Glaswolle
,
s. Glasspinnerei.
Glaswolle
162 Wörter, 1'124 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Glaswolle,
s. Glasspinnerei.
Glaswolle;
unter diesem Namen hat man jetzt ein außerordentlich lockeres und leichtes, im Äußeren der gereinigten Baumwolle ähnliches Material, das aus äußerst feinen Glasfäden besteht und zum Filtrieren von starken Säuren, Laugen, Silberbädern etc. benutzt wird. Man hat die in verschiednen Feinheitsnummern von Nr. 0 bis Nr. 3 im Preise von 150-160 Mk. pro kg. Die Gewinnung der G. besteht darin, daß man von einem fortwährend im Glühen erhaltenen Glasstabe das dünn ausgezogene Ende desselben auf die Peripherie eines sich schnell umdrehenden großen Rades wirft; das rotierende Rad zieht dann den Glasfaden von den glühenden Glasstück immer nach sich. Beim Abnehmen der Fäden von dem Rade rollen diese sich lockenartig zusammen. - Zoll: gem. Tarif im Anh. Nr. 10 e, bezw. für farbige G. Nr. 10 f.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Glaswolle,
mittels eines heißen Eisens gekräuselte und verfilzte Glaseide (s. Glasspinnerei), die als plüschartiger Ausputz, als Filtriermaterial sowie ihrer eigentümlichen Wärme [* 3] erzeugenden Wirkung wegen als Gicht- und Rheumatismuswatte (Glaswatte) Verwendung findet.
die Kunst, Glas [* 5] in sehr feine Fäden zu verwandeln, welche nach Art der gewöhnlichen Gespinstfasern [* 6] benutzt werden können. Glasfaden wurden schon in ägyptischen Glashütten, später auch in Venedig [* 7] erzeugt; an letzterm Ort erfand man das Verfahren, das Ende des auszuziehenden Glasrohrs an dem Umfang eines schnell rotierenden Rades zu befestigen, und bald darauf zog man Glasstäbe vor der Lampe [* 8] zu dünnen Fäden aus und verarbeitete diese in der Hitze zu den sogen. gewickelten Perlen.
Dünnere Fäden wurden zu Reiherbüschen und allerlei Flechtarbeiten verwendet. Die venezianischen Glasspinner fanden in Paris, [* 9] Brüssel, [* 10] Wien [* 11] etc. vielfache Nachahmung, und namentlich die böhmischen Glaskunstbläser fertigten aus Glasfäden allerlei Nippsachen. In Paris, Lyon [* 12] und Mailand [* 13] versuchte man nach 1830 Glasfäden in fertige Seidenstoffe einzuführen und fertigte glasdurchstickte Wandtapeten, Ornate etc. Nach 1850 gewann Brunfaut aus einem Glas von besonderer Zusammensetzung (68,93 Kieselsäure, 1,96 Thonerde und Eisenoxyd, 9,82 Kalk, 0,49 Magnesia, 14,13 Natron, 3,92 Kali) Fäden von 0,010-0,006 mm Durchmesser, die sich, ohne zu brechen, flechten, weben, filzen, sogar strangweise knoten lassen und so weich sind, daß hierbei etwa abbrechende Teilchen in die Haut [* 14] nicht mehr eindringen.
Zur Gewinnung derselben zieht man von dem vor der Glasbläserlampe erweichten Ende eines Glasstäbchens von ca. 4 qmm einen Faden [* 15] ab und befestigt das freie Ende desselben auf einer schmalen Trommel von ca. 1 m Durchmesser, welche in einer Minute 6-700 Umdrehungen macht. Der auf der Trommel gesammelte Strang wird an einer Stelle aufgeschnitten (nicht abgehaspelt), und man erhält also Fäden von etwa 3 m Länge. Diese Glasseide ist von außerordentlicher Schönheit, sehr glänzend und kann zu allerlei Flechtwerk und Weberarbeit (Krawatten, Manschetten, Fransen, Damenhüte, Garnituren, Uhrketten etc.) benutzt werden.
Ein Glas von besonderer Zusammensetzung liefert Glasseide, welche sich nach dem Aufschneiden auf der Trommel zu einer Spirale von 1/5 der Länge des Fadens kraust. Diese Glaswolle ist schneeig weiß, von blendendem Schimmer und sehr geringem Wärmeleitungsvermögen; sie erzeugt auf der Haut sofort ein Gefühl von Wärme und ist deshalb als Gicht- und Rheumatismuswatte mit Erfolg gebraucht worden; man benutzt sie ferner zu Muffen, Kappen, Hüten, als Plüschbesatz, zu Straußfedern, Pleureusen und besonders ¶
als treffliches Filtriermaterial, welches von Chemikalien nicht angegriffen wird und leicht wieder zu reinigen ist. Die Glasspinnerei, welche bis jetzt nur über sehr wenige Farben verfügt, dürfte eine große Zukunft haben, sobald es gelingt, das Glasgespinst von der Trommel abzuhaspeln.
Vgl. Tscheuschner, Handbuch der Glasfabrikation [* 17] (Weim. 1884);
Herrmann, Miniaturbilder aus dem Gebiet der Wirtschaft (Halle [* 18] 1872).