Gógol
-Janówskij
,
Nikolai Wasiljewitsch, einer der hervorragendsten russ. Schriftsteller und der bedeutendste russische Humorist, geb. 19. März (alten Stils) 1809 im Flecken Sorotschinzy im Gouvernement Poltawa, wurde im Lyceum des Fürsten Besborodko zu Neshin erzogen und versuchte sich bereits damals als Schriftsteller, so in der Novelle »Gebrüder Twerdislawitsch«, dem Trauerspiel »Die Räuber« und der Ballade »Die beiden Fischlein«, in welcher er mit rührender Innigkeit sein und seines Bruders Schicksal schilderte.
Nachdem er sich 1829 nach St. Petersburg [* 2] gewendet, erhielt er im folgenden Jahr die Stelle eines Subalternbeamten im Apanagendepartement, die ihm jedoch wenig zusagte, und die er noch vor Jahresschluß aufgab. In dieser Zeit schrieb er seine erste bedeutende Erzählung: »Abende auf dem Meierhof unweit Dikanka«, und einige kleinere Sachen, welche die Aufmerksamkeit der litterarischen Welt auf ihn lenkten. Er lernte Puschkin kennen, mit dem er in engsten Verkehr trat, und wurde auf Verwendung des Schriftstellers P. A. Pletnjow ohne weitere Vorbereitung zum Oberlehrer der russischen Litteratur am patriotischen Institut zu Petersburg ernannt.
Nachdem er diese Stelle bald wieder aufgegeben, erhielt er 1834 eine Anstellung als Adjunktprofessor an der Universität. Aber auch hier mußte er schon im nächsten Jahr seinen Abschied nehmen und widmete sich nun ganz der Litteratur. In dieser Zeit bis zu seiner 1836 unternommenen ersten ausländischen Reise erschienen einige seiner besten humoristischen Erzählungen: »Arabesken«, »Das Porträt«, »Newskij Prospekt«, »Die Mär von dem Streit zwischen Iwan Iwanowitsch und Iwan Nikiforowitsch«, »Die Nase« [* 3] etc., und das bedeutendste russische Lustspiel: »Der Revisor«, in welchem er die Bestechlichkeit u. Borniertheit der provinzialen russischen Beamtenwelt mit rücksichtsloser Schärfe geißelt.
Bei der Aufführung erregte das
Stück in den
Kreisen der russischen
Büreaukratie einen solchen
Sturm von Unwillen, daß
es nur der persönlichen Einmischung des
Kaisers
Nikolaus verdankte, daß kein Verbot der fernern Aufführung erfolgte. Von 1836 an
verbrachte er die folgenden zehn Jahre meist im
Ausland, wo er auch sein Hauptwerk schuf:
»Tote
Seelen«, ein unvollendet gebliebenes
Sittengemälde voll köstlicher satirischer
Typen. Im J. 1848 machte Gógol
-Janówskij
, der mittlerweile das
Opfer eines
inhaltsarmen religiösen Mystizismus geworden war, eine
Reise nach
Jerusalem
[* 4] und kehrte dann nach
Moskau
[* 5] zurück, wo er, geplagt
von mystischen
Halluzinationen und Gewissensskrupeln, 21. Febr. (alten
Stils) 1852 einem
Nervenfieber erlag. Gógol
-Janówskij
war eine genial
angelegte realistische Dichternatur, die, einer umfassendern, tiefern geistigen
Ausbildung ermangelnd,
nach den
Jahren frischer, unbewußter Schaffenskraft auf den Irrweg einer verderblichen einseitigen Gedankenrichtung geriet,
in der sein mächtiges
Talent zu
Grunde ging.
Ein trauriges Denkmal dieser Verirrung sind die 1847 herausgegebenen »Auserlesenen
Stellen aus dem Briefwechsel mit seinen
Freunden«, in welchen er geistigen Stillstand, religiöse Asketik, absolute politische
Unterordnung unter die
Staatsgewalt predigt. Nächst den
»Toten
Seelen« ist Gogols
bedeutendstes Werk die
kleinrussische
Erzählung »Taraß Bulba«, ein mit dramatischer
Kraft
[* 6] und feuriger Farbenpracht ausgeführtes Gemälde des alten
Kosakentums in der
Ukraine. Nächst
Puschkin und
Turgenjew ist Gógol
-Janówskij
der populärste russische Schriftsteller. Seine Werke werden
fortwährend neu aufgelegt und wurden auch mehrfach ins Deutsche
[* 7] übersetzt (neuerdings in
Reclams »Universalbibliothek«
und in der
»Kollektion Spemann«). Eine Gesamtausgabe derselben mit des Dichters Briefwechsel erschien zu
Moskau (1856-57) in 6
Bänden.