Titel
Göschen
,
1) Georg Joachim, Buchhändler, geb. zu Bremen, [* 3] erlernte daselbst den Buchhandel, war hierauf 13 Jahre zu Leipzig [* 4] in der Buchhandlung von Siegfr. Lebr. Crusius thätig, leitete sodann einige Jahre die Gelehrtenbuchhandlung in Dessau [* 5] und errichtete 1785 in Leipzig ein eignes Geschäft, welches er bald zu einer der angesehensten Verlagshandlungen Deutschlands [* 6] erhob. Die Gesamtausgaben von Goethe (bis 1790, 8 Bde.), Wieland, Klopstock, Thümmel und Iffland, ferner Werke von Schiller, Stolberg, [* 7] Seume, Woltmann, Apel, Fr. Laun, Böttiger, v. Knebel, Fr. Kind, Müllner, Houwald, Schriften von Hufeland, Gottfr. Schütz, F. A. Wolf, Griesbach u. a. bezeichnen die Thätigkeit desselben.
Seine Prachtausgaben in
Quart
[* 8] von
Wieland (250 Thlr.),
Klopstock (54 Thlr.), von
Griesbachs Neuem
Testament, griechisch (44 Thlr.),
Wolfs griechischem
Homer
(Folio, 36 Thlr.) u. a. zählten zu den besten
Produkten der deutschen
Typographie. Göschen
schrieb selbst
viele
Erzählungen, welche meist anonym in
Zeitschriften erschienen, z. B.
»Johanns
Reise« (1793, gegen welches
Buch das Schillersche Xenion Nr. 291 gerichtet ist) und das
Lustspiel »Zweimal sterben macht
Unfug« (1800). Außerdem redigierte
er: »Die Sonntagsstunde«, eine Wochenschrift (1813),
und
»Amerika,
[* 9] dargestellt durch sich selbst« (1818-20, 3 Bde.).
Göschen
starb auf seinem
Gut Hohenstädt bei
Grimma.
[* 10] Die Verlagshandlung wurde unter Leitung seines
jüngsten
Sohns,
Hermann
Julius Göschen
, fortgeführt. Im J. 1839 wurde dieselbe von dem
Freiherrn
Georg v.
Cotta (s. d.) angekauft
und ging 1868 in den
Besitz von F. Weibert über, der das
Geschäft nach
Stuttgart
[* 11] verlegte.
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2) Johann Friedrich Ludwig, hervorragender Rechtslehrer, geb. zu Königsberg [* 13] i. Pr., studierte daselbst sowie in Göttingen, [* 14] später unter Savigny in Berlin, [* 15] wo er 1811 außerordentlicher, 1813 ordentlicher Professor der Rechte ward. 1822 ging er in gleicher Eigenschaft nach Göttingen, wo er starb. Er erwarb sich einen geachteten Namen durch Begründung der »Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft«, die er mit Savigny seit 1815 herausgab, durch seine Ausgaben des Gajus (s. d.) und seine »Vorlesungen über das gemeine Zivilrecht« (Götting. 1838-40, 3 Bde. in 5 Abtlgn.; 2. Aufl. 1843).
3) George Joachim, engl. Staatsmann, Sohn des Bankiers Wilhelm Heinrich Göschen
und Enkel von Göschen 1),
geb. zu
London,
[* 16] ward in Rugby erzogen, studierte in Oxford
[* 17] und trat dann als Teilhaber in das Bankgeschäft der Firma Frühling u. Göschen.
Die
öffentliche Aufmerksamkeit zog Göschen
zuerst auf sich durch seine Schrift »Theory of foreign exchanges« (Lond.
1863, 12. Aufl. 1886; deutsch, Wien
[* 18] 1876), welche scharfe theoretische Auffassung und weiten praktischen
Blick bewies. Im Parlament, wo er seit 1864 die City von London; später einen Bezirk von Edinburg
[* 19] vertrat, that sich Göschen
als Verfechter
liberaler Grundsätze, namentlich in Religionssachen, so hervor, daß Russell ihn 1865, als er nach Palmerstons
Tode, die liberale Regierung rekonstruierte, als Vizepräsidenten des Handelsaktes ins Ministerium berief. Im Januar 1866 wurde
er Kanzler des Herzogtums Lancaster und damit Mitglied des Kabinetts. Er blieb dies bis zum Sturz des Ministeriums Russell im Juni 1866. Als
im Dezember 1868 Gladstone ans Ruder kam, erhielt Göschen
das Präsidium des Armenamtes und entwickelte in dieser
schwierigen Stellung ein solches Verwaltungstalent und einen so umsichtigen Reformeifer, daß er im März 1871, als Childers
abdankte, dessen Nachfolger als erster Lord der Admiralität wurde.
Seine Verwaltung der Marine erfuhr allerdings mancherlei Anfechtung wegen zu großer Sparsamkeit. Im Februar 1874, mit dem Sturz
Gladstones, trat er zurück. 1876 wurde er als Vertreter der englischen Staatsgläubiger Ägyptens nach Kairo
[* 20] geschickt. Es
gelang ihm, den Chedive zur Annahme seines Finanzplans zu bewegen, welcher den Gläubigern Ägyptens den größten Teil ihrer
Forderungen zu retten versprach, indem er die ägyptischen Finanzen unter die ständige Kontrolle einer europäischen
Kommission stellte. Im November 1876 wurde dieser Plan angenommen. 1877 ward Göschen
zum Präsidenten des vom Unterhaus niedergesetzten
Ausschusses für die Enquete über den Wert des Silbers erwählt, und 1878 vertrat er England auf dem internationalen Münzkongreß
zu Paris,
[* 21] woselbst er sich entschieden gegen eine Veränderung des englischen Münzfußes aussprach. Im
Mai 1880, nachdem mit Gladstone die liberale Partei wieder zur Regierung gelangt war, wurde an Layards Stelle als außerordentlicher
Botschafter nach Konstantinopel
[* 22] geschickt, um die Pforte zu endlicher Ausführung des Berliner
[* 23] Vertrags in der armenischen, montenegrinischen
und griechischen Frage zu drängen.
Große Erfolge hatte aber seine Thätigkeit nicht aufzuweisen, und nachdem mehr ohne ihn als durch ihn in den Jahren 1880 und 1881 die montenegrinische und griechische Angelegenheit geregelt waren, wurde er im Mai 1881 abberufen und durch Lord Dufferin ersetzt. 1886 gehörte er zu den eifrigsten unter den liberalen Gegnern der irischen Pläne Gladstones und wurde infolgedessen nach der Auflösung des Parlaments in Edinburg nicht wieder gewählt. Seit in England eine politische Stellung erlangt hat, schreibt er sich englisch Goschen, wie er denn überhaupt bei mehreren Gelegenheiten dem Stammland seiner Familie wenig freundliche Gesinnungen bewiesen hat.