
Goms
,
französisch Conches. Bezirk des Kantons Wallis. Fläche 52870 ha. Umfasst folgende 21 Gemeinden: Aernen, Ausserbinn, Bellwald, Biel, Binn, Blitzingen, Fiesch, Fiescherthal, Gesclienen, Gluringen, Lax, Mühlibach, Münster, Niederwald, Obergestelen, Oberwald, Reckingen, Ritzingen, Selkingen, Steinhaus und Ulrichen. Grenzt im N. an den Kanton Bern, im O. an die Kantone Uri und Tessin, im S. an Italien und im W. an den Bezirk Ost Raron. Umfasst den obersten Abschnitt des Rhonethales und wird von der Rhone von ihrem Austritt aus dem Rhonegletscher (1800 m) bis zur Einmündung der Binna (880 m) durchflossen.
Vom
Gletscher an erweitert sich das Thal in dem Masse, als der hier noch bescheidene Quelllauf der
Rhone die Schmelzwasser
der beiderseitigen
Gletscher aufnimmt. Grösste Länge des
Thales Goms
vom
Dammastock bis zur Mündung der
Binna 40 km, grösste
Breite zwischen den
Fiescherhörnern u. dem
Grampielhorn 27 km. Von den unzählbaren Wasserarmen, die der
Rhone auf diesem ersten Abschnitt ihres
Laufes zugehen, sollen folgende genannt werden: von links der
Gerenbach oder
Elme (der
Abfluss des Gletschergebietes am
Pizzo Rotondo), die
Egine oder der Eginenbach (vom
Brodelhorn u.
Griesgletscher her), der gegenüber
Reckingen mündende
Blindenbach, der aus dem
Rappenthal kommende
Mühlibach und endlich die das wilde und
einsame
Binnenthal entwässernde
Binna; von rechts, als einziger nennenswerter Zufluss, der
Fiescherbach. In physischer Hinsicht
kann das oberste
Rhonethal in zwei grössere Abschnitte zerlegt werden, nämlich in die Strecke
Oberwald (1370
m)-Niederwald
(1255 m) mit 17 km und in die Strecke
Niederwald-Mündung der
Binna mit 9,5 km Länge.
Goms

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Seite 42.376.Das erstgenannte dieser Thalbecken zeigt sich im Sommer als eine einzige ungeheuer grosse Wiese, der zwar die Obstbäume fehlen, die aber dafür mit einer Masse von Blumen durchwirkt ist. Es folgen sich hier längs der rechts der Rhone hinziehenden Strasse in langer Reihe Dörfer und Weiler, die beinahe alle in ihrem äusseren Ansehen einander völlig gleichen. Der Fluss selbst schäumt durch Wiesen und windet sich in Schlangenlinien um die vielen Schuttkegel herum, die von den beide Seitengehänge zerfressenden Nebenbächen angeschwemmt worden sind. An den günstigsten Lagen des rechtsseitigen Thalgehänges kleben hier und da noch einige Roggenäcker, die aber kaum vor September ihren Ertrag geben, während das steilere linksseitige Gehänge als bewaldete und von wilden Runsen zerschnittene Mauer bis nahe an den Flusslauf herantritt. Diese ganze weite grüne Muschel (conque) bietet dem Auge mit ihrem gleichmässig ebenen Boden und ihrer Fülle von Dörfchen mit schön gebräunten Holzhäusern einen der erquickendsten ¶
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![vergrössern: Bezirk und Thalschaft Goms. ^[Karte: 5° 55’ O; 46° 30’ N; 1:250000]. vergrössern: Bezirk und Thalschaft Goms. ^[Karte: 5° 55’ O; 46° 30’ N; 1:250000].](/meyers/teile/42/42_0376-1.jpg)
Ruhepunkte, die man im Herzen unserer Alpen antreffen kann. Von Blitzingen an beginnt der Fluss, sich tiefer und tiefer einzuschneiden, um unter Niederwald donnernd in die tiefe Schlucht zu treten, die er erst nach der Aufnahme der an Wasserführung mit ihm rivalisierenden Massa wieder verlässt. Jetzt erscheinen auch am linken Rhoneufer Siedelungen: das den obern Eingang in die Schlucht hütende Bodmen, das in wildem Winkel sich bergende Steinhaus, das am brausenden Wildbach gleichen Namens stehende Mühlibach und endlich, stolz auf dem Steilufer thronend, das prächtige und blühende Dorf Aernen, ehemaliger Bezirkshauptort, mit seiner reich ausgestatteten Kirche, seinen alten Galgen und seinen mit Fresken verzierten Holzhäusern.
