Titel
Glogau.
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1) Kreis im preuß. Reg.-Bez. Liegnitz, hat 935,55 qkm, (1890) 74518 (36378 männl., 38140 weibl.) E., 2 Städte, 150 Landgemeinden und 113 Gutsbezirke. –
Textfigur:
2) Glogau, auch Großglogau, zum Unterschied von Oberglogau (s. d.), Kreisstadt im Kreis Glogau und Festung zweiten Ranges (s. Deutsches Festungssystem), links an der Oder und an den Linien Breslau-Stettin und Lissa-Hansdorf der Preuß. Staatsbahnen, ist Sitz des Landratsamtes, eines Landgerichts (Oberlandesgericht Breslau) mit 15 Amtsgerichten (Beuthen a.O., Carolath, Freistadt, Glogau, Grünberg, Guhrau, Halbau, Herrnstadt, Kontopp, Neusalz a.O., Polkwitz, Priebus, Sagan, Sprottau, Steinau a.O.), eines Amtsgerichts, Hauptsteueramtes, Eisenbahnbetriebsamtes (423,14 km Bahnlinien) der Eisenbahndirektion Breslau, einer Reichsbankstelle (Umsatz 1892: 377,926 Mill. M.), Wasserbauinspektion, Fortifikation, eines Artilleriedepots, Proviantamtes, der Kommandos der 9. Division, der 17. und 18. Infanterie- und der 9. Kavalleriebrigade und hat (1890) 20529 (11165 männl., 9364 weibl.) E., darunter 5989 Katholiken und 863 Israeliten, in Garnison (3171 Mann) das 58. Infanterieregiment, die 1. Abteilung des 5. Feldartillerieregiments von Podbielski, das 1. Bataillon des 6. Fußartillerieregiments von Dieskau und das 5. Pionierbataillon; Postamt erster Klasse mit Zweigstelle, Telegraph, Fernsprecheinrichtung, städtische Feuerwehr, Wasserleitung (seit 1442), Kanalisation, Gasanstalt der Schlesischen Gasaktiengesellschaft.
Die Stadt ist im O., S. und W. mit Festungswerken umgeben, die 1881 nach Osten zu erweitert wurden und eine Ausdehnung der Stadt zur Folge hatten. Über die Oder im Norden führt eine große hölzerne Brücke nach der befestigten Dominsel. Die Stadt hat je drei evang. und kath. Kirchen, unter letztern der Dom auf einer Oderinsel, ferner zwei Synagogen, ein königl. Schloß, jetzt Sitz der Behörden, mit dem Hungerturm zur Erinnerung an den Hungertod der von Herzog Johann II. eingesperrten Magistratspersonen, ein Rathaus mit Turm (80 m), neues Postgebäude, Garnisonlazarett; an Unterrichtsanstalten ein königlich evang. Gymnasium, 1708 als Seminarium gestiftet, seit 1812 Gymnasium (Direktor Dr. Langen, 16 Lehrer, 8 Klassen, 172 Schüler), königlich kath. Gymnasium, 1626 von den Jesuiten gegründet (Direktor Jungels, 15 Lehrer, 7 Klassen, 190 Schüler), eine Kriegsschule, simultane höhere Mädchenschule, Knaben- und Mädchenmittel-, Handwerkerfortbildungsschule; ferner zwei Freimaurerlogen, Stadttheater, städtische Krankenanstalt mit Siechenhaus und Bürgerspital, Diakonissenanstalt, Kloster und Krankenhaus der Grauen Schwestern zur heil. Elisabeth, Domhospital, Armen-, Waisenhaus, israel.
Heiliges Stift. – Die Industrie (25 Fabriken mit etwa 1000 Arbeitern) erstreckt sich auf Fabrikation von Zucker (die Raffinerie Glogau ist eine Zweiganstalt der Zuckerfabrik Fraustadt), Stärke, Sirup und Dextrin, Thonwaren, Maschinen und Turmuhren, Eisengießerei, Dampfstellmacherei, große Eisenbahnwerkstätten. Bedeutend ist das geogr. Institut von Carl Flemming (s. d.) sowie der Weinhandel. Neben der Reichsbankstelle bestehen Kommanditen des Schlesischen Bankvereins und der Breslauer Wechslerbank, ein Vorschußverein, eine Kreis- und eine städtische Sparkasse. Glogau ist der Geburtsort des Dichters Gryphius und des Fürstbischofs Heinr. Förster. – Ehedem war Glogau Hauptstadt des Fürstentums Glogau, welches der dritte Sohn des niederschles.
Herzogs Heinrich II. oder des Frommen, Konrad II., in dem Teilungsvertrag von 1252 erhielt. Es begriff damals den ganzen nördl. Teil von Niederschlesien oder Glogau, Sagan und Crossen in sich. Durch Herzog Konrad, der viele deutsche Kolonisten ins Land zog, wurde die Stadt ansehnlich erweitert und erhielt Deutsches Recht. Sein Sohn Herzog Heinrich III. erweiterte sein Besitztum durch Erwerbung des größten Teils des Fürstentums Breslau; doch zerfiel es unter dessen Söhnen 1309 wieder in vier Teile.
Die damals von Przemislaw gestiftete Sonderlinie Glogau starb mit demselben 1331 wieder aus, worauf die beiden andern glogauischen Sonderlinien, die von Sagan und von Steinau, das Land, jedoch jetzt unter böhm. Hoheit, geteilt in Besitz nahmen. Das nunmehr unter Herzog Heinrich IV. neugebildete Herzogtum Glogau wurde bald wieder in mehrere Teile zersplittert, deren Fürsten 1476 ausstarben, worauf nach langen Streitigkeiten 1481 der Herzog Johann von Sagan mit Glogau, jedoch mit Ausnahme von Schwiebus, Züllichau und Crossen, die an den Kurfürsten Albrecht Achilles von Brandenburg kamen, belehnt wurde. Mit seinem gewaltthätigen Sohne Johann II., der 1489 seiner Länder verlustig wurde, starb der piastische Stamm der Herzöge von Glogau völlig aus, und seit 1506 hörte Glogau auf, ein eigenes Herzogtum
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84 in dem böhm. Schlesien zu bilden. In der letzten Periode der piastischen Fürsten, 1329–1481, war die Stadt Glogau geteilt und gehörte halb den Herzögen von Teschen, halb den Besitzern des Fürstentums. Im Dreißigjährigen Kriege wurde Glogau mehrmals von den Schweden und wieder von den Kaiserlichen erobert. Friedrich II. nahm sie in der Nacht vom 9. zum durch Sturm ein und ließ sie stärker befestigen. Nach der Schlacht von Jena 1800 wurde Glogau nach geringem Widerstande 3. Dez. an Vandamme übergeben. Am fiel es an Preußen zurück. –
Vgl. Berndt, Geschichte der Stadt Großglogau während der ersten Hälfte des 17. Jahrh. (Glog. 1879);
ders., Geschichte der Stadt Großglogau vom Ende des Dreißigjährigen Krieges bis zum Ausmarsch der Franzosen 1814 (ebd. 1882);
Minsberg, Geschichte der Stadt und Festung Großglogau vom ersten Zeitraum bis 1850 (2 Bde., ebd 1853);
von Below, Zur Geschichte des J. 1806. G.s Belagerung und Verteidigung (Berl. 1893).