Glasgow
[* 2] (spr. -goh), die größte und wirtschaftlich die bedeutendste Stadt
Schottlands, liegt in der
Grafschaft
Lanark,
mit einem kleinen
Teile in Renfrew, am Clyde, 32,5 km oberhalb seiner Mündung, unter 55° 51’ 32’’
nördl.
Br. und 4° 17’ 54’’ westl. L. Glasgow
ist Parlamentsborough (7
Abgeordnete und 1892: 94963
Wähler), Municipalstadt,
Sitz eines Erzbischofs und eines evang.
Bischofs.
Die Bevölkerung betrug (1891) 564968 (276911 männl., 288057 weibl.) E.,
d. i. eine Zunahme von 15,56
Proz. gegen 1881, und für den Parlamentsbezirk 658198 E. Die Zahl der Familien betrug 126422
in 117537 bewohnten Häusern und 28127
Läden. Um die eigentliche Stadt herum liegen zahlreiche
Vororte, die wirtschaftlich
mit ein großes Ganze bilden. Die wichtigsten sind: Partick im NW. (36538
E.), Maryhill im N. mit 18313 E.,
Bishop
Bridge, Springburn, Shettleston (5130 E.), etwas weiter entfernt
Coatbridge (s. d., 29990 E.)
und Hamilton (s. d., 24859 E.),
Bothwell Cambuslang, Kinning
Park (13679 E.), Rutherglen (13083 E.),
Pollokshaws (10405 E.),
Pollokshields (3028 E.), East Pollokshields (6681E.), Shawland,
Barrhead (8215 E.) und unterhalb am Clyde
Govan (s. d., 63625 E.), Govanhill (14339 E.), weiter entfernt
Paisley (s. d., 66425 E.) und Renfrew (s. d.);
auch Dumbarton,
Port Glasgow
und Greenock an der Mündung stehen mit in kommerzieller
Verbindung. (Vgl. umstehenden
Plan.)
Anlage und Bauten. Der Hauptteil der Stadt liegt auf dem rechten Ufer. Die alten innern Viertel im
Centrum und O. haben seit 1878 nach Niederreißung von etwa 10000 Häusern und Hütten
[* 3] regelmäßigen Straßenzügen Platz
gemacht. Seitdem ist auch Glasgow
gesünder geworden. 1866 betrug die Sterblichkeit 29,6, 1883 und 1892: 23 auf 1000 E.
Der Einrichtung eines Gesundheitsrats verdankt Glasgow
auch den
Bau eines
Systems von Abzugskanälen sowie die
Wasserleitung,
[* 4] die ihr Wasser aus dem 67,2 km entfernten Loch
Katrine bezieht.
Seit 1890 ist dieselbe soweit vergrößert, daß sie täglich 100 Mill.
Gallonen zu liefern vermag. Die
Anlagen für die Gasbeleuchtung
haben ungefähr 700000 Pfd. St. gekostet. Die Hauptverkehrsadern sind
Argyll-, St. Vincent-, Sauchiehallstreet,
Union- und
Buchananstreet mit den elegantesten Kaufläden. Die neuern äußern
Teile, besonders auf dem linken Ufer, zu dem 9 große
Brücken
[* 5] führen, sind gleichmäßig angelegt und dehnen sich immer weiter bis zu den
Vororten aus. An schönen öffentlichen
Bauwerken ist Glasgow
nicht reich.
Die
Kathedrale, am Fuße eines Hügels im östl.
Teile, ein frühgot.
Bau (13. bis 15. Jahrh.), ist 96 m
lang, 68 m hoch; die
Krypta ist besonders schön. Auf dem Hügel liegt der Kirchhof mit Denkmälern und einem
Standbild des
John Knox. Unter den kath.
Kirchen ist die St. Andrewskirche (1816) bemerkenswert. Ferner die
Börse im korinth.
Stil (1829)
und am
George
Square
das neue
Stadthaus, die Hauptpost, die
Bank von
Schottland und Merchants’
House. An diesem Platze stehen
auch die
Denkmäler von
Walter Scott, Lord Clyde, J.
Watt,
Sir Rob. Peel, W. Pitt, Rob.
Burns, Livingstone u. a., sowie Reiterstandbilder des Prinz-Gemahls und der Königin Victoria
[* 6] (von Marochetti).
Andere
Parks sind Glasgow
Green mit dem Nelson-Monument im O. und Westend
Park am Kelvinfluß,
jenseit dessen sich die
Universität erhebt (s. unten). Der Westen ist der Wohnort der reichen Kaufleute und Fabrikanten.
