Titel
Gladiatoren
[* 2] (v. lat. gladius, »Schwert«),
bei den
Römern Bezeichnung der
Fechter, welche in den
Kampfspielen miteinander
kämpften. Unter allen
Spielen, welche der Schaulust des römischen
Volkes dargeboten zu werden pflegten, standen in der
Gunst
aller
Klassen die
Kämpfe der Gladiatoren
(munera gladiatoria) obenan. Ihr Ursprung ist nicht sowohl in den
athletischen
Kämpfen der Griechen als vielmehr in den Leichenspielen der
Etrusker zu suchen, welche an die
Stelle der frühern,
zum Andenken der Verstorbenen vollzogenen
Menschenopfer getreten waren; auch wurden bei den
Römern diese
Kampfspiele zuerst
nur bei Leichenbegängnissen (ad rogum) veranstaltet.
Den ersten derartigen
Fall in
Rom
[* 3] erwähnt
Valerius Maximus 264
v. Chr., wo
Marcus und
Decius
Brutus zur
Feier der
Bestattung ihres
Vaters einen Gladiatore
ntampf auf dem Ochsenmarkt veranstalteten. Ebenso ließen 216 die
Söhne des M.
Ämilius
Lepidus zu
Ehren
ihres verstorbenen
Vaters 22
Paare Gladiatoren
kämpfen. Bei dem munus gladiatorium, welches
Scipio zu Neukarthago
in
Spanien
[* 4] als Totenfeier seines in
Spanien gefallenen
Vaters und Oheims veranstaltete, kämpften nicht Sklaven, sondern freie
Männer, die sich freiwillig dazu erboten hatten.
Mit der Zeit verschwand diese Bedeutung der Spiele als Totenopfer vor dem Vergnügen, welches der Anblick der im Todeskampf ringenden Sklaven dem harten und freiheitsstolzen Volk gewährte, und man sah in den Kämpfen zugleich ein treffliches Mittel zur Erhaltung und Stählung des kriegerischen Sinnes, der gegen jede menschliche Regung dem Feind gegenüber abgehärtet werden mußte. Diese eigentliche Ausbildung des Instituts fällt in die letzten Zeiten der Republik.
Jetzt wurden bei den verschiedenartigsten Gelegenheiten sowohl von
Ädilen als von andern Magistratspersonen,
besonders beim Antritt ihres
Amtes, Gladiatore
nspiele veranstaltet, auch eigne
Amphitheater (s. d.) mit offener
Arena zu diesem
Zweck errichtet. Mit der
Größe dieser Gebäude, die unter den
Kaisern ungeheure
Dimensionen annahmen, steigerte sich natürlich
auch die Zahl der kämpfenden
Paare. Die
Menge der Gladiatoren
, welche
Julius Cäsar als Ädilis (65
v. Chr.) zu einem
Munus zusammengebracht hatte, war so groß, daß seine Gegner einen
Mißbrauch derselben zu politischen
Zwecken befürchteten
und durch ein
Gesetz die Anzahl der aufzustellenden
Paare beschränkten.
Gleichwohl ließ
Cäsar 320
Paare erscheinen. Von den einzelnen
Kaisern wurden die Gladiatore
nspiele bald
beschränkt, bald bis zur
Tollheit gesteigert.
Augustus erlaubte den Prätoren nur zweimal im Jahr, Fechterspiele zu geben
und zwar jedesmal von nicht mehr als 60
Paaren. An den von ihm selbst gegebenen
Spielen haben nach seiner eignen Angabe im
ganzen nicht weniger als 10,000 Mann gefochten.
Sein
Gebot geriet auch bald in Vergessenheit;
Gordianus
(gest. 238
n. Chr.) gab in dem Jahr, wo er die Ädilität verwaltete, zwölf
Munera und ließ dabei nie weniger als 150, bisweilen 500 Gladiatoren
paare
kämpfen.
Auch von Trajan wird erzählt, daß er 123
Tage lang verschiedene
Spiele aufführte, bei welchen 10,000 Gladiatoren
kämpften.
Kaiser
Commodus veranstaltete nicht nur zahlreiche und prachtvolle
Spiele, sondern setzte auch seinen höchsten
Ruhm darein, selbst ein tüchtiger Gladiator zu sein, der mehrere hundert
Male als
Kämpfer in der
Arena erschien. Die Gladiatoren
spiele
hatten übrigens auch in andern Hauptstädten des römischen
Reichs Eingang gefunden. So soll nach
Josephus
Herodes
Agrippa bei
der
Einweihung eines
Amphitheaters an einem
Tag 700 Gladiatoren
vorgeführt haben; selbst in
Athen
[* 5] und
Korinth
[* 6] fanden die
Spiele Beifall,
und schließlich
gab es in
Italien
[* 7] oder in den
Provinzen kaum eine bedeutende Stadt, die nicht ihr eignes
Amphitheater und ihre
Fechterspiele gehabt hätte.
