Glaukom
(Glaucoma, grüner
Star), eine der gefährlichsten Erkrankungen des
Auges, die früher fast immer und unaufhaltsam
zu völliger Erblindung führte, und über deren
Natur man
vor der Einführung des
Augenspiegels gänzlich
im unklaren war.
Grüner
Star wurde sie genannt von der meer- oder glasgrünen
Farbe, in welcher der Augenhintergrund durch
die starre, vergrößerte
Pupille sich dem Beobachter darstellte (s. Tafel
»Augenkrankheiten«,
[* 2] Fig. 14). Über die
Natur der
Krankheit bestanden die verschiedensten
Ansichten, bis A. v.
Gräfe nachwies, daß das wesentlichste Merkmal
der glaukom
atösen
Krankheiten in einer abnormen
Steigerung des intraokularen
Druckes bestehe, welche in vielen
Fällen mit
Entzündung
der
Aderhaut verbunden ist.
Die Drucksteigerung wird dadurch so verhängnisvoll, daß sie einen Schwund des Sehnervs und der lichtempfindenden Netzhaut nach sich zieht. In Bezug auf das Sehvermögen machen sich diese Veränderungen dadurch bemerklich, daß eine Beschränkung des Gesichtsfeldes eintritt, welche meist im innern obern Quadranten beginnt. Die innere Hälfte des Gesichtsfeldes wird dabei vorzugsweise betroffen. Nach und nach wird das Gesichtsfeld auf einen schmalen, horizontal oder schief gerichteten Streifen beschränkt, dessen innere Grenze sich dem Fixierpunkt nähert. Die zentrale Sehschärfe (des gelben Fleckes) erfährt ¶
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manchmal längere Zeit hindurch keine erhebliche Beeinträchtigung. In der Regel aber schiebt sich der Ausfall im Gesichtsfeld
allmählich von der innern Hälfte des letztern bis an den Fixierpunkt heran, und damit sind dann selbstverständlich hochgradige
Sehstörungen gegeben. Das einfache Glaukom
kann auf diese Weise zu vollständiger Erblindung führen, ohne daß
entzündliche Erscheinungen oder andre Beschwerden als eben der allmähliche Verlust des Sehvermögens auftreten.
Das Auge
[* 4] wird steinhart, die Eintrittsstelle des Sehnervs erblickt man mit dem Augenspiegel
[* 5] tief ausgehöhlt; aber äußerlich
sichtbare Veränderungen, welche beim entzündlichen Glaukom
so auffällig sind, fehlen oft vollständig. Am häufigsten
ist noch eine verminderte Beweglichkeit der Pupille und Verminderung der Akkommodationsbreite zu bemerken.
Letztere veranlaßt eine rasche Zunahme der Fernsichtigkeit, so daß in kurzen Zeiträumen immer stärkere Brillen zum Lesen
notwendig werden. Die Krankheit verläuft sehr langsam, ihr Verlauf erstreckt sich über mehrere Jahre. Nur ausnahmsweise
kommt es schon nach Ablauf
[* 6] einiger Monate zur Erblindung. In der Regel werden beide Augen kurz nach einander
ergriffen.
Das entzündliche Glaukom
kommt viel häufiger vor als das einfache. Man darf es als wahrscheinlich ansehen, daß
eine rasche Steigerung des intraokularen Druckes zur Entzündungsursache werden kann. Die Symptome sind die gleichen, allein
beim entzündlichen Glaukom
kommen noch hinzu eine starke venöse Hyperämie des Augapfels und heftige Schmerzen
(Ciliarneuralgie), welche nicht nur das Auge, sondern hauptsächlich die Gegend des obern Augenhöhlenrands, manchmal die
ganze Kopfhälfte, einnehmen.
Häufig sind diese Schmerzen dasjenige Symptom, über welches sich die Kranken am lebhaftesten beklagen. Gleichzeitig tritt manchmal heftiges Erbrechen auf. Am Auge selbst machen sich zuweilen Lähmungen der sensibeln Nerven [* 7] bemerkbar, so daß man z. B. die Hornhaut berühren kann, ohne daß der Kranke im geringsten dagegen reagiert. Die Pupille erscheint starr und erweitert; die Akkommodationsbreite ist beschränkt, die vordere Augenkammer verengert, weil das Linsensystem und die Regenbogenhaut nach vorn gedrängt werden.
