
Knotenpunkt der
Linien
Kassel-Dietendorf,
Goth
-Leinefelde und
Goth-Ohrdruf der Preußischen Staatsbahn, hat meist breite
Straßen, freundliche Vorstädte mit
Villen und schönen
Gärten und hübsche
Anlagen. Unter den 5
Kirchen, worunter sich eine katholische befindet, verdienen nur die
Margareten- und
Augustinerkirche Beachtung.
Das vornehmste Bauwerk der Stadt ist das auf dem 332 m hohen Schloßberg liegende, weithin sichtbare Schloß Friedenstein. Es ward seit 1648 an Stelle des zerstörten Schlosses Grimmenstein (s. unten) erbaut, besteht aus einem mächtigen Viereck [* 4] mit Seitenflügeln und dicken, 45 m hohen Ecktürmen, dient gegenwärtig zum Sitz mehrerer Landesbehörden, zur Aufbewahrung einer Bibliothek von 200,000 Bänden (darunter seltene Litteraturschätze und 3000 Manuskripte) und einer sehr bedeutenden Münzsammlung. Nach W., S. und O. hin wird der Friedenstein von einem herrlichen Park umrahmt. In demselben, der Südseite des Schlosses gegenüber, das ¶
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Neue Museum, ein monumentaler Bau im reichsten Renaissancestil mit den Sammlungen des Naturalien-, Antiken-, Kunst- und chinesischen
Kabinetts, der Gemäldegalerie etc. Von andern Gebäuden sind bemerkenswert: das herzogliche Palais im italienischen Villenstil
mit Gemäldesammlung, nahe dabei der Marstall, das Palais Friedrichsthal, der Orangerie gegenüber, das Theater
[* 6] (1837-39 erbaut, 1861 glänzend
restauriert), die Gebäude der Feuerversicherungsbank, der Deutschen Grundkreditbank (beide von Bohnstedt
erbaut) und der Lebensversicherungsbank, das altertümliche Rathaus am Markte, das Landschaftshaus etc. Interessant ist der
Friedhof mit der ersten deutschen Feuerbestattungshalle nebst Kolumbarium
[* 7] und Verbrennungsapparat nach Siemensschem System.
Eine 22 km lange Wasserleitung
[* 8] sorgt für Trinkwasser. Die Bevölkerung
[* 9] beläuft sich mit der Garnison (1
Inf.-Bat.
Nr. 95) auf (1885) 28,100 Seelen, der Mehrzahl nach Evangelische. Goth
ist einer der lebhaftesten Handels- und Speditionsplätze
Thüringens und der Sitz mannigfaltiger Industrie.
Sehr bedeutend ist die Wurstfabrikation (mit jährlichem Export von 5000 metr. Ztr., zum Teil nach Ostasien und Australien).
[* 10] Bedeutend sind auch die Schuh-, Spritzenschlauch-, Spielwaren- und Zuckerfabrikation. Außerdem finden
sich hier eine Porzellanfabrik und eine Eisengießerei.
[* 11] Weltbekannt ist das J. ^[Justus] Perthessche Geographische Institut,
dessen Erzeugnisse, Atlanten und Karten, über die ganze Erde gehen. Goth
besitzt ein Gymnasium mit Realgymnasialklassen, eine
höhere Bürgerschule, ein Lehrer- und ein Kindergärtnerinnenseminar, eine Handelsschule und eine Baugewerkschule.
Die ehemals berühmte Sternwarte
[* 12] auf dem nahen Seeberg, an welcher v. Zach, Encke, v. Lindenau u. a. thätig waren, ging 1857 ein;
die neue Sternwarte, bis 1874 unter Hansens Leitung, befindet sich in der Nähe des Parkes. Goth
ist Sitz des Staatsministeriums,
eines Landratsamtes und eines Landgerichts. In der Umgegend zeichnen sich besonders aus: der Arnoldische
Berggarten, das Dorf Siebleben mit dem herzoglichen Schloß Mönchshof nebst Park (Fasanerie) und dem Landhaus des Dichters
Gustav Freytag, der 411 m hohe Seeberg mit großen Sandsteinbrüchen und der Boxberg, wo alljährlich die Pferderennen des Mitteldeutschen
Rennvereins stattfinden. Der Landgerichtsbezirk Goth
umfaßt die acht Amtsgerichte zu Goth
, Liebenstein, Ohrdruf,
Tenneberg, Thal,
[* 13] Tonna in Gräfentonna, Wangenheim in Friedrichswerth und Zella St. Blasii.
(in den ältesten Urkunden Gotegewe, später Gotaha genannt) kommt zuerst um 930 vor als ein Dorf, das zum Stift Hersfeld
[* 14] gehörte
und durch dessen Abt Gothard
(nachherigen Schutzheiligen von Goth
) mit Mauern umgeben wurde. Später kam es
in Besitz der Landgrafen von Thüringen, welche daselbst eine Kemnate erbauten, aus welcher das feste Schloß Grimmenstein entstand.
Um 1200 wird Goth
zuerst als Stadt genannt, deren Wassermangel Landgraf Balthasar 1350 abhalf, indem er den Leinekanal nach Goth
leiten
ließ.
Nach dem Aussterben der Landgrafen kam an die Wettiner und fiel bei der Teilung zwischen Friedrich dem Sanftmütigen
und dessen Bruder Wilhelm 1440 an letztern, nach Wilhelms Tod 1485 in der Teilung zwischen Ernst und Albert an den erstern (Kursachsen).
Die Reformation fand in Goth
schon um 1521 Eingang. Hier wurde im Februar 1526 der sonst nach Torgau
[* 15] benannte
Bund zwischen Kursachsen und Hessen
[* 16] geschlossen. Im Schmalkaldischen Krieg 1546 wurde ein großer Teil der Festungswerke des
Grimmensteins von den Kaiserlichen geschleift.
Zwar durften die Söhne Johann Friedrichs die Befestigungen später wiederherstellen; als sich jedoch einer derselben, Johann
Friedrich der Mittlere, welcher zu Goth
residierte, in die Grumbachschen Händel (s. Grumbach) verwickelte
und infolgedessen in die Reichsacht kam, wurde Goth
1566 von dem Kurfürsten August von Sachsen,
[* 17] als Achtsexekutor, belagert und eingenommen,
worauf der Grimmenstein abermals und völlig geschleift wurde. 1572 fiel an Herzog Ernst den Frommen, den Stifter
der neuen goth
aischen Linie, der in Goth
seine Residenz nahm und das Schloß Friedenstein (s. oben) erbaute.
Ernst II. (1772-1804) räumte die alten Festungswerke um Goth weg und ersetzte sie durch Anlagen. Mit dem Aussterben dieser Linie (1825) kam an Koburg. In Goth blühte im 18. Jahrh. unter Ekhofs Leitung und der Mitwirkung von Böck, Iffland, Beck etc. bis 1779 die Schauspielkunst, während neuerdings durch A. Petermann (bis 1878 Leiter der geographischen Anstalt von J. ^[Justus] Perthes) ein Mittelpunkt für die geographischen Wissenschaften auf der ganzen Erde geworden ist.
Vgl. Beck, Geschichte der Stadt Goth (Gotha 1870);
Kühne, Beiträge zur Geschichte der Entwickelung der sozialen Zustände der Stadt und des Herzogtums Goth (das. 1862).