Die Gladiatoren
waren gewöhnlich
Kriegsgefangene, die aus den zahlreichen
Kriegen massenhaft nach
Rom geschleppt
wurden, und bei denen man das
Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden glaubte, wenn man sie in der
Arena sich gegenseitig
abschlachten ließ. Groß war auch die Zahl der Sklaven, welche zur Bestrafung zum
Kampfe verurteilt wurden, nicht minder
die der freien Leute, verzweifelter
Existenzen, denen sonst kein
Mittel zum
Erwerb blieb. Denn die aus den
Kämpfen siegreich hervorgehenden Gladiatoren
ernteten nicht nur hohen
Ruhm und wurden in Gedichten und Bildern verherrlicht, sondern
erhielten auch für ihr Auftreten hohen
Lohn (auctoramentum
), so daß
sie den Rest ihres
Lebens in Behaglichkeit verbringen
konnten.
Diese freien Gladiatoren
führten den
Namen auctorati und mußten schwören, daß sie sich »mit
Ruten hauen, mit
Feuer brennen und mit
Eisen
[* 8] töten lassen wollten«. Unter den
Kaisern entstanden kaiserliche
Schulen für die Gladiatoren
(ludi gladiatorii), deren man noch
eine in
Pompeji
[* 9] aufgefunden hat. Hier wurden sie in äußerst strengem Gewahrsam gehalten,
Vergehen mit
der größten
Härte geahndet, auf ihr körperliches Wohlbefinden aber die eifrigste Sorgfalt verwandt. Unter der Leitung
des Fechtlehrers (lanista) übten sich die in ihrer
Kunst.
Der Anfänger gebrauchte das Stockrapier (rudis), welches auch dem ausgedienten Gladiator (rudiarius) nach siegreichen Kämpfen zum Zeichen der völligen Befreiung vom Kampf gegeben wurde. Der Fortgeschrittenere benutzte metallene Waffen, [* 10] welche abgestumpft, aber schwerer waren als die zum öffentlichen Kampf bestimmten. Hatte der Gladiator sein erstes Auftreten in der Arena glücklich bestanden, so erhielt er ein elfenbeinernes Täfelchen (tessera) mit dem Datum seines ersten Debüts und der Inschrift SP. oder SPECT. (d. h. spectatus, »erprobt«).
Vgl. Ritschl, Die tesserae gladiatorum der Römer [* 11] (Münch. 1864).
Hinsichtlich der
Bewaffnung unterschied man verschiedene
Arten von Gladiatoren.
Die vollste kriegerische
Rüstung
[* 12] trugen die sogen. Samnites,
deren
Bewaffnung
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mehr
(zum Teil den Samnitern entlehnt, daher der Name) in einem länglichen Schild, [* 14] einem starken Ärmel am rechten Arm, einer Schiene am linken Bein, einem starken Leibgurt, einem Visierhelm mit Kamm [* 2] (Fig. 1) und einem kurzen Schwert [* 2] (Fig. 2) bestand. Die Retiarii (»Netzkämpfer«),
deren Hauptwaffe ein Fangnetz (rete) war, erschienen halb entblößt; als Schutz hatten sie nur einen breiten Leibgurt und einen Ärmel am linken Arm aus Metall oder Leder, der zum Ersatz des Schildes über die Schulter ein Stück in die Höhe stand. Außerdem trugen sie den Dreizack (fuscina) und Dolch. [* 15] Ihre Kunst bestand darin, dem Gegner ihr Fangnetz über den Kopf zu werfen und ihn dann mit dem Dreizack zu durchbohren. Ihnen gegenüber stellte man gewöhnlich die Secutores (»Verfolger«),
benannt von der Verfolgung des fliehenden Feindes, die mit Helm, Schild und Schwert bewaffnet waren.
Da große Gewandtheit dazu gehörte, dem Gegner auszuweichen und ihm beizukommen, so wurden dazu die
geübtesten Fechter genommen
[* 2]
(Fig. 3). Außer ihnen wurden auch die nach gallischer Art mit Helm, Schild und Schwert bewaffneten
Myrmillones
[* 2]
(Fig. 4), benannt nach der ihren Helm zierenden
[* 2]
Figur eines Fisches (mormylos), häufig den Retiariern entgegengestellt.
Eine andre Gattung der Gladiatoren
, wegen ihrer thrakischen Bewaffnung Thraces genannt, hatte den kleinen, meist
runden Schild (parma) und einen kurzen Krummsäbel (sica). Ähnlich den Retiariern waren die Laquearii ausgerüstet, nur daß
sie statt des Netzes eine Schlinge (laqueus) trugen. Oft genannt sind auch die Essedarii, welche nach Art der Britannier auf
einem mit zwei Rossen bespannten Streitwagen
[* 16] (esseda) kämpften, während die Andabatae
[* 2]
(Fig. 5) zu Pferde
[* 17] kämpften, indem sie in Visierhelmen ohne Augenlöcher, mit kleinem Rundschild und Speer (spiculum) bewaffnet, blind aufeinander
losjagten.
Erst spät kommen die Dimachaeri vor, die in jeder Hand
[* 18] ein kurzes Schwert führten. Noch sind einige Gladiatoren
bezeichnungen
nachzutragen, die sich auf die Zeit oder Gelegenheit des Auftretens der Gladiatoren beziehen.
