Titel
Goldenes
Vlies, 1) s. Argonauten. - 2) Orden [* 2] vom Goldenen Vlies (Ordre de la Toison d'or, Aureum Vellus, Toisonorden), österreich. und span. Orden, wurde von Philipp dem Guten, Herzog von Burgund, dem Tag seiner Vermählung mit Isabella von Portugal [* 3] in Brügge, »zum Lob und Ruhm des Erlösers der Jungfrau Maria und des heil. Andreas wie zum Schutz und zur Förderung des christlichen Glaubens und der heiligen Kirche, zur Tugend und Vermehrung guter Sitte gestiftet«.
Die Benennung des Ordens beruht wahrscheinlich darauf, daß Philipp damit auf den Kreuzzug nach Syrien, den er vorhatte, als auf einen neuen Argonautenzug hat hindeuten wollen. Die Stiftungsurkunde datiert aus Rethel vom Januar 1431; die ersten Statuten erschienen in 66 Kapiteln zu Lille [* 4] denen im Haag [* 5] 1456 noch 21 hinzugefügt wurden. Von Anfang an war es Bedingung der Aufnahme, von altem, unbescholtenem Adel zu sein und hervorragende Dienste [* 6] geleistet zu haben.
In den ersten zwei Jahrhunderten wurde der Orden, der stets nur eine Klasse hatte, bloß an Fürsten und Edelleute vom höchsten Rang verliehen. Das Ordenskapitel, das aus sämtlichen Rittern bestand und anfangs jährlich, später alle drei Jahre sich versammeln sollte, zuletzt aber nur, wenn es der Ordensmeister berief, zusammenkam, ernannte die Ritter durch absolute Stimmenmehrheit. In den Kapiteln wurde strenge Zensur über alle Ritter geübt, Strafen und Verweise erteilt.
Die Ritter hielten fest zusammen, jede Unbill war der Gesamtheit geschehen; für gefangene Ritter mußte das Lösegeld aufgebracht werden. 1559 ward das letzte Kapitel abgehalten. Philipp II. hatte von Papst Gregor XIII. die Erlaubnis erhalten, die Ritter selbst zu ernennen. Damit wurde der Orden ein andrer, und die Zahl der Ritter (bislang 31) war von da an unbestimmt. Infolge der Vermählung Marias von Burgund mit dem Erzherzog Maximilian von Österreich [* 7] ging die Großmeisterstelle des Ordens nach den Statuten an das habsburgische Haus über.
Als der spanische
Zweig des habsburgischen
Hauses erlosch, prätendierten
Karl VI. von
Österreich und
Philipp V. von
Spanien je
für ihre
Krone das ausschließliche
Recht der Ordensverleihung. Die
Frage blieb streitig und wurde häufig Gegenstand von
Verhandlungen;
aber das österreichische
Haus hat niemals den spanischen
Zweig des
Ordens und die spanischen Ernennungen
anerkannt.
Spanien hat stets einer laxern
Observanz in der
Verleihung gehuldigt: während
Österreich seine
Ritter unter
Fürsten
und dem hohen
Adel sucht, nur Katholiken aufnimmt, hatte
Spanien 1873 mehrere bürgerliche, 11 protestantische und sogar 2 mohammedanische
Vlies
ritter. In
Spanien bezahlen die
Ritter bei der
Aufnahme 7500
Frank.
Alle Rundschreiben werden in französischer
Sprache
[* 8] erlassen. Im ganzen wurden seit der
Gründung, also von 1429-1871, 975
Vliese
verliehen. Die Zahl ist weder in
Spanien noch in
Österreich fixiert. Das Ordenszeichen ist ein goldenes
Widderfell, das an
einem blau emaillierten, flammenspeienden
Feuerstein hängt, über dem sich in
Österreich auf goldenem
Band
[* 9] ein Drachentöter und auf gewundenem
Knoten der
Wahlspruch:
»Pretium laborum non vile« befindet, während in
Spanien der
gewundene
Knoten von
Gold
[* 10] ohne
Inschrift ist.
Dies Zeichen wird an Festtagen an einer aus Feuerstählen und flammenspeienden Feuersteinen (dem Emblem Burgunds) bestehenden Kette, sonst an rotem Band getragen. Die Ordenskleidung besteht für Österreich in einem samtenen hochroten, mit weißem Taft gefütterten Talar, über welchen ein purpurfarbiger, mit weißem Atlas [* 11] gefütterter langer Mantel geworfen wird, dessen breite Randstickerei möglichst oft die Feuerstein- und Stahlkette mit den hervorsprühenden Funken zeigt.
Auf dem äußersten
Saum des
Mantels prangen auf dem weißen
Atlas wiederholt die
Worte: »Je l'ay empris«.
Zur Kopfbedeckung dient eine
Mütze von purpurfarbigem, goldgesticktem
Samt mit herabfallendem Mäntelchen, auf der linken
Seite mit herabhängender glatter Streifbinde. Den Beschluß der
Tracht machen
Schuhe und
Strümpfe von roter
Farbe. Die spanischen
Vlies
ritter haben dieselbe
Tracht, doch ohne
Mantel. Der
Tag des Ordensfestes ist in
Wien
[* 12] der St. Andreastag
oder der darauffolgende
Sonntag. Am Dreikönigstag ist in der Hofkirche Toisonamt. Der
Orden hat einen
Kanzler, einen Schatzmeister,
Greffier und
Wappenkönig.
Vgl. Chifletius, Breviarium ordinis Velleris aurei (Antw. 1651);
Pinedo y Salazar, Historia de la insigne órden de Toyson de oro (Madr. 1787);
Reiffenberg, Histoire de l'ordre de la Toison d'or (Brüss. 1830);
Zoller, Der Orden vom Goldenen Vlies (Altenb. 1879).
S. Tafel »Orden«.