Aernen ist das bemerkenswerteste Dorf des ganzen Bezirkes sowohl mit Bezug auf sein altertümliches Gepräge als auch
auf die in seinen Häusern herrschende peinliche Sauberkeit, die vorteilhaft gegen den vernachlässigten Zustand der Wohnstätten
in gewissen anderen, weniger abgelegenen Gebieten des Kantons absticht. Die immer am rechten Ufer der
Rhone sich haltende Poststrasse durchzieht Niederwald, lässt Bellwald und Fürgangen hoch oben rechts liegen und erreicht Fiesch,
das eigentliche Exkursionszentrum für den
untern Abschnitt des Goms
erthales, von wo aus man ein völliges Gewirre von Thälern
u. Schluchten vor sich sieht.
Bald erreicht man Lax, die letzte Gemeinde des Bezirkes, und das auf einem Felsvorsprung (Deischberg,
Mons Dei) stehende Teisch. Hier unten ist die Pflanzenwelt schon abwechslungsreicher; bei den Dörfern erscheinen allmählig
Obst-, besonders Kirschbäume, und Gartenbau und Bienenzucht erheben sich zu einiger Bedeutung. Mit seinen 8 Ew. auf einen
km2 ist der Bezirk Goms
der die kleinste Bevölkerungsdichtigkeit aufweisende Bezirk des Kantons.
Die Bevölkerungszahl betrug im Jahr 1888 4192, im Jahr 1900 4204 und ist nahezu gleich der Zahl der Einwohner der einzigen
Unterwalliser Gemeinde Bagnes (4427 Ew.). 723 Häuser, 973 kathol. Haushaltungen deutscher Zunge.
Goms

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Seite 42.377.
Die Querthäler im Bezirk Goms
sind im Allgemeinen zu klein, zu steil, oder zu hoch gelegen, als dass
sie das ganze Jahr hindurch ständig bewohnt werden könnten. Neben dem einen ganz kleinen Weiler bergenden Gerenthal sind
einzig die an der untern Grenze des Bezirkes eingeschnittenen beiden Thäler von Fiesch und Binn auch im Winter noch bewohnbar.
Die beinahe ausschliessliche Erwerbsquelle der Gomser
bilden Viehzucht und Milchwirtschaft, und es ist
vielleicht
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diesem Umstand zuzuschreiben, dass hier der rationelle Betrieb der damit zusammenhängenden landwirtschaftlichen Arbeiten
besser verstanden wird, als in vielen anderen Gegenden des Kantons. Die von den Alpweiden des Goms
herstammenden kleinen
Fettkäse sind die am vorzüglichsten bearbeiteten und die geschätztesten des ganzen Kantons Wallis;
sie werden besonders gern für die
Herstellung der sog. râclette, einer namentlich in Sitten mit Vorliebe hergestellten Art von Käsekuchen verwendet. Früher
war es, besonders im Binnen- und Fiescherthal, Sitte, einzelne dieser Käse als wahre Familienandenken lange Jahre hindurch aufzubewahren.
Mehrere solcher Muster, von denen einige aus dem 17. Jahrhundert stammten und das älteste, bis zum Jahr 1600 zurückreichende
heute noch im Gemeindehaus zu Fiesch gezeigt wird, waren z. B. auf der 1871 zu Sitten veranstalteten landwirtschaftlichen Ausstellung
zu sehen.
Der Bezirk Goms
lieferte einst für die landwirtschaftlichen Arbeiten in den zentralen Walliser Bezirken (Siders, Sitten und
Conthey) zahlreiche Arbeitskräfte; jetzt hat diese periodische Auswanderung schon längst aufgehört,
doch besteht in Brämis gegenüber Sitten als Andenken an diese Zeit immer noch eine wirkliche Goms
erkolonie. Heute verdingt
sich die Gomser
Jungmannschaft im Sommer in die Gasthöfe des eigenen Landes, im Winter in diejenigen der Riviera und des
französischen Mittelmeerufers. Vieles zur Hebung des Goms
hat namentlich auch die Eröffnung der Furkastrasse
beigetragen. Alpine Sommerkurorte und Fremdenstationen sind Fiesch, Gletsch, Binn und Münster.