Gleichzeitig entwickeln sich Trübungen der brechenden Medien, namentlich erscheint die Hornhaut trübe
und uneben; auch der Glaskörper zeigt eine feine diffuse Trübung, welche auffallend wandelbar ist, in kurzen Zeiträumen
zu- und abnimmt. Bei dem entzündlichen Glaukom
kommen in der Regel subjektive Sehstörungen vor. Die Kranken sehen eine Lichtflamme,
von regenbogenfarbigen Ringen umgeben, und haben auch sonst allerhand andre lebhafte Licht- und Farbenerscheinungen.
In der Mehrzahl der Fälle tritt die glaukom
atöse Entzündung in einzelnen Anfällen und zwar anfangs in sehr milder Weise auf.
Diesen Zustand bezeichnet v. Gräfe als das Vorläuferstadium des Glaukoms.
Im weitern Verlauf werden die Entzündungsanfälle
immer häufiger; manchmal treten sie mit deutlich intermittierendem Typus auf, wie die Anfälle beim Wechselfieber.
Die Entzündungserscheinungen nehmen einen heftigern Charakter an, ziehen sich in die Länge, und so bildet sich ein chronisch-entzündlicher
Zustand mit zeitweiligen Verschlimmerungen aus, welcher endlich unter Zunahme der Aushöhlung (d. h.
Schwund) des Sehnerveneintritts, unter Verfall der zentralen Sehschärfe und Verkleinerung des Gesichtsfelds
zur Erblindung führt.
Heftige glaukom
atöse Entzündung kann diesen Ausgang schon in wenigen Wochen herbeiführen (Glaucoma
acutum); ja, selbst im
Verlauf einiger Tage, sogar Stunden kann völlige Erblindung eintreten (Glaukom
fulminans). Auch nach völliger Vernichtung des
Sehvermögens kann der glaukom
atöse Prozeß noch fortschreiten und zur Zerstörung und Verschrumpfung des Augapfels
führen. Damit hören dann meist auch die lästigen Zufälle auf, und man hat es dann mit einfacher Blindheit zu thun. - Über
die Ursachen des Glaukoms
ist wenig bekannt.
Vor dem 30. Lebensjahr kommt es nur ganz ausnahmsweise vor; von dieser Zeit an wird die Krankheit mit zunehmendem Alter häufiger.
Das weibliche Geschlecht ist dazu mehr disponiert als das männliche. Auch die Erblichkeit spielt beim Glaukom
eine Rolle und kommt
hauptsächlich bei den entzündlichen Formen in Betracht. Von entschiedenem Einfluß auf die Entstehung des Glaukoms
sind
der Refraktionszustand und der Bau des Auges. Kurzsichtige Augen werden selten vom Glaukom
befallen.
In der Mehrzahl der Fälle ist Übersichtigkeit (Hypermetropie) vorhanden; allein es ist fraglich, ob dieselbe als Ursache oder
als Folge der Krankheit aufzufassen ist. Der Ausbruch glaukom
atöser Entzündungen wird begünstigt durch Gemütsbewegungen und
durch Schlaflosigkeit. Das Glaukom
kann auch im Anschluß an andre Augenkrankheiten (Netzhautblutungen, Hornhautnarben, Luxation
der Linse
[* 8] etc.) auftreten und wird dann als sekundäres Glaukom
bezeichnet.
Um die Behandlung des Glaukoms hat sich v. Gräfe unsterbliche Verdienste erworben, indem er die Iridektomie (s. Tafel »Augenkrankheiten«,
Fig. 15) in Anwendung brachte.
Die genannte Operation, durch welche der Druck innerhalb des Auges eine dauernde Herabsetzung erfährt, besteht in der Ausschneidung eines Stücks der Regenbogenhaut, und ihre Erfolge sind im allgemeinen als glänzende zu bezeichnen, namentlich wenn der Schwund der Netzhaut noch keine dauernden Sehstörungen herbeigeführt hat. Wenn auch einzelne Fälle unglücklich ablaufen, so wird doch durch die Iridektomie die Anzahl derer, welche früher durch das Glaukom unfehlbar der Blindheit verfielen, auf einen sehr kleinen Prozentsatz reduziert.
Vgl. Schweigger, Über Glaukom (Leipz. 1877);