Vorrichtung der Schwefelsäurefabrikation, die gleichzeitig zum
Verdampfen der
Kammersäure und zum Denitrifizieren
der
Gay-Lussac-Säure (s. d.) dient, besteht aus einem hohen quadratischen Behälter
von starkem Walzblei, dessen Wandungen
vor der Wirkung der Hitze und Säure durch Verkleidung mit Steinplatten geschützt
sind, und dessen Innenraum mit säurefesten Ziegeln gitterförmig ausgesetzt ist. An seinem obern Ende steht der Gloverturm mit
der Hauptkammer in
Verbindung, während unten die heißen, aus
Kiesen gewonnenen
Gase
[* 2] eintreten. Die Säure
wird durch eine
oben auf dem
Turm
[* 3] angebrachte Verteilungsvorrichtung über die Steingitter verteilt und strömt den heißen
Gasen entgegen, wobei das darin enthaltene Wasser verdampft und zugleich die
Nitrosulfosäure zersetzt. Der Zustrom der Säure
ist so zu regulieren, daß die Säure, die am Fuß des
Apparats abfließt, eine Konzentration von 62°
B. hat.
[* 4] H2SO4 findet sich im freien Zustand in einigen Gewässern Südamerikas, welche
auf vulkanischem Gebiet entspringen, z. B. im Rio
[* 5] Vinagre, der täglich 37,600 kg S. liefert, und in einigen
WassernLouisianas, von denen eins 5,29 g S. in 1 Lit. enthält. Sehr weit verbreitet findet sich S. an Basen gebunden in Form
von Schwefelsäuresalzen, besonders als schwefelsaurer Kalk, schwefelsaure Magnesia und schwefelsaures Alkali (vgl. Schwefel).
Die schweflige Säure wird in den Schwefelsäurefabriken durch Verbrennen von Schwefel nur noch erzeugt, wenn es sich um Gewinnung
arsenfreier S. handelt; meist erhält man sie durch Rösten von Schwefelkies (Pyrit), verarbeitet aber
auch kupfer- und silberhaltige Kiese und gewinnt aus denselben nach dem Abrösten Kupfer
[* 6] und Silber. Die beim Rösten von Kupferkies,
Zinkblende, Kupferrohstein, Bleistein etc. auftretende schweflige Säure, welche bei Hüttenprozessen früher als lästiges
Nebenprodukt entwich, wird gegenwärtig ebenfalls auf S. verarbeitet (metallurgische S.).
Zum Rösten der Kiese, welche, einmal bis zur Rösttemperatur erhitzt, in größern Partien fortbrennen,
benutzt man kleine, niedrige Schachtöfen (Kilns), welche stets in Gruppen angewandt und in der Art betrieben werden, daß
man eine regelmäßige Gasentwickelung erhält.
[* 4]
Fig. 1 und 2 zeigen einen Kiesröstofen in Vorderansicht,
Längs- und Querschnitt. a ist die Arbeitsthür mit der Schiebeklappe b zum Beobachten des Ofeninnern,
c c sind die Thüren für die Roste und d für den Aschenfall, e ist eine kleine Arbeitsthür, und f führt in den Zugkanal.
Die Pyrite, welche 35-50 Proz. Schwefel enthalten, werden so weit abgeröstet, daß die wesentlich aus Eisenoxyd bestehenden
Abbrände nur noch 3 Proz. Schwefel enthalten. Die Kiesschliche, welche beim Zerkleinern der Pyrite entstehen
und nicht in die Kilns gebracht werden dürfen, weil sie denZug
hemmen würden, formt man durch Anrühren mit Wasser und Trocknen
in Stücke, welche sich für die Verarbeitung in den Kilns eignen, oder man röstet sie in letztern auf
Platten über dem brennenden Stückkies oder läßt sie in einem turmartigen Apparat auf geneigten Platten herabrutschen den
Röstgasen entgegen, welche aus einem Kiln entweichen. Auch benutzt man den Gerstenhöferschen Röstofen, in welchem sie,
nachdem derselbe weißglühend gemacht worden, von horizontal liegenden prismatischen Thonstäben aufgehalten, allmählich
dem oxydierenden Luftstrom entgegen herabrieseln, so daß sie mit fortschreitender Röstung beständig
sauerstoffreicherer Luft begegnen.