Die Viehstatistik ergibt folgende Resultate:
1886 | 1896 | 1901 | |
---|---|---|---|
Hornvieh | 4557 | 4616 | 4720 |
Pferde | 96 | 72 | 89 |
Schweine | 791 | 892 | 806 |
Ziegen | 1932 | 2693 | 2317 |
Schafe | 3783 | 4314 | 3854 |
Maultiere | - | - | 1 |
Esel | - | - | 6 |
Bienenstöcke | 251 | 339 | 285 |
In dem an seltenen Mineralien reichen Binnenthal bestand einst ein Schmelzwerk. Das Fiescherthal ist bekannt durch seine vielen schönen Bergkrystalle.
Zwei Alpenstrassen und zahlreiche Passübergänge verbinden das Goms
mit den Nachbarlandschaften. Die beiden Strassen führen
über die am N.- und O.-Ende des Bezirkes gelegenen Pässe der Grimsel (2164 m) und Furka (2436 m) ins
Berner Haslethal einerseits und ins Reuss- und Vorderrheinthal andererseits. Der Nufenen- und Griespass, beide einst stark begangen,
leiten durch das Eginenthal ins Tessiner Bedrettothal bezw. nach den italien. Thälern von Formazza und Antigorio. Ueber den
Albrunpass steht das Goms
durch das Binnenthal ebenfalls mit dem Antigoriothal und Domo d'Ossola in Verbindung.
Diese 3 letztgenannten Pässe sind für Lasttiere gangbar.
Die Rolle, die die Landschaft Goms
in der Geschichte des Wallis
gespielt hat, ist bedeutender als die irgend eines anderen Bezirkes.
Die Gomser
betrachten sich mit Stolz als die Hüter der politischen Unabhängigkeit und des katholischen
Glaubens des Wallis,
was ihr Widerstand gegen die Einführung der Reformation und ihr zäher Kampf gegen die französische Invasion
zu einem grossen Teil rechtfertigt. In der That war das im obern Winkel zwischen den zwei das schweizerische Rhonebecken begleitenden
Hochgebirgsketten geschützt gelegene und thalauswärts gegen Brig durch die wilden Schluchten des Deischberges
verteidigte Goms
schon von der Natur zum letzten Bollwerk der durch eine Invasion bedrohten Freiheit bestimmt.
Die mit den Urkantonen verbündeten Gomser
hatten ausserdem noch genügenden Einfluss, um die einst für kurze Zeit im Rhonethal
bis Brig hinauf verbreiteten Lehren der Reformation im ganzen Kantonsgebiet wieder zu vernichten. Und
nicht zuletzt fällt den Gomsern
auch ein wesentliches Verdienst an den beiden Siegen von Ulrichen zu, die im zeitlichen Abstand
von einem Jahrhundert den ins Land eingefallenen, aber hier zu Stücken gehauenen Bernern für immer das Gelüste nahmen,
sich die Bewohner des Rhonethales zu unterwerfen.
Goms
ist die Heimat der bedeutendsten und geschicktesten Staatsmänner des
Wallis
gewesen, so des Kardinales Matthäus Schinner
und des Bischofs Walter Supersaxo, der die Savoyarden endgiltig aus dem Rhonethal verjagt hat. Gomser waren auch der Senn Thomas
Riedi und Minichow, die beiden Helden von Ulrichen. Daneben kann sich das Goms noch einer Reihe von auf
anderen Gebieten berühmten Persönlichkeiten rühmen: ihm gehört die Familie Ritz an, der mehrere Maler und der Pfarrer entsprossen
sind, der dem Pfarrhaus und der Kirche zu Münster die von seiner Hand bemerkenswert schön geschnitzten Holztüren und -möbel
hinterlassen hat;
ferner der Kanonikus Weger, Erzieher des Kaisers Josef II., der Dichter lateinischer Lieder Josef Binner und endlich auch ein Zweig des Geschlechtes von Riedmatten, aus dem fünf Bischöfe von Sitten hervorgegangen sind.
