(griech., lat. Sententiae),
Sprüche, in welchen die
Resultate der Lebensbeobachtung in sinnreicher
Kürze ausgedrückt
sind, entweder metrisch (meist im elegischen Silbenmaß) oder in kräftiger
Prosa abgefaßt, ihrem
Charakter nach ein
Element
der didaktischenPoesie. Die indische, arabische, persische und
hebräische Litteratur ist reich an solchen
Sprüchen, und die Sämundsche
Edda hat viele treffliche Gnomen aus dem
Norden
[* 2] aufbewahrt. Eine große Geltung hatten die Gnomen bei
den Griechen.
Schon bei
Homer finden sich nicht selten dergleichen
Sprüche dem
Gang
[* 3] der
Erzählung eingewebt. Als die eigentliche
Entwickelungszeit der gnomischen
Philosophie ist das
Zeitalter der Gesetzgeber, eines
Lykurgos,
Charondas,
Zaleukos,
Drakon und
Solon, anzusehen, welche die
Satzungen des
Staats in metrische Fassung
¶
mehr
brachten und sie so von früher Jugend an den Gemütern als dauerndes Eigentum einzuprägen suchten. Auch Sittenlehren und Lebensregeln
wurden von den Weisen jener Zeit (z. B. den »sieben Weisen«) in dieser Form unter das Volk gestreut. Etwas später brachte Theognis
aus Megara, der eigentliche Meister der Gattung, die gnomische Poesie zu ihrer höchsten Ausbildung. Bei den
Römern verdienen Erwähnung die unter dem Namen »Cato« (s. d.) bekannte Spruchsammlung und die Sentenzen des Publius Syrus. Die
besten Sammlungen der griechischen Gnomendichter lieferten Brunck (Straßb. 1784; hrsg. von Schäfer, Leipz. 1817) und Gaisford
(Oxf. 1814-20; neuer Abdruck, Leipz. 1823, 5 Bde.).
Zu den Gnomen gehören auch die deutschen Priameln (s. d.) des 14. und 15. Jahrh. sowie
aus der modernen Litteratur die aphoristischen Offenbarungen in Rückerts »Weisheit des Brahmanen«, Schefers »Laienbrevier« und
ähnlichen Dichtungen.