Die aus den Röstöfen entweichenden Gase enthalten etwa 7-8 Volumprozent schweflige Säure und passieren bei Verarbeitung
von Schlichen zunächst Flugstaubkammern, um den aus den Öfen
[* 7] mechanisch fortgerissenen Staub ablagern zu lassen. Sie werden
dann in gußeisernen Röhren
[* 8] gekühlt, auch zur Heizung
[* 9] von Abdampfpfannen benutzt, gegenwärtig aber häufiger
sogleich in den Gloverturm geleitet. Auf die eine oder die andre Weise hinreichend abgekühlt, ge-
langen sie zur Oxydation der schwefligen Säure in die Bleikammern. Diese werden aus Bleiplatten von 2,6-3 mmStärke,
[* 11] die mit
Hilfe des Knallgasgebläses zusammengelötet sind, konstruiert und erhalten einen Rauminhalt von 800-2000 cbm. Sie sind von
Holzgerüsten umgeben und ruhen auf eisernen oder hölzernen Gerüsten, unter welchen die Röstöfen und
Abdampfpfannen aufgestellt werden. Die Gase, welche aufeinander einwirken sollen, durchströmen die Kammern von der einen Schmalseite
zur andern, und gewöhnlich sind 3-4 Kammern zu einem System vereinigt und durch weite Bleiröhren miteinander verbunden.
Die zur Oxydation der schwefligen Säure bestimmte Salpetersäure wird aus Chilisalpeter und S. in einer besondern Abteilung
der Kilns entwickelt. In
[* 10]
Fig. 1 ist h ein Halbcylinder, der in dem Raum g auf der Platte i steht und durch den Trichter k gespeist
wird, so daß sich die Salpetersäuredämpfe mit den Röstgasen mischen. Man stellt aber auch in der Bleikammer flache irdene
Schalen mit breitem Überlaufschnabel treppenartig zu einem Kaskadenapparat zusammen und läßt Salpetersäure
langsam durch alle Schalen strömen, so daß sie der schwefligen Säure eine große Oberfläche darbietet.
Die Gase steigen in feiner Verteilung in der Kokssäule auf, während gleichzeitig möglichst kalte konzentrierte S. von
etwa 62° B. über die Koks herabrieselt und die Salpetergase absorbiert. Die von letztern befreiten Gase ziehen durch die Rohre
D
und C ab und passieren dabei den Ventilkasten E, welcher bei direkter Abführung der Gase die Verbindung
des Rohrs C mit dem Turm unterbricht. Die Lösung der Salpetergase in der S. (Nitrose) fließt in das Reservoir R. Die konzentrierte
Säure zur Speisung des Turms passiert aus dem Behälter J eine Vorrichtung, durch welche sie gleichmäßig
über die Koks verteilt wird.
Die Nitrose, welche beim Verdünnen mit Wasser lebhaft rote Salpetergase entwickelt, läßt man entweder mit warmem Wasser zusammenfließen
und den Kaskadenapparat passieren, oder man läßt sie in stehenden Cylindern (Kochtrommeln) über Quarzstücke herabrinnen,
während am Boden der Cylinder Wasserdampf einströmt und die Salpetergase entbindet, die dann in die Bleikammern
geleitet werden; vorteilhafter aber benutzt man den dem Gay-LussacschenTurm ähnlich konstruierten Gloverturm, welcher mit
der Nitrose und Kammersäure (der in den Bleikammern sich sammelnden, noch nicht weiter konzentrierten S.) gespeist wird, während
die heißen Gase aus den Kilns unten eintreten und der Säure entgegenströmen. Hierbei findet vollständige
Austreibung der Salpetergase (Denitrierung) statt, und die gesamte Säure wird ohne weitere Kosten auf eine Konzentration von
62° B. gebracht, während die Gase zweckmäßig abgekühlt aus dem Turm direkt in die Bleikammern gelangen.
Die Kammersäure, welche 50, höchstens 55° B. stark ist, kann für manche Zwecke direkt benutzt werden,
der Gloverturm liefert sogar S. von 60-62° B.; wo aber ein solcher Turm nicht vorhanden ist und stärkere Säure dargestellt
werden soll, verdampft man die Kammersäure in Bleipfannen bis 60 oder 62° B. (Pfannensäure). Bei weitem der größte Teil
der S. wird in dieser Konzentration (zur Soda- und Superphosphatfabrikation) verbraucht. Für den Handel
aber stellt man konzentrierte S. (66, oft nur 65° B.) dar und zwar durch Verdampfen in Glas- oder Platingefäßen, da Blei
[* 14] zu stark angegriffen werden würde.