– Die
Verwaltung liegt in den
Händen eines
Stadtrats von 48 Mitgliedern (je 3 von jedem der 16
Bezirke
[ward]) und den 2 Vorständen der alten
Gilden.
Unterrichts- und
Bildungsanstalten. Obenan steht die
Universität, 1864–70 nach Glasgow.
Glasgow
Scotts
Plänen für 10 Mill. M. erbaut.
Sie
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Karte: Glasgow
(Situationsplan)
wurde 1450 begründet, erhält 8000 Pfd. St. jährlichen Zuschuß vom Parlament, wählt mit Aberdeen [* 8] ein Parlamentsmitglied und hat (1892) 28 Professoren, 7 Lektoren und 2138 männl. und weibl. Hörer. Die Einrichtung ist der deutscher Hochschulen ähnlich. Mit der Universität in Verbindung stehen die Bibliothek (150000 Bde.), das Hunterian-Museum (1783 von William Hunter begründet) mit wertvollen anatom. Sammlungen, Münzen, [* 9] Gemälden und 12000 wertvollen Büchern und Handschriften, ferner der Botanische Garten, [* 10] das große Krankenhaus [* 11] (Western Infirmary), Laboratorien und die Sternwarte. [* 12]
Außerdem bestehen eine große Technische Schule (Glasgow
and West of Scotland Technical College), seit 1880, mit 9 Professoren, 16 Lektoren
und ungefähr 2000 Schülern, ein Anderson College (1796) für Naturwissenschaften, das St. Mungo’s College (seit 1889) mit
einer jurist. und mediz. Fakultät, ein College zur Ausbildung von Theologen der Freien schott. Kirche, eine Weberschule (seit
1892); ferner das Queen Margaret College (mit einer mediz. Fakultät) für die höhere Ausbildung des weiblichen
Geschlechts, ein Industriemuseum, die Stirlings- und die Mitchell-Bibliothek, letztere aus einer Stiftung von 80000 Pfd. St.
hervorgegangen, eine Kunstakademie (Corporation Galleries) mit 500 Gemälden, darunter Venetianer, Rembrandt und Ruisdael,
jährliche Kunstausstellungen, Musikaufführungen in St. Andrew’s Music Hall
[* 13] und 5 große Theater.
[* 14]
Volksschulen bestehen 69 mit etwa 64000 Zöglingen. Zahlreich sind die wissenschaftlichen Vereine, darunter
die «Philosophical Society», die auch «Proceedings» herausgiebt, und
die Naturforschende
Gesellschaft. Die wichtigsten Zeitungen sind: «Evening-Citizen», «Evening
News», «Herald» und «North British Daily Mail». Industrie, Handel und Verkehr. Glasgow
ist die erste Industriestadt Schottlands und
nächst London
[* 15] und Liverpool
[* 16] der Haupthandelsplatz des Vereinigten
[* 17] Königreichs.
Seit 1780 entwickelte sich die Baumwollspinnerei und Weberei, [* 18] die Bleicherei, die Jute- und Seidenindustrie, die Fabrikation von Shawls, Musselinen und gedruckten Kalikos, von Garnen und Zwirnen sowie von Chemikalien, wie Soda, Seife, Pottasche, Alkali und Jod, Pulver, Dynamit, Färbemitteln aller Art, besonders Türkisch-Rot, von Stärke, [* 19] Zucker, [* 20] Papier, Glas, [* 21] Steingut und Zündhölzchen sowie von Branntwein (Whisky) und Bier. Die 30000 Dampfwebstühle fertigen jährlich Woll- und Baumwollstoffe im Werte von 4 Mill. Pfd. St. Die großartigste der chem. Fabriken sind die St. Rollox-Works, deren Anlagen 6 ha bedecken und besonderen Bahnanschluß besitzen.
