Gleim
,
Johann Wilhelm Ludwig, namhafter deutscher Dichter, geb. zu Ermsleben im Halberstädtischen, studierte zu Halle [* 2] Jurisprudenz. Im freundschaftlichen Verkehr mit den Dichtern Uz und Götz bildete er hier sein poetisches Talent weiter aus, und durch das gemeinschaftliche Studium des Anakreon sowie englischer Vorbilder entstand der »Versuch in scherzhaften Liedern« (Bd. 1 u. 2, Berl. 1744-45; Bd. 3, 1753), der mit allgemeinem Beifall aufgenommen wurde.
Nach vollendeten
Studien wurde Gleim
Hauslehrer in
Potsdam
[* 3] und dadurch dem
Prinzen
Wilhelm von
Brandenburg-Schwedt
bekannt, der ihn als
Sekretär
[* 4] in seine
Dienste
[* 5] nahm. Im J. 1744 begleitete Gleim
den
Prinzen in den zweiten
Schlesischen
Krieg,
verlor aber diesen seinen
Gönner bei der Belagerung von
Prag.
[* 6] Im folgenden Jahr wurde er
Sekretär des Alten
Dessauers, doch
verleidete ihm des
Fürsten rücksichtslose Strenge bald das
Amt. Er lebte hierauf einige Jahre in
Berlin,
[* 7] bis er 1747 als Domsekretär nach
Halberstadt
[* 8] berufen wurde; später ward er noch
Kanonikus des
Stifts Walbeck.
Von
Halberstadt aus knüpfte er mit allen Männern, die irgend von litterarischer Bedeutung waren,
Verbindungen an, und enthusiastisch
und uneigennützig, wie er war, schwang er sich zu einer Art
Protektor der deutschen Dichterjugend und zu einem populären
Mäcen
(»Vater Gleim«
) empor. Die
Briefe an seine
Freunde waren mit fast weiblicher Zärtlichkeit geschrieben; er ließ die Bildnisse
aller auf seine
Kosten malen und stellte sie in einem besondern
Zimmer auf, das er seinen
»Musen- und Freundschaftstempel«
nannte.
Jeden Keim des Guten oder dessen, was er dafür hielt, pflegte er mit Eifer und wirkte so unendlich anregend und fördernd für das junge Geschlecht. Er setzte seinen Ehrgeiz darein, als ein litterarischer Werber junge Kräfte für die Dichtkunst zu gewinnen, unterstützte zahlreiche arme junge Dichter aus seinen doch immer beschränkten Mitteln, war unermüdlich, ihnen Protektionen, Ämter, Gehalte, Geschenke, einträgliche Arbeiten zu verschaffen, suchte bald Halberstadt durch Heranziehung hervorragender Schriftsteller zu einem deutschen Athen [* 9] zu erheben und hielt bald das Berlin Friedrichs d. Gr. (dem er mit abgöttischer Verehrung anhing) für ein solches.
Sanguinisch, weichherzig, immer zum
Besten redend, erstrebte Gleim
das
Beste der deutschen Litteratur. Was derselben eigentlich
fehlte, begriff er
nicht;
Lessings energische Männlichkeit und kritische Strenge erschreckten ihn in seiner
Jugend so sehr
wie im
Alter die
Schiller-Goetheschen
Xenien. Seine unermüdliche Produktivität war durchaus eklektischer
Natur und vielfach
seicht. Den größten Aufschwung nahm er im Beginn des Siebenjährigen
Kriegs, wo er mit den »Liedern
eines preußischen Grenadiers« der
Begeisterung für
Friedrich II. schlagenden
Ausdruck gab und der
Vorläufer der deutschen
politischen
Lyrik ward.
Weiterhin dichtete Gleim
im buntesten
Wechsel und Wirrwarr Schäfergedichte im alten steifen
Ton der
Franzosen und gleichzeitig
Romanzen im Bankelsängerstil,
Fabeln,
Sinngedichte, horazische und anakreontische
Oden, sogen.
Volkslieder, erzählende Gedichte.
Seinen schon in der Kindheit gehegten
Gedanken, ein
Buch wie die
Bibel
[* 10] zu schreiben, suchte er noch im späten
Alter auszuführen
in seinem »Halladat, oder das rote
Buch« (Halberst. 1774, 4. Aufl. 1812). Der Anakreontiker
und
Grenadier bewegt sich hier in erhabenen
Sphären, redet von Gott oder erzählt orientalische
Parabeln,
im
Klang fremdartiger
Namen schwelgend.
Obwohl seine
Freunde das Werk priesen, blieb es doch unbeachtet, wie seine
»Goldenen
Sprüche des
Pythagoras« (Halberst. 1785),
von denen er selbst meinte, sie seien ihm unter den
Händen zu silbernen geworden. Wiewohl seit 1801 erblindet,
bewahrte er sich doch die stille Heiterkeit des
Geistes bis an seinen
Tod, der am erfolgte.
Seiner
Anordnung gemäß
wurde er in seinem
Garten
[* 11] bei
Halberstadt begraben.
Klopstocks
Ode, die seinen
Namen trägt, hat ihn seiner Persönlichkeit nach
treu gezeichnet. Gleim
war nie verheiratet, sein
Herz hatte
nur für die
Freundschaft
Raum.
Seine
Nichte, die unter dem
Namen Gleminde gefeierte
Sophie
Dorothea Gleim
, besorgte sein einfaches Hauswesen. Unter den zahlreichen
im
Druck erschienenen
Produkten heben wir außer den genannten noch hervor: »Fabeln« (Berl. 1756-57);
»Romanzen« (Berl. u. Leipz. 1756);
»Lieder, Fabeln und Romanzen« (Berl. 1758);
»Preußische Kriegslieder eines Grenadiers« (das. 1758; Neudruck, Heilbr. 1882);
»Sieben kleine Gedichte nach Anakreons Manier« (Berl. 1764);
»Oden nach dem Horaz« (das. 1769);
»Sinngedichte« (das. 1769);
»Alexis und Elise, in drei Gesängen« (das. 1771);
»Lieder für das Volk« (Halberst. 1772);
»Gedichte nach den Minnesingern« (Berl. 1773);
»Gedichte nach Walther von der Vogelweide« (das. 1779).
Gleims
»Sämtliche
Werke«
(Halberstadt 1811-13, 7 Bde.),
zu welchen die »Zeitgedichte von 1789-1803« als Ergänzungsband (Leipz.
1841) kamen, sowie seine
»Fabeln und
Erzählungen, goldene
Sprüche und
Lieder für
Kinder« (Halberst. 1810) gab
Körte heraus,
der auch »Gleims
Leben« (das. 1811) schrieb u.
»Briefe zwischen Gleim
, Wilh.
Heinse und
Johannes v.
Müller«
(Zür. 1806) herausgab. Aus Gleims
handschriftlichem
Nachlaß schöpfte
Pröhle für das
Buch
»Lessing,
Wieland,
Heinse« (Berl.
1876).