Giroverkehr
(spr. dschi-). Der moderne Giroverkehr
wird nicht durch besondere
Girobanken (s. d.), sondern durch Depositen- und
Notenbanken neben ihren sonstigen
Geschäften betrieben. Die
Bank ist nicht verpflichtet, die bei ihr von den Girokunden eingezahlten
Summen bar vorrätig zu halten, muß aber jederzeit den
Anweisungen des
Kunden entsprechen, sowohl in
Bezug
auf die Überschreibungen von einem Folium auf das andere, als auch auf bare Auszahlungen. Bei dem Giroverkehr
im
strengen
Sinne giebt die
Bank ihrerseits keinen Kredit, sondern nimmt von den Konteninhabern außer den baren Einzahlungen
nur Wechsel,
Coupons u. s. w. zum Einkassieren an, die erst nach erfolgter
Zahlung gutgeschrieben werden.
Es steht jedoch natürlich im Belieben der
Banken, ihren
Kunden auch den Betrag diskontierter Wechsel oder erteilter Lombarddarlehne
auf
Giroconto gutzuschreiben, und diese Erweiterung des Giroverkehr
ist zur Belebung desselben und zur
Beförderung des Check- und Abrechnungsverkehrs
durchaus empfehlenswert.
Die
Deutsche Reichsbank,
[* 2] welche ihrem Giroverkehr
durch die Zulassung kostenfreier Übertragungen von einem Bankplatz
zum andern bereits eine großartige
Ausdehnung
[* 3] in dem ganzen
Netze ihrer Zweiganstalten gegeben, hat in der neuesten Zeit die
Entwicklung desselben in
Verbindung mit Check- und
Clearing-House-System noch weiter zu befördern gesucht. Nach den in
Kraft
[* 4] getretenen modifizierten Bestimmungen über den Giroverkehr
der Reichsbank müssen jetzt alle
Summen, welche die Girokunden durch
Diskontierung von Wechseln oder Lombarddarlehnen erhalten, zunächst dem
Giroconto derselben gutgeschrieben werden, können
also nicht unmittelbar (ohne dieses Conto zu passieren) bar entnommen werden. Der Contoinhaber ist berechtigt, außer
Wechseln und
Anweisungen auch
Rechnungen und andere fällige Forderungen kostenfrei zur Gutschrift auf
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mehr
Giroconto einziehen zu lassen. Der weiße Check, mittels dessen die baren Abhebungen erfolgen, hat nicht mehr, wie früher, die Form einer Quittung, sondern ist nunmehr ein Anweisungscheck auf Namen mit dem Zusatze «oder Überbringer», den die Bank stets ohne Legitimationsprüfung auszahlt. Soll der Check nur zur Verrechnung mit der Reichsbank oder einem Contoinhaber dienen, so muß er gekreuzt, d. h. mit dem quer über den Text geschriebenen Vermerk «nur zur Verrechnung» versehen sein, in welchem Falle der Betrag nicht bar ausgezahlt werden darf. Zu Übertragungen auf Konten an demselben oder an einem andern Bankplatz sind die roten Checkformulare bestimmt. Es dürfen nur die von der Bank selbst in Heften von mindestens 50 Stück gelieferten Checkformulare verwendet werden.
Außerdem erhält der Contoinhaber ein Contogegenbuch, in welches alle von ihm oder für ihn bar oder durch Verrechnung eingehenden Gelder eingetragen werden. Wechsel, aus welchen ein Contoinhaber zu einer Zahlung verpflichtet ist, sind bei der Reichsbank oder einem Bankhause, das mit derselben in täglicher Abrechnung steht, zahlbar zu machen und rechtzeitig schriftlich anzumelden. Andernfalls müssen solche in den Besitz der Reichsbank gelangten Wechsel bar bezahlt werden.
Verfügt der Contoinhaber über mehr, als sein Guthaben beträgt, so lehnt die Bank nicht nur die Zahlung ab, sondern behält sich auch vor, den Verkehr mit ihm ganz abzubrechen. Die Girogelder werden von der Bank kostenfrei verwaltet, aber nicht verzinst. Die Reichsbank erwartet aber, daß die Girokunden stets ein ihrer Mühewaltung entsprechendes Guthaben stehen lassen, regelmäßig von ihren Befugnissen Gebrauch machen, jedoch nur für sich selbst, nicht für dritte Personen, und sie behält sich das Recht vor, den Vertrag ohne weiteres schriftlich aufzuheben, wenn diesen Erwartungen nicht entsprochen wird. Im Zusammenhange mit dieser Reorganisation des hat die Reichsbank seit 1884 in Berlin [* 6] und 9 andern Bankplätzen (Bremen, [* 7] Breslau, [* 8] Dresden, [* 9] Elberfeld, [* 10] Frankfurt [* 11] a. M., Hamburg, [* 12] Köln, [* 13] Leipzig [* 14] und Stuttgart) [* 15] Abrechnungsstellen (Abrechnungsbureaus) geschaffen, durch welche die Auszahlungen und Überschreibungen bedeutend vermindert wurden.
Unter demselben Impuls haben auch viele Bankhäuser einen provisionsfreien Check- und Giroverkehr
organisiert, in der Hoffnung,
auch das nicht kaufmännische Publikum mehr und mehr für die Sache zu interessieren. In diesen Fällen wird meistens eine
mäßige Verzinsung der Einlagen gewährt oder die Girokunden werden, wie beim Wiener Giro- und Kassenverein,
am Gewinn aus dem Girogeschäft beteiligt. Im J. 1892 sind im G. der Reichsbank mit einem Bestande von 257961122,69 M. aus
dem J. 1891 39092190698,62 M. vereinnahmt und dagegen 39122896 487,85 M. verausgabt worden, sodaß ein
Rest von 227255333,46 M. zu Gunsten der Girokunden verblieb. Von dem Gesamtumsatz der Reichsbank 1892 (104489335000 M.) betrug
sonach der Umsatz im G. (78215087186,47 M.) allein etwa 75 Proz. (S. auch Banken, Check und Clearing-House.)
Vgl. Allgemeine Bestimmungen über den Geschäftsverkehr mit der Reichsbank; R. Telschow, Der gesamte Geschäftsverkehr mit der Reichsbank (5. Aufl., Lpz. 1891);
Verwaltungsbericht der Reichsbank für 1892 (Berl. 1893);
Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. 4 (Jena [* 16] 1892), S. 64 fg.