Einen Platinapparat zeigt
[* 10]
Fig. 4. Der Kessel a besteht aus Platinplatten, welche mit dem Knallgasgebläse zusammengelötet
sind, und ruht auf dem eisernen Ring c. Die Kammersäure läuft aus dem Hahn
[* 15] b durch ein Rohr auf den erhitzten
dicken Boden des Kessels, wo sie rasch konzentriert wird, während der Wasserdampf durch das Rohr l entweicht. Sowie die Säure
das Niveau des Trichters d erreicht hat, fängt sie an abzufließen und gelangt durch e in das Platingefäß
f, um welches ein Strom kalten Wassers in g fließt. Wenn das Gefäß
[* 16] gefüllt ist, läuft die Säure durch ein Heberrohr in
das ebenfalls durch Wasser gekühlte Steingutgefäß h und von da durch das Heberrohr i welches aus Blei oder Steingut besteht,
in den Be-
hälter k, aus welchem sie in die Ballons abgelassen wird. Der Prozeß geht ununterbrochen fort, wenn die Kammersäure in richtigem
Verhältnis zufließt. Sehr häufig benutzt man statt des Platinapparats auch Glasretorten, welche etwa 135 Lit. fassen, aus
einem flaschenförmigen Gefäß und Helm bestehen und einzeln in Kapellen mit Sandbad mit eigner Feuerung
aufgestellt sind. Man füllt die Retorten, von denen etwa 20-50 in einem durchaus zugfreien Haus im Betrieb sind, mit warmer,
60gradiger Säure, feuert etwa 12 Stunden, läßt dann 12 Stunden abkühlen und zieht die konzentrierte Säure mit einem Heber
[* 18] ab. Unter Anwendung terrassenförmig aufgestellter und durch Heber miteinander verbundener Retorten kann
man auch kontinuierlichen Betrieb erzielen, indem die S. aus einer Retorte in die andre und zwar aus der von der gemeinsamen
Feuerung entferntesten allmählich in die am stärksten geheizte Retorte gelangt.
Reine S. erhält man durch Aufkochen der etwas verdünnten Säure des Handels mit schwefelsaurem Ammoniak (zur Entfernung der
Oxyde des Stickstoffs) und Zugeben von chromsaurem Kali (zur Oxydation der arsenigen Säure). Man gießt von
ausgeschiedenem Bleisulfat ab, destilliert aus dem Sandbad, wobei nur die Seiten der Retorte erhitzt werden dürfen, und vermeidet
das Stoßen durch Einlegen von Platindraht oder Platinblechschnitzeln. Wenn 0,16 Volumen übergegangen ist, wechselt man die
Vorlage und destilliert, bis von 10 Teilen roher S. 6 Teile in der Vorlage sich befinden.
Reine S. ist farb- und geruchlos, fließt wie Öl, raucht nicht an der Luft, zischt nicht beim Eingießen in Wasser und wirkt
höchst ätzend. Sie besitzt das spez. Gew. 1,840, enthält noch 1,5
Proz. Wasser und siedet bei 338°, in der Kälte kristallisiert aber wasserfreie S. heraus, welche bei
10,5° schmilzt und das spez. Gew. 1,857 besitzt; sie
beginnt bei 290° zu sieden, gibt Schwefelsäureanhydrid ab und hinterläßt unter
Steigerung der Temperatur eine Säure von
oben angegebener Beschaffenheit. S. zieht aus der Luft begierig Wasser an und entwickelt beim Verdünnen mit
Wasser viel Wärme.
[* 19] Man muß stets, wenn man S. mit Wasser mischen will, die Säure vorsichtig und unter Umrühren in das Wasser
gießen, niemals umgekehrt, weil sonst durch plötzliche Dampfbildung die Säure umhergeschleudert werden würde. Den Gehalt
verdünnter S. von verschiedenem spezifischen Gewicht zeigt nebenstehende Tabelle (S. 731).