Glycerin
(Glycerylalkohol, Glyceryloxydhydrat, Ölsüß, Scheele'sches Süß). Dasselbe ist ein Spaltungsprodukt der Fette, bildet sich aber auch in geringer Menge bei der geistigen Gärung zuckerhaltiger Flüssigkeiten. Das G., obwohl schon 1779 von Scheele entdeckt, war bis vor wenig Jahren nur den Männern der ¶
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Wissenschaft bekannt, jetzt aber bildet es einen Gegenstand massenhafter Fabrikation und des vielseitigsten Verbrauchs. Das G. kann aus allen Fetten und Ölen, welche sich zu Seife verkochen lassen, gewonnen werden, ohne jedoch schon darin fertig gebildet enthalten zu sein. Während man nämlich früher annahm, Kali, Natron etc. trete beim Seifekochen mit dem Fett direkt zu Seife zusammen, hat sich später gefunden, daß der Fettstoff sich bei diesem Prozeß in zwei Bestandteile spaltet, von denen nur der eine sich mit dem Alkali verseift, während der andre so verdrängte sich sogleich mit Wasser chemisch bindet und nun erst G. bildet, das sich in der Lauge auflöst.
Bei jedem Seifesud ist also die Unterlauge glycerin
haltig; der Stoff findet sich da freilich in noch sehr unreinem Zustande.
In der Stearinsäurefabrikation, wo die Herstellung einer unlöslichen Kalkseife das erste Stadium bildet (s.
Stearin) fällt eine Lauge ab, die weniger unrein ist als Seifensiederlauge, und hauptsächlich Kalk enthält.
Sowohl diese Laugen, als auch die Unterlaugen der Seifensiedereien werden auf G. verarbeitet. Man dampft dieselben so weit
ein, daß die darin enthaltenen Salze sich großenteils ausscheiden, und bringt das Produkt dann als Rohglycerin
in den Handel.
Die Glycerin
raffinerien kaufen dasselbe von den Stearinfabriken auf und reinigen es. Dieses Rohglycerin
kommt in großen Mengen aus Holland, Frankreich und Rußland. Das Rohglycerin
wird dann durch Behandlung mit Knochenkohle
und Filtration gereinigt, besser aber noch mit hochgespannten Dämpfen einer Destillation unterworfen. Am direktesten geht
die Wilson'sche Methode zu Werke, indem dabei gar keine Verseifung vorgenommen, sondern dieselbe Zerlegung, die dort
das Alkali bewirkt, durch überhitzten Wasserdampf erreicht wird.
Indem das zu zersetzende, in einer Destillierblase befindliche Fett der fortdauernden Einwirkung des nahe 300° heißen Dampfes unterliegt, sammeln sich in der Vorlage zwei Schichten, oben die Fettsäure und darunter in Wasser gelöstes G., das noch von unangenehm riechenden Zersetzungsprodukten zu befreien ist. Im Handel hat man das in verschiednen Reinheitsgraden, je nach dem Zwecke, zu dem es dienen soll, ebenso auch in verschiednen Konzentrationsgraden, die man nach dem Aräometer von Baumé bestimmt.
Ganz chemisch reines, stärkstes G. ist eine vollständig geruchlose, farblose, durchsichtige, süßschmeckende Flüssigkeit von Sirupkonsistenz und 30° Bmé.; es fühlt sich schlüpfrig an, löst sich in jedem Verhältnisse leicht in Wasser und in Alkohol, aber nicht in Äther und Chloroform. Aus der Luft zieht es mit Begierde (nach und nach bis zu 50%) Feuchtigkeit an und muß daher in gut verschlossenen Gefäßen aufbewahrt werden. Unter gewissen Umständen kann das wasserfreie G. auch zum Kristallisieren gebracht werden.
Beim Erhitzen an der Luft verflüchtigt sich ein Teil des G. unzersetzt, ein andrer Teil wird jedoch zersetzt und entwickelt sehr scharfe, die Augen zum Thränen reizende Dämpfe von Acrolein und Essigsäure. Im Vakuum dagegen, sowie auch mittels hochgespannter Wasserdämpfe läßt sich das G. unverändert überdestillieren. Bei gewöhnlicher Temperatur ist das G. nicht brennbar, dagegen lassen sich die aus heißem G. entwickelten Dämpfe entzünden und das G. brennt dann, wenn es genügend heiß ist, auch selbst mit.
Seiner chemischen Natur nach ist das G. ein dreiatomiger Alkohol, dessen Äther (Glyceryläther, Glyceryloxyd) mit
den Anhydriden der Fettsäuren die Öle und Fette bildet. Im Handel hat man für die einzelnen Sorten folgende Bezeichnungen:
Rohglycerin
, gelblich braun;
unangenehm riechend;
gelbliches G. (flavosum);
raffiniert weiß (album);
destilliert, absolut farblos und doppelt destilliert, chemisch rein.
Eine besondre Sorte ist dann noch das kalkfreie; es braucht nicht chemisch
rein zu sein, darf aber keinen Kalk enthalten, da es als Zusatz zu Toilettenseifen verwendet wird. Hinsichtlich der Konzentrationsgrade
führt man im Handel Glycerin
von 16-30° Bmé., am gangbarsten sind die Sorten von 24 und 28° Bmé., weniger gesucht sind
16-18° und 30° Bmé. - Reines G. darf nicht sauer reagieren, sondern muß ganz neutral sein. Die weniger
reinen Sorten enthalten zuweilen kleine Mengen Schwefelsäure oder Buttersäure. Die Gegenwart von Kalk erkennt man leicht,
wenn man das G. mit destilliertem Wasser verdünnt und etwas oxalsaures Ammoniak zusetzt, an der hierbei entstehenden weißen
Trübung. Reines kalkfreies G. bleibt klar. - Die Verwendung des G. ist eine sehr mannigfaltige; halbgereinigtes
G. von 16-18° Bmé. wird zum Füllen von Gasuhren benutzt, da ein solches auch in strenger Kälte nicht friert, sondern
nur das wasserfreie; es muß für diesen Zweck vollständig säurefrei sein, damit die Metallteile der Gasuhren nicht angegriffen
werden.
Ferner benutzt man die weniger reinen, aber hochgradigen Sorten zur Anfertigung der Buchdruckerwalzen, die aus G. und Leim bestehen; in der Gerberei dient das G. zum Geschmeidigmachen des Leders, auch in der Musselinweberei, Zeugdruckerei und in Appreturanstalten wird es verwendet. Sehr bedeutende Mengen von G. werden jetzt zur Fabrikation von Nitroglycerin und Dynamit verbraucht, wozu sich nur ein möglichst reines eignet. Dasselbe dient ferner als Zusatz zu Weinen, Bieren, Likören, zur Konservierung von Früchten, zu medizinischen Zwecken, namentlich äußerlich zum Einreihen aufgesprungener Hände, als Zusatz zu Toilettenseifen, zur Bereitung von künstlichem Senföl und von Ameisensäure mittels Oxalsäure. Dies sind wenigstens die wichtigsten Verwendungen dieses interessanten Stoffs. Versendet wird das in großen Fässern von Holz, neuerdings auch von Eisenblech, kleinere Mengen in Glasballons. - Zoll: G. sowie die zur Bereitung dienende Lauge, sind zollfrei.