Gnade
(lat.
Gratia), im allgemeinen jedes Wohlwollen des
Höhern gegen den Niedern, insbesondere die
Machtvollkommenheit
des
Souveräns, insofern sie Vergünstigungen zu teil werden lassen kann, auf welche ein Rechtsanspruch nicht besteht. Namentlich
im
Strafrecht ist das
Recht der Gnade
von großer Wichtigkeit (s.
Begnadigung). Auf Gott
übertragen, ist Gnade
nach
der Kirchenlehre diejenige
Güte
Gottes, nach welcher
er den
Menschen auch noch als
Sünder liebt und ihm den Rückweg zur verscherzten
Seligkeit ermöglicht, daher die
Rede ist von Gnade
Gottes in
Christus als der alles zusammenfassenden Hauptwohlthat
Gottes.
Hierauf gründet sich der Sprachgebrauch der Kirchenlehre, wonach im engern
Sinn vornehmlich die zuvorkommende
und erneuernde Wirksamkeit des
Heiligen
Geistes auf das innere
Leben der
Menschen Gnade
nwirkung, das von
Christus gegründete
und durch seinen
Geist regierte
Reich Gnade
nreich, die
Mittel, durch welche dieser
Geist den
Menschen das
Heil nahebringt und aneignet,
Gnadenmittel (s. d.), der Zustand des gerechtfertigten
Christen
Gnadenstand, die in letzterm zu genießenden
geistlichen
Güter Gnade
ngaben, die Lebenszeit des
Christen, sofern ihm die
Gnadenmittel zu
Gebote stehen, Gnade
nzeit und die
im Jenseits verheißene
Vergeltung Gnade
nlohn genannt werden.
Lehrbegriff - Lehrerin
![Bild 61.37: Lehrbegriff - Lehrerinnen [unkorrigiert] Bild 61.37: Lehrbegriff - Lehrerinnen [unkorrigiert]](/meyers/thumb/61/61_0037.jpeg)
* 2
Lehre.
In der
Kirche machte sich zuerst, solange die
Lehre
[* 2] hauptsächlich durch griechische
Kirchenväter
Ausbildung fand, eine
Richtung
geltend, welche das
Heil des
Menschen vornehmlich auf dessen freie
Entscheidung für das
Gute gründete,
während die Gnade
mehr auf die Bedeutung einer göttlichen
Beihilfe reduziert wurde.
Strengere
Begriffe von der Wirksamkeit der
Gnade
brachte in der lateinischen
Kirche
Augustin zur Geltung, indem er infolge seiner
Lehre von der
Erbsünde (s. d.) zu der Behauptung
fortschritt, daß
Gottes Gnade
einen Teil der
an sich verlornen und verdammten
Menschen ohne alle Rücksicht
auf deren eignes Zuthun durch
Christus rette.
Die entgegenstehende
Theorie wurde zwar von der
Kirche als Pelagianismus verworfen; gleichwohl aber behauptete man selbst da,
wo sich
Augustins Ansehen fast unbedingte Geltung verschaffte, doch eine gewisse Allgemeinheit der Gnade
, und
demgemäß wurde auf dem
Konzil zu
Arausio (529) trotz unbedingter
Notwendigkeit der Gnade
eine durch die
Taufe gewirkte Wiederherstellung
der
Willensfreiheit angenommen. Auch die
Scholastiker haben ein
Interesse an der
Freiheit des
Willens und der Verdienstlichkeit
der frommen Werke, räumen aber je nach dem
Maß ihrer
Neigung zum Augustinismus dabei der Gnade
einen größern
oder geringern Wirkungskreis ein. So entstand ein
Lehrbegriff, welcher den
Prozeß der Heilsaneignung in der Form einer Abwechselung
von
Wirkungen der Gnade
, bei welcher immer die
Initiative liegt (gratia praeveniens), und des freien
Willens, endlich aber eines
Zusammenwirkens beider (gratia cooperans) beschreibt (s.
Meritum), und an diesen scholastischen
Lehrbegriff
schließt sich wesentlich auch das
Konzil von Trident an. Die
Reformatoren dagegen wandten sich in ihrem
Interesse, den
Menschen
von der priesterlichen Vermittelung zu emanzipieren und lediglich auf Gott zu stellen, der strengen Gnade
nlehre
Augustins
zu und mußten daher eine Mitwirkung des natürlichen freien
Willens zurückweisen. Am konsequentesten
verkündigte
Calvin eine Gnade
, welche nicht an alle gelange (particularis), aber unwiderstehlich (irresistibilis) und nicht
wieder zu verlieren (inamissibilis) sei. In die lutherische
Dogmatik dagegen ging der übrigens auch im
Sinn der Ausschließlichkeit
der
Wirkung der Gnade gemeinte Vermittelungsversuch der
Konkordienformel über, wonach die Gnade zurückgewiesen
und verloren werden kann.
Alles religiöse und wahrhaft sittliche
Leben aber wurde aus übernatürlichen Gnadenwirkungen hergeleitet
und in die Tragweite des natürlichen freien
Willens nur die Erlangung einer bürgerlichen
Gerechtigkeit (justitia civilis)
gestellt. Vgl.
Prädestination.