Obwohl das Goms für einen der ältesten Besitze des bischöflichen Stuhles von Sitten gilt, vollzog sich doch die Einigung der Landschaft zu einem geschlossenen Staatswesen nur langsam. Man findet hier noch bis ins 18. Jahrhundert hinein Ueberreste von einer Reihe von ganz kleinen Gerichtshoheiten, die alle mehr oder weniger vom Majorat Aernen abhängig waren. So besass z. B. das heute beinahe unbewohnte Gerenthal bis zur französischen Revolution seinen eigenen Ammann, Galgen und Gericht.
Vor der Einrichtung der Selbstverwaltung der einzelnen Gemeinden waren auch alle im Becken von Goms sitzenden Statthalter des bischöflichen Stuhles dem Majorat Aernen untertan, so dass dieses Dorf der erste Hauptort des Goms wurde, in welche Würde es sich dann vom 14. Jahrhundert an mit Münster teilen musste. Die jetzigen Gemeinden Gluringen, Reckingen, Biel und Blitzingen bildeten zusammen lange Zeit die sog. Landgrafschaft, die den seit 1290 in einer heute zerstörten Burg zu Biel sitzenden und den Grafentitel führenden Vitztumen zu eigen war.
Die Bewohner des Goms kauften sich in der Folge nach und nach von den meisten feudalen Verpflichtungen los, die seit 1374 nur noch in ganz unbedeutendem Masse auf ihnen lasteten. Um dieselbe Zeit benutzten die Gomser die zahlreichen Verlegenheiten und Unglücksfälle, die die Vitztume Edeln von Blandrate Schlag auf Schlag trafen, um diese Familie aus dem Lande zu verjagen. Die dem Zehnten Goms zustehende eigene Verfassung blieb bis zu Ende des alten Régime die denkbarst demokratische, indem die Gomser, gestützt auf ihre alten Beziehungen zu den Waldstätten und auf einen mit Johannes von Attinghausen in Uri geschlossenen Bund, sich als oberste Behörden ihre eigenen Ammänner gaben und, im Gegensatz zu den anderen Zehnten, auch ihre eigenen Abgeordneten in die Tagsatzung sandten.
Das Stimmrecht konnte damals noch vom 14. Altersjahr an ausgeübt werden. Nach dem Geschichtschreiber Boccard soll der Zehnten Goms, der in den Urkunden ursprünglich a Monte Dei superius geheissen wird, seinen jetzigen Namen im 14. Jahrhundert erhalten haben, wonach die französische Form Conches älter wäre als die deutsche Gombs oder Goms und die erst nachträglich daraus abgeleitete lateinische Bezeichnung Gomesia. Ferner stellte Zimmerli fest, dass Conches zuerst der Name des Dorfes Münster, der damals einzigen Kirchgemeinde oberhalb Aernen, gewesen sei; 1322: curatus de Conches, 1332: curatus de Monasterio.
Obwohl Gremaud die urkundlichen Formen apud Gomes (1272) und ecclesia de Conches (1285) gefunden hat, scheint es doch festzustehen, dass die damals vorherrschend gebräuchliche französische Form des Namens von der natürlichen Beschaffenheit des obersten Thalbeckens herzuleiten sei, das in der Tat einer sog. contze gleicht, mit welchem Ausdruck der Unterwalliser Dialekt einen Brunnentrog oder eine Brunnenstube zu bezeichnen pflegt. Ein Blick auf die Gegend, in deren Mitte Münster liegt, genügt, um uns wirklich das Bild eines weiten muschelförmigen Beckens (conque, concha) zu geben. 1211: Gomesianum.
Wie ein grosser Teil des Wallis überhaupt, ist auch das Goms von einer brachycephalen Urbevölkerung besiedelt worden und zwar ist dies wahrscheinlich zu Ende der neolithischen oder zu Beginn der Bronzezeit geschehen. Die in den verschiedenen Beinhäusern des Thales befindlichen Schädel sind von Dr. Eugen Pittard, dem man alle anthropologischen Studien über das Wallis ¶
Im Geographisches Lexikon der SCHWEIZ, 1902
Glissen - Gorbatbach

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Seite 47.1041.
* Goms
(Conches).
Bezirk des Kantons Wallis. Die Viehzählung von 1906 ergab folgende Zahlen:
1906 | |
---|---|
Rindvieh | 4655 |
Pferde | 110 |
Schweine | 942 |
Schafe | 3556 |
Ziegen | 2615 |
Bienenstöcke | - |