Die Bustuarii kämpften ad bustum oder rogum, also bei Bestattungen; die Cubicularii ließ man bei Gastmählern zur Unterhaltung
der Gäste kämpfen; die Meridiani waren
ungeübte Verbrecher, welche zur Mittagszeit, wenn der größte Teil des Publikums
sich entfernt hatte, zur Unterhaltung der Zurückbleibenden auftraten und ohne Schutzwaffen, nur mit dem
Schwert bewaffnet, in ganzen Scharen (gregatim oder catervatim, daher auch Catervarii) sich gegenseitig zerfleischten. Den
Gegensatz zu diesen Kämpfern in Masse bildeten die Ordinarii, welche nur paarweise und im regelmäßigen Gefecht auftraten.
Die Postulatitii und Fiscales (auch Caesariani) waren kaiserliche, in jeder Hinsicht bewährte Gladiatoren, deren
Auftreten vom Volk als eine Gunst erbeten wurde; sie erschienen gewöhnlich zum Schluß des Festes.
Der, welcher das Munus veranstaltete, hieß Editor muneris, auch Munerarius. Er machte den Tag der Spiele sowie das Programm derselben (libellus) schon längere Zeit vorher bekannt, und diese Libelli, die besonders die Zahl und die Namen der hervorragendsten Gladiatoren aufführten, wurden sehr eifrig verbreitet; häufig ging man auch Wetten über den zu erwartenden Erfolg einzelner Kämpfer ein. Zum Beginn des Schauspiels zogen die in feierlichem Zug durch die Arena, den Kaiser vielleicht mit dem einmal erwähnten Ruf begrüßend: »Ave, Imperator, morituri te salutant« (»Heil dir, Imperator, die zum Tod Gehenden grüßen dich!«).
Vom Lanista paarweise aufgestellt, eröffneten sie dann ein Scheingefecht (prolusio) mit stumpfen Waffen, oft nach dem Takte der Musik. Bald gab die Tuba [* 19] das Zeichen zum ernsten Kampf, und mit scharfen Waffen drang man aufeinander ein. Die Pfeifen und Flöten übertönten das Gestöhne der Verwundeten und Sterbenden, die Zurückweichenden wurden mit Peitschen und glühenden Eisen in den Kampf getrieben. Hatte ein Kämpfender eine Wunde empfangen, so rief man: »Habet«. Aber trotz der Wunden wurde das Gefecht gewöhnlich fortgesetzt, bis einen der Kämpfer die Kräfte verließen. Dann ließ er seine Waffen sinken und rief durch Erhebung des Zeigefingers das Mitleid und die Gnade des Volkes an. Die Gewähr der Bitte (missio), später meist den Kaisern überlassen, wurde durch Schwenken von Tüchern, auch wohl durch das Aufheben eines
[* 2] ^[Abb.: Fig. 1. Visierhelm.]
[* 2] ^[Abb.: Fig. 2. Gladiatorenschwerter.]
[* 2] ^[Abb.: Fig. 3. Secutor (mit übergeworfenem Netz). Retiarius. (Nach einem Mosaik.)]
[* 2] ^[Abb.: Fig. 4. Myrmillo.]
[* 2] ^[Abb.: Fig. 5. Andabatä. (Relief von Pompeji.)] ¶
mehr
Fingers verliehen, während das Umwenden des Daumens den Todesstoß verlangte. Das Volk zeigte Teilnahme für den Tapfern, während es durch Furchtsamkeit in Wut gebracht wurde. Die gefallenen Gladiatoren wurden mit Haken durch die Porta Libitina nach dem sogen. Spolarium geschleppt, wo auch diejenigen, in denen noch Leben war, völlig getötet wurden. Die Sieger erhielten zur Belohnung einen Palmzweig (palma gladiatoria), unter und seit Augustus auch Geldprämien. In Italien war namentlich Kampanien die Heimat der oben genannten Gladiatorenschulen, und die ungeheure Menge von Sklaven, die sich dort zu ihrer Ausbildung versammelten, brachte Rom durch ernstliche Aufstände wiederholt in Gefahr (vgl. Spartacus).
In den Bürgerkriegen zwischen Otho und Vitellius dienten die auch im Heer und leisteten hier namentlich im Handgemenge ausgezeichnete Dienste. [* 21] Das Christentum trat den Gladiatorenkämpfen zwar entgegen, war aber lange Zeit nicht im stande, die Vorliebe des Volkes dafür zu verdrängen; erst unter Honorius scheinen sie (404) ihr völliges Ende erreicht zu haben. Bildliche Darstellungen von Gladiatorenkämpfen sind nicht selten. Wichtig ist ein in Pompeji gefundenes großes Basrelief, welches die mannigfachen Situationen der Gladiatorenkämpfe darstellt. Auch auf einem zu Nennig (Regierungsbezirk Trier) [* 22] gefundenen Mosaikfußboden sind Abbildungen von solchen Kampfszenen enthalten (hrsg. von v. Wilmowsky, Bonn [* 23] 1865).