Der bedeutendste Industriezweig ist aber die Verarbeitung der Erzeugnisse der zahlreichen Hochöfen der nächsten Umgebung (1891: 674425 t). Jährlich werden etwa 24 Mill. Ctr. Guß- und 2 Mill. Ctr. Schmiedeeisen produziert. Das bedeutendste Stahlwerk ist die Steel Company of Scotland Works. Besonders ausgebildet ist der Bau eiserner und stählerner Schiffe. [* 22] Gebaut wurden 1891 am Clyde überhaupt 218 Dampfer und 123 Segler mit zusammen 325477 Registertonnen. Zu den größten Schiffsbaufirmen gehören Charles Randolph, Stapiers und John Elder and Co. (s. Elder) in Govan. Daneben werden Lokomotiven, Dampfmaschinen [* 23] aller Art, Nähmaschinen, [* 24] Kessel, Stangeneisen, ¶
Glaskunstindustrie I 1. Orientalische Glasflasche mit Emailverzierung. 2. Antikes musivisches Glasgefäß. 3. Venetianisches (grünes) Trinkglas (15. Jahrh.). 4. Venetianisches Glasgefäß mit netzartiger Verzierung (16. Jahrh.). 5–11. Moderne venetianische Gläser (Salviati). 12. 13. Böhmische Gläser (17. Jahrh.). 14. Böhmische Glaskanne (17. Jahrh.). ¶
Glaskunstindustrie II 1.–4. Moderne französische Gläser (Baccarat). 5.–10. Moderne deutsche Gläser (Köln-Ehrenfeld). 11.–15. Moderne englische Gläser (Green in London). 16.–18. Moderne englische Gläser. 19.–25. Moderne österreichische Gläser (Lobmeyr in Wien). [* 27] ¶
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Eisenbahnschienen, Messerschmiedewaren in Massen hergestellt. – Glasgow
ist Handelsmittelpunkt des industriellen Teils von Schottland
und vertreibt auch einen großen Teil der Erzeugnisse der irischen Leinenmanufaktur. Seine Lage begünstigt vor allem den Verkehr
mit den Vereinigten Staaten und Canada, aber auch nach Frankreich, Spanien,
[* 29] Belgien
[* 30] und Indien ist der Handel gerichtet.
Eingeführt werden vor allem Weizen, Gerste,
[* 31] Hafer,
[* 32] Hülsenfrüchte und Mehl,
[* 33] insgesamt (1889)
4,10 Mill. Doppelcentner, Schinken, Speck, frisches und konserviertes Fleisch, Butter und Obst, lebende Tiere, Tabak,
[* 34] Wein und
Spirituosen.
Rübenzucker wurden (1891) 161045, Rohrzucker 25480 t importiert. Die Eisenindustrie erfordert noch Zufuhr von Rohmaterialien, besonders von Eisenerz (etwa 360000 Doppelcentner), ferner Blei, [* 35] Eisen- und Kupferpyrite sowie Zink. Wichtig sind auch rohe Häute, Leder, Petroleum, Öle [* 36] und Düngemittel. In der Ausfuhr stehen die Erzeugnisse der Textilindustrie aus Baumwolle, [* 37] Wolle, Jute [* 38] und Leinen obenan. Dann folgen die Metallwaren im Werte von etwa 2,2 Mill. Pfd. St. jährlich, Chemikalien, Glas und Porzellanwaren.
Kohlen wurden (1891) 1,55, von allen Clydehäfen zusammen 2,99 Mill. t verschifft. Im ganzen erreichte (1889) die Einfuhr einen Wert von 12,68, die Ausfuhr von 14,88 Mill. Pfd. St. Die wichtigsten Banken sind: Bank of Scotland, Commercial Bank of Scotland, Royalbank und Unionbank. Die Metallbörse ist maßgebend für den Welthandel. – Dem Verkehr in der Stadt dienen Cabs, Omnibus- und Pferdebahnlinien nach den Vorstädten sowie Hafendampfer. Acht Bahnhöfe; [* 39] vielfach untereinander verbunden, vermitteln den Verkehr mit allen Plätzen Schottlands und Englands.
Die North-British- and Caledonian-Station im W. steht mit College-Station im S. durch eine unterirdische Linie in Verbindung.
Früher war der Clyde nicht bis Glasgow
fahrbar, was die Entstehung von Port Glasgow
zur Folge hatte. Durch großartige
Bauten und Ausbaggerungen können jetzt Seeschiffe bis zur Stadt gelangen und am Broomielaw sowie in den beiden Becken des
Queensdock (rechts) und im Kingston-Dock (links) des Flusses löschen. Die Hafenbauten (Wasserfläche 60 ha) haben
insgesamt etwa 11 Mill. Pfd. St. gekostet.
Die Hafenzölle bringen jährlich mehr als 1 Mill. Pfd. ein. Die eigene Flotte zählt über 1500 Schiffe,
darunter viele große Segler. 1888 liefen 19291, darunter im Küstenverkehr 16877, Schiffe (und zwar sieben Achtel Dampfer)
mit insgesamt 5,78 Mill. t in ein. Große Flußdampfer vermitteln den Verkehr mit dem westl. Hochlande
und den Inseln. Regelmäßiger Verkehr besteht mit allen großen Handelsplätzen. Konsulate haben in Glasgow
sämtliche europ. und
die meisten außereurop. Staaten. –
Vgl. Denholm, History of the city of Glasgow
(Glasgow
1797 u. ö.);
MacGregor, The history
of Glasgow
(1881);
Senex, Glasgow past and present (1884).